Lewis benimmt sich heute mehr als merkwürdig. Schon beim eintreten in mein Zimmer hat er gelächelt und das tut er auch jetzt, egal was ich ihm erzähle. Irgendwas ist im Busch...
"OK... Was ist los?", frage ich ihn etwas genervt.
Sein Lächeln wird breiter. "Nun, äh... Du hast große Fortschritte gemacht. Sehr große. Am Anfang hatte ich ehrlich gesagt wenig Hoffnung zu dir durch zu dringen, aber jetzt... Lass uns heute noch ein paar Übungen machen. Ich möchte dir Fotos zeigen - nichts schlimmes. Aber es soll helfen deine Reaktionen einzuordnen. Oder gegebenenfalls wenn du etwas zu den abgebildeten Motiven sagen möchtest,.... Fangen wir an? Danach hab ich eine kleine Überraschung für dich."
Er holt einen Stapel mit Bildern hervor, auf denen ganz oben Milly abgebildet ist. Mein Herz schmerzt unheimlich, aber ich versuche das ganze aus einer anderen Perspektive zu betrachten, die weniger negativ ist. Bald werde ich sie wieder in die Arme nehmen können.
Lewis beobachtet mich ganz genau, als er das Bild von ihr zur Seite legt und ein Bild von Kelly auftaucht.... Unweigerlich frage ich mich, woher er es hat.
"Du weißt noch wer das ist?", fragt er mich.
Einen Moment lang überlege ich was ich sagen soll. Natürlich kenne ich die Frau auf dem Foto. Bevor ich spreche wähle ich meine Art der Antwort mit bedacht und fange mit etwas positivem an.
"Sie hat mir mal das Leben gerettet, nachdem Vater auf mich geschossen hatte. Wäre sie nicht gewesen, wäre ich heute wohl tot."
Ich halte inne, versuche die richtigen Worte zu finden.
"Letztendlich hat sie uns verraten. Als wir auf der Flucht waren. Warum? Aus Eifersucht oder Angst selbst zur Zielscheibe zu werden... Sie ist tot. Sie ist tot weil sie das Leben von Ava und mir aufs Spiel gesetzt hat."
Lewis schaut aufs Foto. "Eifersucht? Was meinst du?"
Es ist mir furchtbar unangenehm und doch muss ich es sagen. Ich kann nur hoffen, daß Ava nicht irgendwie zuhört.
"Sie... Als ich wach wurde, eine Weile nach der OP... Kam sie eines Tages in mein Zimmer und wir... Naja, also... Ich hatte plötzlich ein Bild einer jungen Frau im Kopf die mir so bekannt vor kam und hab Kelly raus geworfen. Zu dem Zeitpunkt musste ich hart um Erinnerungen kämpfen.
Ihr wurde letztlich bewusst das sie keine Chance gegen Ava hat, als wir beide wieder zueinander gefunden hatten.""Deine Amnesie. Ja. Darüber habe ich in den Akten gelesen. OK, gehen wir zum nächsten Bild.", murmelt er und legt Kellys Foto zur Seite.
Das nächste Bild schmerzt mich. Wäre Ava nun hier, würde ich sie so fest umarmen wie ich nur kann. Es zeigt sie und Bob bei einer Feier. Das Foto habe ich noch nie gesehen. Bob lächelt seine 'Tochter' an, während Ava über beide Ohren strahlt und etwas, das ich nicht erkennen kann in die Kamera hält.
"Ava war gerade 18 geworden, als das Bild entstanden ist. Durch Mini Jobs hat sie sich ihren Führerschein hart erarbeitet und das wurde gebührend gefeiert. Ihr Vater muss mächtig stolz auf sie gewesen sein.", sagt Lewis und lächelt.
Das war er. Bob war ein guter Mensch, auch wenn ich ihn oftmals nur mürrisch erlebt habe. Schlussendlich wollte er nur das Beste für Ava und hat sie bis zum bitteren Ende beschützt. Sein Tod war eine Tragödie und hat Ava lange beschäftigt... Ich erzähle Lewis alles, was es über Bob zu wissen gibt und er hört aufmerksam zu.
Der Stapel der Bilder wird immer kleiner und die meisten Fotos, auf denen Familien Mitglieder meines Vaters zu sehen sind, habe ich entsprechend quittiert. Die meisten meiner Onkel und Tanten konnte ich schon früher nicht leiden und umgekehrt war es genauso, auch wenn sie es nie offensichtlich zugaben. Irgendwie hatten wir nie einen guten Draht zueinander und ich bedauere es nicht, selbst heute nicht.
Ein Foto von Ele und Mum stimmt mich traurig und ich schaffe es nicht rechtzeitig meine Emotionen im Zaun zu halten. Tränen brennen in meinen Augen, als ich Lewis ansehe.
"Ich dachte meine Mum...", meine Stimme bricht.
Auch diese Geschichte kennt Lewis bereits - wenn auch nicht von mir. Er hat sich gut vorbereitet und hört mir, obwohl ich ihm dasselbe noch einmal erzähle, aufmerksam zu. Auch als ich von Ele zu reden beginne, von deren Existenz ich nie gewusst habe. Trotzdem liebe ich meine Schwester, genauso wie meine Mum über alles auf der Welt.
Die letzten beiden Bilder sind dran.
Eines, worauf mein Vater zu sehen ist der stolz und erhaben vor seinem Portrait posiert, der aber einen giftigen Blick dem Fotografen entgegen wirft. Die Boshaftigkeit die von ihm ausgeht ist fast greifbar. Viel zu lange wurde mein Leben von diesem Mann bestimmt, der mich manipuliert und getäuscht hatte, nur um seine Ziele durchzusetzen. Eine Weile glaubte ich, daß wir die selben hatten. Für ihn war ich nicht sein Sohn, sondern ein guter Soldat, ein Mörder der für ihn tötete.
Ich empfinde überhaupt nichts, wenn ich mir das Bild an sehe. Keine Wut, keine Trauer, ja nicht einmal Mitleid. Er hat die Welt nur in schwarz und weiß gesehen, ohne zu wissen wie viele bunte und schöne Farben es zu bieten hat.Lewis nickt anerkennend über meine Reaktion. Er will nichts weiter darüber wissen, da er die Geschichten über meinen Vater allesamt kennt.
Das letzte Foto.
Alan & Nikki, Ava und ich. Wir sitzen gemütlich und entspannt am Strand. Glücklich strahlend blicken wir zur Kamera und die Erinnerung an diesen Tag holt mich ein ;
Mum hatte lange gebettelt bis ich bereit war für das Foto. Sie wusste das ich Bilder von mir verabscheute und doch tat ich ihr und Ava den Gefallen und stieß dazu. Ava legte einen Arm um mich und in diesem Moment hätte ich noch weitere Bilder zugelassen, so glücklich und wohl habe ich mich gefühlt. Sie hat mir schon immer ein ganz besonderes Gefühl gegeben, das ich sonst nirgends gefunden hatte - und auch nie irgendwo sonst gesucht hatte. Das Gefühl zuhause zu sein.
Alan und Nikki strahlten um die Wette und machten keinen Hehl aus ihren Gefühlen für einander. Ein wirklich hübsches Pärchen.
"Nun gut. Ich hatte etwas Sorge vor deiner Reaktion, zugegebenermaßen. Aber du hast das toll gemacht. Komm mit.", sagt Lewis und ordnet den Stapel, steckt ihn weg und steht auf. "Deine Überraschung wartet."
Irritiert folge ich ihm aus meinem Zimmer, ehe wir vor einer Tür stehen bleiben. Das Zimmer welches Wellington uns zur Verfügung gestellt hat...
Lewis öffnet die Tür und gibt den Blick frei auf eine gedimmte Atmosphäre. Überall stehen Kerzen herum die den Raum in ein sanftes Licht tauchen. Ich erkenne nicht viel, aber das ist auch nebensächlich... Als ich Ava entdecke die mit dem Rücken zu uns am Fenster steht.
Das weiße, bodenlange Kleid erinnert an ihr Hochzeitskleid. Ihr Haar trägt sie offen und hat es über ihre Schultern drapiert. Mit einer leichten Drehung des Oberkörpers schaut sie schließlich zu uns und lächelt.
Sie ist wunderschön.
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Dark Temptation - Im Schicksal vereint Teil 2
Misterio / SuspensoWir dachten, wir hätten alles schlechte hinter uns gelassen. Wir dachten wir wären frei. . . . Doch wir haben uns geirrt!