Sugawara Koushi*The Devil In Form Of An Angel*

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Still beobachtet sie die Menschen, welche unbeachtet an ihr vorbei gehen. Sie steht mitten auf dem Gehweg aber es scheint sie niemand zu bemerken. Wie denn auch, wenn sie gar nicht sichtbar ist. Die Menschen gehen einfach durch sie hindurch als wäre sie Luft. Sie selbst bemerkt es nicht mal, nur ein kleines kitzeln zieht durch ihren Körper. Schon seit tausenden von Jahren ist das ihr dasein. Unbeachtet von den Menschen und doch so wichtig.

Im Augenwinkel sieht sie eine Gestalt, die ihr bekannt vorkommt. An einer Wand angelehnt vor einer Gasse steht sie und scheint sich auf etwas zu fokussieren. Die junge Frau folgt seinem Blick und ihr Augenmerk fällt auf einen kleinen Jungen mit einem Eis in der Hand. Fröhlich isst er sein Eis und achtet nicht auf den Weg. So kommt es, dass er einen Spalt im Boden übersieht und stolpert. Das Eis fällt runter, der Junge jedoch kann sich halten. Weinend sieht er auf das nun ungenießbare Eis.

Ihr Blick schweift wieder zu der Gestalt bei der Gasse. Mit einem leichten Grinsen zieht es sich in die Dunkelheit zurück, dunkle Schwingen blitzen kurz im Schatten auf. Im Nu steht sie selbst bei der Gasse, betritt die Dunkelheit und folgt der Gestalt. Ihre Schuhe geben keinen Laut von sich, schließlich ist sie für andere Lebewesen nicht existent.

Fast am Ende der Gasse bleibt sie stehen. Ruhig sieht sie sich in der Dunkelheit um, kann aber nichts sehen. Ein Flügelschlagen ist hinter ihr zu vernehmen und sie spannt sich innerlich an. Von außen aber kann man ihr das nicht ansehen, sie strahlt die Gelassenheit förmlich aus.

»Wie es scheint, habe ich ein Verfolger«

Leichter Hohn ist in der Stimme zu hören und doch ist es eher ein angenehm, dunkles Summen.

»Ziemlich niveaulos, sich an einem kleinen Kind einen Spaß zu erlauben. Was bist du? Elf?«

Sie dreht sich um, steht der Gestalt nun Angesicht zu Angesicht. Seine grauen, fast silbernen, Haare liegen locker in seiner Stirn. Seine braunen Augen leuchten eine Wärme aus, die zu so einer Gestalt gar nicht passt. Ein schiefes Grinsen ziert sein Gesicht, welches viel zu unschuldig ist. Abgerundet durch ein kleines Muttermal unter dem Auge. Ein wahrlicher Anblick eines Engels, wenn da die großen Schwarzen Schwingen nicht wären, welche die Form von Rabenflügeln haben und die kleinen spitzen Hörner auf seinem Kopf. Ein langer Schweif, am Ende spitz zulaufen, peitscht gefährlich hinter ihm her.

»Häng da noch ein paar mehr Nullen ran, dann wird das schon.«

Das Grinsen wächst. Er kommt wenige Schritte näher und steht nun direkt vor ihr, er muss nur den Arm ausstrecken und er kann sie berühren.

»Und außerdem ist es heutzutage echt schwer seine Arbeit zu verrichten, wenn ihr Engel dauernd dazwischen funkt«

Das Grinsen wird noch größer, sieht immer noch so verdammt unschuldig aus aber sie weiß, dass dieses Grinsen nur der Vorbote von grausamen Taten ist. Sie fühlt regelrecht, welche Bedrohung von ihrem Gegenüber ausgeht.

»Ich denke, wir können beide behaupten, dass wir nur unsere Arbeit verrichten, Koushi«

»Ja, ja~«

Abwesend summt er es vor sich hin, offensichtlich nicht ganz einverstanden. Plötzlich steht er nicht mehr vor ihr. Einen Flügelschlag später merkt sie einen Luftzug hinter sich und einen Atem in ihrem Nacken. Ihr Herz fängt an stark zu klopfen, überschlägt sich fast und erschrocken hält sie den Atem an.

  »Hm~ Deine Worte in Gottes Ohr Tenshi«

Die Worte verlassen ihn durch ein Hauch und ihr Name aus seinem Mund schickt ihr Gänsehaut den Rücken hinunter. Unruhig schlägt sie mit ihren strahlend weißen Flügeln. Der Dämon hinter ihr kichert dunkel, nähert sich ihr noch ein Stück.

»Mach ich dich etwa nervös?«

Seine Finger streichen hauchzart durch ihr Gefieder. Angefangen bei den Armschwingen bis zu den Schulterfedern, bei denen sich ihr ganzer Körper anspannt. Ihre Flügel zucken und ein weiteres, tiefes kichern entflieht seiner Kehle. Er nimmt es als stille Zustimmung weiß aber gleichzeitig, dass sie es nie zugeben würde.

»Du hast so schöne Flügel, Tenshi. So schön weich und hell. Anders als meine.«

Er kommt noch näher, platziert seinen Kopf auf ihrer Schulter. Ein abwägendes Summen zieht durch seinen Körper, lässt ihren eigenen mit vibrieren. Das Grinsen wächst, nimmt eine hämische Form an. Leise flüstert er die Worte in ihr Ohr, lässt die Belustigung dahinter durchsickern.

»Fehlt nur der Heiligenschein«

Schwer schluckend schließt sie die Augen. Ihr ist gar nicht aufgefallen, wie schnell ihre Atmung mittlerweile geht. Ihm wahrscheinlich umso mehr. Angestrengt versucht sie diese zu kontrollieren. Seine Worte treffen sie, schließlich ist er der Grund, warum sie ihren Heiligenschein verloren hat.

Erst nachdem sie ihn kennengelernt hat, hat sie sich gehen lassen, sich nicht mehr kontrollieren können. Das Leben als Engel ist so viel schwieriger als das eines Dämonen. Tu dies nicht, tu das nicht und auf keinen Fall tu jenes nicht. Mit einer Ausgeburt der Hölle zu verkehren schon gar nicht. Die Folge war der Verlust ihres Heiligenscheins und der Achtung der anderen Engel.

»Oh, Verzeihung. Ich vergaß: Es ist ja meine Schuld«

Rau lacht er auf, ist sich trotz seiner Worte wohl keiner Schuld bewusst. Tenshi ist sich sicher, dass er es genießt, sie in so einer Situation zu haben. Wenn Dämonen es schon lustig finden Menschen zu ärgern und zu quälen, ist es für sie ein Genuss es bei Engeln zu tun und sie ihrer Reinheit zu berauben. Ob jetzt durch Verletzung eines Menschen oder... anderen Sachen.

»Oder doch nicht? Schließlich gehören zu so einer Sache immer zwei wenn ich mich nicht irre«

Sein Schweif streicht ihren Arm hinauf, das Gesicht gefährlich nahe an ihrem und seine Finger lassen es sich nicht nehmen, ab und zu flüchtig durch ihr empfindliches Gefieder zu streichen. So flüchtig, dass es jedesmal so unerwartet kommt und sie zusammen zuckt. Alles im allem ist er ihr viel zu Nahe.

»Ja~ Ich kann mich daran erinnern, dass du es wolltest, Tenshi. Gebettelt hast du, dass ich nicht aufhören soll und weißt du was?«

Seine Lippen streifen ihren Nacken und seine Finger krallen sich in ihre Federn. Nicht zu fest aber doch fest genug, dass sie scharf die Luft einzieht und sich ihre Flügel aufplustern. Ihre Brust hebt und senkt sich in schnellen Abständen, ihre Beine fangen verdächtig an zu zittern und gefährliche Erinnerungen von ihnen Beiden spielen sich in ihrem Kopf ab. Und ja, sie kann sich auch noch daran erinnern, wie sehr sie darum gebettelt hat.

»Dein Körper hat genauso auf mich reagiert wie er es jetzt tut. Was soll ich also mit dir machen, Hm?«

Sie schluckt. Alle Worte bleiben ihr im Halse stecken und ihr Mund ist trocken. Die Konzentration ist dahin und an alles was sie noch denken kann, ist an ihre letzte Begegnung. An seine Hände, welche ihren ganzen Körper erkundet und wohl großen Gefallen an ihren hellen Schwingen gefunden haben. An seinen Mund, welcher gefühlt sogar mehr als seine Hände entdeckt hat und an sein Grinsen, welches so unschuldig wirkt, wenn doch eigentlich ein wahrhaftiger Dämon vor ihr steht.

»Keine Antwort? Schade, dann müssen wir das wohl auf nächstes Mal verschieben«

Ein letztes Mal Streifen seine Lippen ihre Haut und sie keucht auf. Seine schlanken Finger streichen ein letztes Mal durch ihr Gefieder und mit Mühe und Not kann sie sich ein stöhnen verkneifen. Er bleibt noch hinter ihr stehen, genießt noch ihren Anblick für einen kurzen Moment und flüstert ihr noch ein Versprechen ins Ohr.

»Auf Wiedersehen, Tenshi«

Ihr Name schickt ihr noch eine Gänsehaut hinterher und dann hört man nur noch das Rascheln von Flügeln. Er ist gegangen. Und mit ihm auch das letzte bisschen Selbstbeherrschung, welches sie bei der nächsten Begegnung nicht mehr aufbringen kann.

Koushi Sugawara ist wahrlich ein Teufel, mit der Erscheinung eines Engels.

Wörter 1278

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