~ Ava / Kapitel 44

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"Ihr Mann hat eindeutig ein Trauma erlitten und sieht seinen Vater als Führungsfigur, die ihn durch die derzeitige Lage manövriert. Das ist nicht ungewöhnlich wenn man bedenkt was er durchgemacht hat.
Wichtig ist den Kreis nun zu brechen. Seine Halluzinationen nehmen stetig zu, sodass er, je mehr er mit vergangenem konfrontiert wird, immer unberechenbarer wird."

Ich lausche Lewis Worten und beobachte dabei James, der vollkommen ruhig auf seinem Bett sitzt. Solche Momente gibt es nicht oft.

"Was schlagen Sie vor?", frage ich schließlich.

Lewis nippt an seinem Kaffee, schlägt die Beine über Kreuz und schaut mich an. Es dauert eine Weile bis er mir eine Antwort geben kann.

"Sein Vater. Sein Vater ist der Schlüssel zu allem. Er hat den Großteil der Erziehung bei James übernommen, ihn geformt und gefördert. Ich weiß das er tot ist, aber es gibt doch sicherlich eine Grabstätte, oder?"

Gute Frage. Nachdem ich Devill Senior erschossen hatte, sind wir geflohen. Ich erinnere mich an Kelly's Haus, indem sie durch mich auch ihr Ende gefunden hatte.

Wenn es eine Grabstätte gibt, muss es doch irgendwo verzeichnet sein, oder?

"Das finden wir am besten schnell raus, auch wenn ich nicht weiß was sie überhaupt vorhaben.", gebe ich zurück und setze mich in Bewegung. Mein Ziel ist Wellington, der hier irgendwo sein muss.

Ich finde ihn schließlich als er gerade mit Alan spricht. Die beiden lauschen mir und Wellington zückt sein Handy um seine Leute direkt mit der Suche nach dem Grab zu beauftragen.

Erst jetzt schaue ich zu Lewis der schweigend die ganze Zeit neben mir her gelaufen ist.

"Was haben Sie eigentlich vor? Sie wissen das Devill tot ist und das nicht James sondern ich ihn erschossen habe. Ich verstehe nicht, wie das helfen soll.", murmele ich.

Lewis lächelt.

"Für Ihren Mann ist der eigene Vater so etwas wie eine heilige Figur. Er hat vollkommen verdrängt das er tot ist, weil er ihn als Halluzination, Erscheinung, immer wieder sieht und die mit ihm verbundenen Taten.
Er sieht seine Opfer, die Menschen die er gequält und getötet hat, die nicht mehr waren als Aufträge seines Vaters.
Ich glaube schlichtweg das James sich nie mit den Dingen die er getan hat auseinander gesetzt hat und aufgrund der Psychose die bei ihm schon derart fortgeschritten ist, hat sein Kopf ihm eine Figur gegeben, die ihn im Leben geführt hat. Auch wenn wir eine andere Definition von Sicherheit haben, so hat James seinen Vater doch auch als Beschützer gesehen. Immer wieder brechen Erinnerungen hoch, die sich aber mit dem was er aktuell erlebt, kaum decken. Das hat zur Folge das er einerseits so wütend ist in jedem seinen Vater zu sehen und ihn töten zu wollen, andererseits versucht er es ihm irgendwie recht zu machen obwohl dies unmöglich ist.
Meine Idee ist es an seinem Grab James die Möglichkeit zu geben Erinnerungen richtig zu ordnen und zu verstehen, um so den Weg frei zu machen ihn aus der Psychose zu befreien. Denn wenn ich ehrlich zu ihnen bin,... Die Medikamente allein werden nichts bringen. Sie unterdrücken Impulse sowie es bei psychischen Krankheiten alle Medikamente tun... Letztendlich lösen sie das Problem aber nicht."

Es ist als würde man Symptome bekämpfen anstatt die Krankheit selbst... Ich verstehe was er damit versucht.

Trotzdem bereitet es mir Sorgen, weil niemand den Ausgang dieser ganzen Sache bestimmen kann.

Ich komme zurück zu dem Raum der mittlerweile schon so etwas wie mein Zimmer geworden ist. Ich schlafe und esse hier, immer in der Nähe von James um bei ihm zu sein auch wenn er nicht weiß das ich da bin. Ich blicke auf den Bildschirm und meine Welt gerät aus den Fugen.

James liegt zusammen gekauert auf dem Bett und singt. Das ungewöhnliche an der Sache ist, daß er das nie getan hat, außer bei Milly. Immer wenn er sie zu Bett gebracht hat, hat er ihr etwas vorgesungen. Er weiß bis heute nicht das ich heimlich zu gehört habe. Er liegt da, summt und setzt zur nächsten Strophe an.

Wie hypnotisiert beobachte ich meinen Mann der gerade eine etwas schönere Halluzination zu haben scheint. Sieht er Milly? Oder singt er einfach so, um sich zu erinnern? Er muss unsere Tochter genauso schmerzlich vermissen wie ich.

Aber es ist ein Hoffnungsschimmer ;
Irgendwie tief in seinem Kopf ist noch der Mann, der er ist.

Er muss nur den richtigen Weg zurück ans Licht finden.

Dark Temptation - Im Schicksal vereint Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt