Kleine Anmerkung vorweg. Ich hab seit Dezember nichts mehr geschrieben, meine "Schreibkünste" sind dementsprechend eingerostet. Aber ich bin gerade in Quarantäne und dachte mir deswegen ich setz mich nochmal dran. Vielleicht denk ich mal darüber nach ne ganze Story zu Wagenberg zu schreiben, aber ich dachte ein Oneshot ist ganz gut um nochmal reinzukommen. Anyways enjoy :)
Schweigend starrte Linda aus dem Fenster. Sie war so in ihren eigenen Gedanken versunken , während die Bäume und Felder des Brandenburger Umlandes an ihr vorbeizogen, dass sie gar nicht bemerkte wie sich Sahras zarte Hand auf ihre legte und mit dem Daumen sanft über ihren Handrücken strich. Der Tränenschleier, der sich langsam über ihre Augen legte, ließ die Landschaft draußen immer mehr zu verschwimmen, bis sie sich komplett in einer Welt aus verschiedenen Grüntönen verlor.
Erst als Sahra leise "Linda?" flüsterte, schien sie aus ihrer Trance zu erwachen. Schell wischte sie sich die Tränen von den Wangen. Sie wollte nicht, dass irgendwer sie so sah. Die Politik hatte sie gelehrt, dass es einem nur schadet Schwäche zu zeigen. Sie hatte alles immer weggelächelt. Selbst als sie damals, innerlich vor Wut kochend, sich die Altherrenwitze von Christian hatte anhören müssen, war ihr stets ein charmantes Lächeln gelungen. Und auch danach als die Leute es nicht lassen konnten sie immer wieder an diese Situation zu erinnern. Auch jetzt versuchte sie sich an einem Lächeln, das aber nicht mal ansatzweise ihre Augen erreichte. Sie wandte ihre Blick endlich Sahra zu und murmelte "Entschuldigung. Ich war nur in Gedanken.". Sahra schien ihr kein Wort zu glauben. Sie lehnte sich zu Linda und flüsterte ihr ins Ohr "Hey du musst mir nichts vormachen. Ich weiß genau, dass es dir nicht gut geht".
Linda wusste eigentlich, dass sie Sahra ihr volles Vertrauen schenken konnte und trotzdem war da etwas was sie zurückhielt. "Nein, es ist wirklich alles in Ordnung" sagte sie und drückte Sahra einen flüchtigen Kuss auf die Lippen und versuchte erneut zu lächeln, in der Hoffnung dieses mal glaubwürdiger auszusehen. Die Rest der Fahrt verbrachten sie in Stille, wobei Sahra trotzdem immer wieder beruhigend über Lindas Hand strich, wofür sie insgeheim mehr als dankbar war. Als sie nun endlich aus dem Zug stiegen, schlug ihnen sofort ein warmer Sommerwind entgegen und löste ein paar Strähnen aus Sahras sonst so strenger Frisur. Sie sah wunderschön aus wie sie die Augen schloss und die restliche Abendsonne auf ihr Gesicht scheinen lies.
Doch Lindas Miene verdüsterte sich sofort wieder, als sie einen Mann in dunkler Lederjacke am Bahnsteig stehen sah. Sie hatte in Jahre nicht gesehen. Hatte Jahre versucht jeglichen Kontakt zu ihm zu vermeiden. Er war der Grund dafür, dass sie zum ersten Mal nach 10 Jahren wieder in ihrem Heimatort stand. Er war der Grund dafür, dass sie ihrer Mutter nicht Lebewohl hatte sagen können.
Allein bei dem Gedanken stiegen Linda wieder die Tränen in die Augen, doch sie versuchte sie so gut es ging herunter zu schlucken. Diesen Gefallen würde sie ihm nicht tun. Sie griff bestimmt nach Sahras Hand und zog sie mit sich in Dominiks Richtung. Sie blieb kurz vor ihm stehen und fragte sich was denn wohl die angemessene Begrüßung für den eigenen Bruder war, den man aus guten Gründen 10 Jahre nicht gesehen hatte. Sie entschied sich zu einem knappen "hallo" und wartete auf seine Reaktion. Er schaute kurz einmal abfällig auf Lindas Hand, die immer noch mit Sahras verschränkt war und entgegnete ebenfalls ein schnelles "Ja hallo".
Sie hatten besprochen, dass Linda und Sahra in ihrem Elternhaus schlafen würden. Die Hotels in Königs-Wusterhausen ließen zu wünschen übrig und Linda wollte ihren Vater, den sie ebenfalls seit dem letzten gemeinsamen Besuch ihrer Eltern in Potsdam vor 3 Jahren nicht gesehen hatte, nicht alleine lassen. Dominik ließ sie beide raus und verabschiedete sich schnell.
Nun stand sie wieder hier nach 10 Jahren. Sie hatte diesen Ort absichtlich gemieden. Es war ihr Heimatort. Sie hatte es hier als Kind und Jugendliche geliebt. Sie hatte ihre gesamte Kindheit hier verbracht und hatte sich nie vorstellen können irgendwann mal wegzugehen. So viele schöne Erinnerungen steckten in diesem Ort. Wie sie getanzt hatte, mit dem hübschesten Mädchen der Schule geflirtet hatte oder wie sie auf der Klassenfahrt Flaschendrehen gespielt hatten und Linda und ihre Freundinnen auf dem Boden lagen vor lachen. All diese Erinnerungen erfüllten sie mit Wehmut. Sie waren wie warme Sonnenstrahlen, die ihr Herz von innen erwärmten. Doch all diese kleinen Sonnenstahlen waren von großen Wolken überdeckt worden. Wolken die aufgezogen waren, als sie 17 gewesen waren und Linda im dunklen zurückgelassen hatten.