Kapitel 27

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Als ich ohne große Hoffnung meinen Blick über den Parkplatz schweifen lasse, fällt er auf den hohlen Baum. Oh, stimmt ja, in dem steckt immer noch der "Schatz" von meinem letzten Raubzug. Eine Bewegung darunter erweckt meine Aufmerksamkeit und ich erstarre, als mir klar wird, was ich da sehe. Gunnar. Gerade erhebt er sich und greift nach dem Picknickkorb. "Gunnar", hauche ich, doch stehe noch zu weit weg. Mit hängenden Schultern dreht er sich weg und will gehen. Endlich löst sich meine Anspannung und ich fange an zu rennen. "Gunnar!"

Mein Schrei schallt über den Parkplatz und bringt Vögel dazu, aufzufliegen und Mäuse, in ihren Löchern zu verschwinden. Andere Leute drehen sich nach mir um doch meine Augen sind nur auf Gunnars Rücken geheftet, beobachten, wie er stehen bleibt, sich langsam umschaut. Ich bremse ab, bleibe ein paar Schritte vor ihm wieder stehen und suche nach einer Reaktion in seinem Gesicht. Etwas, das mir zeigt, ob ich zu spät bin, also entgültig, doch da sind weder Ablehnung noch Ärger, nur erstaunt größer werdende Augen.

"Du bist gekommen", stammelt er gleichzeitig zu meinem gemurmelten: "Du bist noch da." Dann lässt er den Korb mit einem "Fumb" fallen und öffnet seine Arme in die ich renne, bevor ich meine eigenen fest um seine Mitte schlinge und er mich damit einwickelt.

"Es tut mir Leid, ich wollte pünktlich sein, aber der Termin hat ewig gedauert und dann ist mir der blöde Bus vor der Nase weggefahren und ich konnte dich nicht erreichen ..." brabbele ich und er lässt mich reden, ich spüre sein leises Lachen an seiner Brust, an die ich meinen Kopf gelegt habe. Neugierig nehme ich den Kopf hoch und schaue zu ihm auf. Seine Augen funkeln belustigt. "Komm", sagt er dann, "es ist immer noch genug Zeit für unser Date." Ich löse mich von ihm und greife nach seiner freien Hand nachdem er den Picknickkorb wieder aufgenommen hat und gemeinsam gehen wir in die Berge.

Auf dem Weg erzähle ich ihm, was ich die letzten drei Tage gemacht habe und er hört mir geduldig zu. Ich sage ihm nichts von meinen Vorkenntnissen. Ich habe beschlossen, dass es keine Rolle spielt. Es ist Vergangenheit und soll da bleiben. Ich will einen Neustart und da es nichts gibt, was mich in der Zukunft wieder einholen könnte, keine Verhaftung, keine Anklage, kein Kunde der plötzlich auftauchen könnte, will ich niemandem in meiner neuen Welt von mir erzählen, auch nicht Gunnar.

Als wir an dem idyllischen Plätzchen am See ankommen nimmt Gunnar als erstes die Decke, die oben auf dem Korb lag, und breitet sie aus. Dann setzen wir uns darauf, doch bevor er weiter auspacken kann stürze ich mich regelrecht auf ihn. Meine Lippen crashen gegen seine und ich gebe ihm den wilden Kuss, den er verdient. Als meine Zunge sich zwischen seine Lippen drängt keucht er auf und ich muss schmunzeln. Dann wandelt sich der Kuss, wird sanfter, zärtlicher, intimer, unsere Zungen streicheln einander und immer wieder ziehen sie sich zurück um nur die sanften Berührungen unserer Lippen Raum zu geben bevor sie wieder nacheinander greifen. Ich weiß nicht wie viel Zeit vergeht, aber schließlich lassen wir ganz voneinander ab und Gunnar lässt sich nach hinten auf seinen Rücken fallen und zieht mich dabei mit. Halb auf ihm draufliegend lehne ich meinen Kopf an seiner Brust an und seine Finger streichen mir sanft über den Rücken und kraulen mir zärtlich durch mein Haar.

Ein tiefer Seufzer entkommt mir und ein Gefühl, von dem ich einmal gelesen habe ohne es zu verstehen, lässt sich in meinem Herz nieder. Das Gefühl, angekommen zu sein. Mit leiser Stimme erzählt mir Gunnar, wie froh er ist, dass ich gekommen bin und ich schwöre feierlich, dass ich bleiben werde.

"Unglaublich, dass wir uns die letzten drei Tage nicht über den Weg gelaufen sind, denn immerhin wohne ich im selben Trakt wie du." Ich hebe den Kopf an und stütze mich seitlich mit angewinkelten Arm vom Boden ab, um ihn ansehen zu können. "Was ist mit deinem Haus?"

Während er mir von den Fortschritten erzählt und davon, wie anstrengend Renovierungsarbeiten sind setzen wir uns ganz auf und machen uns über den Picknickkorb her. Er erzählt mir, dass die Kinder im After School nach mir gefragt haben und ich verspreche ihm, mich dort bald wieder sehen zu lassen. Ich summe zufrieden, als ich den frischen Obstsalat genieße und die weicheren Früchte zwischen Gaumen und Zunge zerdrücke und Gunnar bekommt einen regelrecht verträumten Blick, während er mir zusieht.

"Wenn du dich wirklich mit mir einlässt kommt aber eine Menge Arbeit auf dich zu", erkläre ich später, als wir alle Reste zurück in den Korb gepackt und es uns wieder liegend auf der Decke bequem gemacht haben. Dass er auch viel Geduld brauchen wird sage ich ihm nicht, denn ich glaube, das ist kein Problem bei ihm. "Was denn für Arbeit?", fragt er neugierig und ich stülpe meine Lippen etwas vor während ich darüber nachdenke. In der nächsten Sekunde werde ich regelrecht durchgeschüttelt, als er sich unter mir bewegt um mit dem Kopf und den Schultern hoch genug zu kommen damit er seine Lippen auf meine legen kann. Beim Ablegen ist es nicht viel anders und ich muss kichern.

"Ich werde Hilfe brauchen bei diesem .... Niederlassen." Grinse ich und er nickt. "Soweit ich es verstanden habe, bist du schon ganz alleine ziemlich weit darin gekommen. Du hast dich hier angemeldet ...",

"... weil Heya meinte das muss ich unbedingt machen, wenn sie mich anstellen wollen."

"... du hast einen Job gefunden und ein Konto eröffnet ..."

"... ja, weil Dustin erklärt hat, dass sie Gehälter nur ungern bar auszahlen, als wir bei ihm im Büro waren damit er meine Daten aufnehmen und meinen Ausweis kopieren kann."

Gunnar lacht leise, fährt aber unbeirrt fort.

"Du hast dir einen Schlafplatz organisiert!" Jetzt muss ich lachen. "Das hat mich selbst überrascht. Ich hatte nicht vor von meiner Obdachlosigkeit zu erzählen, aber irgendwie hat Phedoka das aus mir herausgekitzelt. Die beiden sind echt schräg. Klasse, aber trotzdem schräg." Gunnar stimmt in mein Lachen mit ein. Doch dann wird er wieder ernst.

"Du hast sogar einen ersten Schritt in Richtung Zukunft gemacht, alles ganz ohne meine Hilfe. Also, wie ich das sehe bist du auch ganz gut allein zurecht gekommen."

Ich weiß, er meint es als Lob doch ich seufze tief auf. "Und genau da fängt deine Arbeit an. Du musst mir zeigen wie es geht, etwas zu zweit zu machen. Du musst mir immer wieder sagen, wenn ich dich übergehe oder vergesse. Du musst mich in dieser Sache führen."

Plötzlich packt er mich, rollt mich auf den Rücken und sich über mich. Sorgsam stützt er sich rechrs und links von mir ab um mich nicht zu erdrücken. Seine Blicke bohren sich tief in mich. "Und du musst mich bremsen, wenn ich dich überfordere oder zu schnell zu viel auf einmal erwarte", warnt er mich und ich lache. "Oh Gunnar, ich bin ein Duracell-Häschen, immer voller Energie und alles Neue und Unbekannte zieht mich magisch an. Ich bezweifle dass du mich mit irgendetwas überfordern kannst."

Zum Beweis lege ich ihm meine Arme um den Nacken und ziehe mich zu ihm hoch um ihn erneut zu küssen. Bevor sich jedoch all die Energie Bahn brechen kann, die sich gerade an einem Punkt in der Mitte meines Körpers sammelt, löst sich Gunnar von mir. "Es wird langsam dunkel und wir sollten uns auf den Heimweg machen." Ich springe auf, helfe ihm die Decke auszuschütteln und zusammen zu legen und greife dann nach seiner Hand. Scheiße, so glücklich wie jetzt war ich noch nie

Resort de la Pheya 10 - JJWo Geschichten leben. Entdecke jetzt