~ James / Kapitel 31

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Schuldbewusst habe ich den Kopf gesenkt, warte auf Neuigkeiten zu Nikki's und Alan's Zustand.
Auch wenn ich beide nicht gefoltert habe, zerreißt es mich förmlich das ich es nicht verhindert habe.

Ava geht wortlos auf und ab, wir beide sind die einzigen im Wartebereich des Krankenhauses. Wellington hat den Ärzten bereits klar gemacht nicht von der Seite seines Sohnes zu weichen und nach schier endloser Diskussionen haben sie endlich nachgegeben.

Es dauert eine gefühlte Ewigkeit bis Wellington seinen Kopf ins Zimmer steckt und uns ansieht.

"Alles in Ordnung hier?" fragt er und blickt in unsere ernsten Gesichter. "Er wird operiert. Geht nach Hause und ruht euch aus, ihr könnt hier im Moment sowieso nichts machen."

Widerwillig stehe ich auf und strecke mich. Im Augenwinkel bemerke ich, daß Ava mich beobachtet. Ich sollte froh darüber sein, daß der ganze Mist nun ein für allemal vorüber ist, andererseits wird uns das noch eine Weile verfolgen.

Ich laufe Richtung Ausgang und strecke Ava dann meine Hand hin, in der Hoffnung dass sie sie ergreift und mit mir kommt. Und das tut sie, ohne zu überlegen.
Das Taxi bringt uns direkt zu Wellington's Haus und sobald wir in unserem Zimmer angekommen sind, lasse ich mich aufs Bett fallen und schließe die Augen. Ich bin erledigt, komplett erschöpft. Nur am Rande bekomme ich mit, das Ava sich auszieht.

Ich drifte ab in einen unruhigen Schlaf, sehe Simon und Alan die miteinander kämpfen und kann nicht eingreifen als Alan verliert und getötet wird. Ich schreie, doch aus meinem Mund kommt kein Laut und ich versuche mich zu bewegen, aber meine Beine sind starr und gehorchen mir nicht. Viel zu spät erreiche ich endlich mein Ziel, Alan. Und ganz plötzlich löst sein Leichnam sich in Staub auf und die Szene beginnt von vorne, wird aber von mal zu mal brutaler.

"Um Himmels willen, James!" rüttelt Ava und schreit. "Wach auf, James, wach auf!"

Und schlagartig öffne ich die Augen. Simon und Alan sind verschwunden, einzig der Schmerz ist geblieben. Ich habe versagt und werde es wieder. Wen kann ich überhaupt beschützen?

Gestresst fahre ich mir mit der Hand durchs Gesicht und Ava lässt mir Zeit richtig wach zu werden, ehe sie etwas unternimmt.
Ihre Hände landen auf meinen Wangen.

"Es ist vorbei, Baby. Wir haben gewonnen.", flüstert sie und nähert sich mit ihren Lippen langsam, doch ich stehe ruckartig auf. Ich brauche jetzt einen Moment für mich.
Irritiert beobachtet sie mich wie ich mich ausziehe bis ich vollkommen nackt bin und dann unter die Dusche springe. Sie folgt mir nicht...
Erst als ich schwarze Sporthosen und ein schwarzes Shirt überziehe reagiert sie.

"Was hast du vor?"

Keine Reaktion... Bin gefangen zwischen der Realität und dem, was in meinem Kopf vor sich geht. Bin von mir selbst enttäuscht und je weiter ich darüber nachdenke desto wütender werde ich.

Ich ignoriere Ava damit ich nichts sage was ich später bereue. Ich will ihr nicht weh tun, denn sie kann für all das am allerwenigsten etwas. Es ist allein meine Schuld, schließlich ist... Oder war... Simon mein Bruder.

Schon bei Vater wusste ich das meine Familie vollends am Arsch ist, doch als er endlich weg war, schien sich alles zum besseren zu wenden... Und jetzt?

Ich knie mich, als ich schließlich meine Schuhe an habe, und binde sie fest. Mittlerweile ist Ava aus dem Bett gestiegen und ihr feiner Duft weht zu mir herüber.
Mit nur einem dünnen Nachthemd bedeckt sieht sie mich an und verschränkt die Arme.
Offenbar sucht sie nach den richtigen Worten, doch die gibt es nicht.

Als ich fertig bin öffne ich die Tür ohne sie zu beachten und renne hinaus. Raus aus dem Haus, direkt auf den Wald zu der sich hinter dem Anwesen erstreckt. Ich renne bis meine Lunge brennt und ich gierig den Sauerstoff einatme. Je weiter ich laufe, desto kleiner wird das Haus von Wellington und desto sicherer bin ich, allein zu sein.

Ein lauter Schmerzensschrei dringt aus meiner Kehle und meine Faust landet am nächsten Baum. Viel zu lange habe ich viel zu viel herunter geschluckt und mir nie richtig die Zeit genommen, etwas von dem was passiert ist zu verarbeiten. Ich hab einfach immer irgendwie weiter gemacht.

Jetzt breche ich zusammen.

Meine Hand ist bereits blutig, doch ich schlage weiter auf den Baum ein. Blind vor Wut höre ich erst auf, als etwas meine Faust daran hindert, ihr Ziel zu erreichen.

Es ist Ava.

Ihre Lippen zu einer schmalen Linie verzogen hält sie meine Faust mit ihren beiden Händen fest und sieht mich an. Ihre Augen sind bereits mit Tränen gefüllt und diese Ohnmacht die ich gerade empfinde reißt mich tiefer und tiefer bis ich schließlich zusammen gekauert auf den Knien ankomme und meine Verzweiflung das Tränen Ventil öffnet.
Ava ist die ganze Zeit bei mir, sie sagt kein Wort. Ruhig streichelt sie mir immer wieder über den Rücken, schenkt mir Trost und hält mich, während ich schluchze und weine.

Nie habe ich gewollt, daß sie mich so sieht, daß sie mich schwach und hilflos erlebt und doch bleibt sie an meiner Seite, ist mein Anker. Sie ist so viel stärker als ich es je war und bietet mir den Schutz, den ich ihr und all denen die ich liebe, in meinem Herzen trage, bieten wollte.

Sekunden werden zu Minuten und Minuten zu Stunden während wir schweigend beieinander sind und langsam öffne ich die Arme, will sie spüren, will, daß sie alles weg wischt was mich starr und ohnmächtig erscheinen lässt.

Ich habe sie nicht verdient und doch ist sie hier. Meine Ava. Meine Frau. Die Mutter meines Kindes. Mein Leben.

Dark Temptation - Im Schicksal vereint Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt