~ James / Kapitel 02

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Ich lenke den Wagen auf das Gelände vor mir. Das Anwesen könnte im Moment nicht gespenstischer aussehen. Der Himmel ist dunkel, Blitze und Donner liefern sich einen unerbittlichen Kampf.

Als ich aussteige, öffnet sich die Haustür und Alan's Vater steht mit ernster, trauriger Miene dort. Seine Augen strafen mich, als sei ich der Mörder seines Sohnes.

Mr. Wellington sagt nichts als ich vor ihm stehen bleibe. Lediglich die einladende Geste in Richtung des inneren steht zwischen uns. Ich folge ihm in sein Büro, setze mich auf einen Stuhl und beobachte ihn, wie er sich seelenruhig einen Scotch einschenkt.

"Wie viele?" fragt er, ohne mich dabei anzusehen. Mir wird unwohl.

"Ich weiß nicht genau wieviele es waren, Mr. Wellington. Aber defintiv zu viele auf einmal." antworte ich pflichtbewusst.

Dann sieht er mich an. In seinen Augen erkenne ich die Trauer über seinen Verlust, aber da ist auch etwas anderes und ich weiß es. Er will Rache.

"Wie viele Männer du brauchst, wollte ich wissen. Was genau an Ausrüstung, Waffen und so weiter."

Schockiert starre ich den alten Mann vor mir an. Er will mir helfen?

Ich beginne zu überlegen, rattere im Kopf die Mannstärke durch und den dazugehörigen Mist, der dafür benötigt wird.
Mr. Wellington tätigt indes ein paar Anrufe, beauftragt seine besten Leute mit der Informationsbeschaffung.

"Meine Leute sind dran herauszufinden wer dahinter steckt. Ich erwarte Ergebnisse in weniger als 10 Stunden. Nun, folge mir." murmelt Er und verlässt sein Büro. Verwirrt folge ich ihm hinaus zu seinem Wagen.

"Was...?" will ich fragen, doch dann verstehe ich. Er will den Leichnam seines Sohnes bergen. Die Plastikplahne auf dem Rücksitz bestätigt meine Vermutung.

Wie gerne würde ich ihn fragen ob er besorgt ist über die Entführung von Alan's Frau und Kind. Doch in unseren Kreisen ist es unüblich, also verkneife ich es mir.

Meine Gedanken Rasen zu Ava und Milly. Wie zerbrechlich Ava wirkte als man ihr mit Milly drohte, wie verzweifelt sie schrie. Ich habe sie noch nie so ängstlich gesehen und kann nur hoffen das sie unbeschadet ist. Das sie alle unbeschadet sind.

Sobald das Team von Mr. Wellington Infos liefert werde ich meinen Plan ausarbeiten. Ich werde wissen wie viele Männer ich im Rücken zur Verstärkung benötige. Doch jetzt, gerade in diesem Moment, kann ich nichts tun. Ich kann nur hoffen das es nicht zu spät ist, daß ich nicht zu spät komme.

Als wir die Auffahrt unseres Hauses erreichen, wird mir speiübel und ich bereue das wir nicht auf der Insel geblieben sind wie eigentlich angedacht. Dieses Haus, welches Alan und ich gemeinsam kauften, war mehr stöckig, sodass wir alle zusammen leben konnten, ohne uns zu arg auf der Pelle zu sitzen.
Mum und Ele sind auf der Insel geblieben und als ich zum ersten Mal seit des Überfalls an sie denke, könnte ich mich selbst ohrfeigen. Vielleicht sind sie nicht in unmittelbarer Gefahr, vielleicht leben sie unwissend und nichts ahnend ein glückliches Leben... Doch wenn Milly oder Eli etwas zu stoßen würde, würde meine Mutter mir nie verzeihen das ich sie nicht eingeweiht hatte.

Gemeinsam betreten wir das Haus, das jetzt kein Zuhause mehr ist. Kein fröhliches Kinder lachen ist zu hören, niemand ruft mich hinaus in den Garten um den Grill an zu werfen.
Alan's Vater stockt, als er seinen Sohn vorfindet. Ich schaue auf den Boden, weil ich den Anblick nicht ertrage. Leise verlasse ich rückwärts den trauernden alten Mann, damit er sich gebührend von seinem einzigen Kind verabschieden kann und suche im Haus nach dem Telefon. Alles ist verwüstet und es dauert einen Moment bis ich es finde.

Plötzlich ergreift mich die Panik, als würde ich die gesamte Tragweite der Situation jetzt erst registrieren und ich wähle schnell die Nummer meiner Mutter. Nach dem 3. Klingeln hebt sie ab.

"James, Schatz, es ist so schön das du anrufst. Wie geht es dir? Ist mit Ava und Nikki und den Kindern alles in Ordnung?" pfeift sie fröhlich in den Hörer. Meine Dämme brechen. Noch nie war ich so drauf wie gerade, versuche nicht mal mehr mein schluchzen zu unterdrücken und weine haltlos.

Wenig später, nachdem ich Mum und Ele über alles informiert habe und sie bitte vorsichtig zu sein, weinen auch die beiden. Wir empfinden den selben Schmerz, wenngleich ihn auch nicht jeder so intensiv fühlt wie ich.

Ele beruhigt sich, doch sie schnieft noch. "James. Du musst mir jetzt zuhören, ok? Du wirst sie finden. Und sie werden leben, verstanden? Es wird alles gut. Du musst jetzt stark sein. Für Ava. Für Milly. Für Nikki. Und auch für Eli. Ich bitte dich."

Ich liebe meine Schwester weil sie so viel stärker ist, als ich es gerade bin. Aber ich weiß das sie recht hat. Sie hat recht damit, daß ich nicht aufgeben darf. Das ich kämpfen muss.

Und das werde ich. Ich werde alles nieder reißen, keinen Stein mehr auf dem anderen lassen, bis ich meine Familie gefunden habe.

Dark Temptation - Im Schicksal vereint Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt