Kapitel 8

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♠Gunnar♠

Gott, bis jetzt war der Tag wirklich anstrengend. Natürlich haben heute viele ausgecheckt, wie fast jeden Tag eben, aber dafür checken dann gleich wieder fast doppelt so viele ein. Doch da ich heute kürzer gearbeitet habe, nahm ich nur die Bestellungen entgegen, schnappte dann meine Sachen und machte mich auf den Weg ins After School, wo ich ihnen heute einen kleinen Einblick in meinen Beruf geben werde.

"Gunnar, du hast einen Kuchen mitgebracht?"

Fiona, die Nachhilfelehrerin und Hausaufgabenbetreuung im After School sieht mir über die Schulter als ich ihn auspacke.

"Ja, nachdem meine Vorräte für den Ausflug plötzlich verschwunden waren und ich keine Sandwiches mitbringen konnte, dachte ich, als entschädigung gibt es heute Kuchen."

"Das ist lieb", raunt sie mir zu und haucht einen Kuss auf meine Wange. Sie ist die Älteste hier und eine meiner Liebsten. Sie ist herzlich zu jedem, hat immer ein offenes Ohr wenn die Kinder jemanden zum Reden brauchen und sie schreit nie eines an, egal wie faul oder schlecht das Kind beim Unterricht ist. Sie hat eine Engelsgeduld und sie liebt jedes einzelne Kind.

Wir alle hier, sind wie eine riesige Familie und Fiona übernimmt irgendwie die Rolle der Mum. Bei der Rolle des Dads sind wir uns da nicht so einig, denn da teilen sich die Meinungen. Einige Kinder hängen sehr an dem Ex - Polizisten Hank, andere wiederum lieben Ex - Armysoldat Mike. Beide brummelig und streng, aber auch die haben das Herz am rechten Fleck. Doch wenn Enrico kommt, dann ist die Hölle los, dann siehst du wie alle Kids sich an einen Platz drängen, nämlich um Enrico herum. Und dann wird es laut.

Auch wenn ich noch keinen derartigen Stand habe, kann ich mich nicht beschweren. Ich bin noch nicht so lange da und trotzdem habe ich mir schon viele Freunde gemacht. Also kann ich ja nicht so schlecht sein.

"Was machst du da Gun?"

Die zehnjährige Harmony drückt sich zwischen mich und den Tisch um zu sehen was ich da tue.

"Wow. Der sieht ja lecker aus. Hast du den gemacht?"

Mit leuchtenden Augen sieht sie zu mir hoch und nickend lächle ich sie an.

"Hilft du mir den Tisch zu decken?"

Heftig nickt sie, dreht sich um und rennt zum Schrank um Teller rauszuholen.

"Halt. Was machen wir zuerst Harmony?", halte ich sie auf. Sie dreht sich um und sieht mich mit gespitzten Lippen nachdenklich an.

"Du musst erst die Tischdecke drauflegen, so wie bei Onkel Gun im Restaurant", erinnert Tucker sie daran.

"Ja, genau, danke."

Glücklich über die Hilfe, geht sie zum nächsten Schrank und holt die Tischdecken raus. Da unser Tisch aus drei zusammengestellten Tischen besteht, gibt es leider keine Tischdecke am Stück, so muss sie nun drei einzelne darauf legen. Doch von oben kommen schon gröhlend die Kids aus Mikes Verteidigungskurs nach unten gesprungen und packen mit an.

Kurz sehe ich lächelnd zu. Wie eine Hand die andere reicht und plötzlich alles kreuz und quer verteilt auf dem Tisch steht.

"Während einer von euch die Sahne schlägt dürfen die anderen jetzt von mir lernen wie man den Tisch richtig deckt. Wer will sich um die Sahne kümmern?"

Von jeder seite höre ich ein "Ich Ich Ich" und sehe zig Hände in der Luft.

"Okay, wir zählen aus. Kann ja nicht jeder die Sahne schlagen."

Also beginne ich mit dem Ene mene muh Auszählspruch bis nur noch einer übrig bleibt. Der Kleinste. Elliot. Lächelnd strecke ich meine Hand aus, die er überglücklich nimmt und sich an die Arbeitsplatte führen läßt.

Ich nehme die Sahne und leere sie in die schon vorbereitete Schüssel und erkläre ihm genau was er machen muss. Grinsend nickt er heftig mit dem Kopf, was auch mich grinsen lässt. Ich lasse ihn mit der Schüssel Sahne alleine und wende mich den anderen Kids zu.

"So, also, erstmal streicht ihr die Tischdecke glatt. Die darf keine Falten haben", erkläre ich und sehe zu wie sie vergeblich versuchen aus den Tischdecken die Falten glatt zu streichen.

Als ich nicht mehr zusehen kann stoppe ich sie lachend.

"Tischdecken in einem Restaurant sind gestärkt, das heißt, sie erhalten dadurch eine gewisse Festigkeit, lassen sich leichter glätten und sie sind etwas schmutzabweisender. Anders als die Tischdecken die man zuhause hat, oder hier, wie ihr seht. Man müsste diese vorher Bügeln und auch dann wird sie nie ganz glatt auf dem Tisch liegen."

Ich zeige auf Teller und Besteck und fange an zu erklären wie sie stehen und liegen müssen, da höre ich von hinter mir einen hohen Schrei. Ich drehe mich um und sehe wie Elliot über und über mit Sahne beschmiert ist und sich das Kabel des Rührgeräts anfängt sich um die Rührer zu wickeln. Ich versuche durch die Menge zu springen doch jemand anders kommt rechtzeitig bei Elliot an, zieht den Stecker aus der Steckdose und Elliot in seine Arme.

Puh. Mein Gott. Mein Herz pumpt mir bis zum Hals und meine Hände zittern. Das hätte richtig schief gehen können. Wäre der Fremde nicht rechtzeitig gekommen....nein...ich will es mir gar nicht ausmalen was passiert wäre.

Ich gehe auf die Beiden zu und sehe zu wie der Fremde Elliot sie Sahne aus dem Gesicht wischt, doch nicht ohne zu lachen. Er scheint es witzig zu finden was da passiert ist, doch ich nicht. Ich ziehe ihm Elliot aus den Armen und sehe ihn von oben bis unten an.

"Ist dir was passiert?", frage ich ihn, doch er schüttelt mit dem Kopf. In seinen Augen steht das Wasser von nicht geweinten Tränen und seufzend drücke ich ihn an mich.

"Du darfst weinen Elli. Das hat dich sicher zu Tode erschreckt."

Kaum habe ich es ausgesprochen, beginnt er heftig zu schluchzen. Hier darf er weinen so viel wie er will. Zuhause schlägt ihn sein Vater dafür. Männer weinen nicht. Männer sind nicht schwach. Das ist seine Devise.

Während ich Elliot weinen lasse mustere ich den Fremden.

"Danke für deine schnelle Reaktion"; bedanke ich mich bei ihm und er winkt ab.

"Keine Ursache." Seine Blicke ruhen freundlich auf dem Jungen in meinem Arm und wandern erst zu meinem Gesicht, als ich weiter spreche.

"Bist du neu? Kann ich dir irgendwie helfen?"

Elliot drückt sich von mir weg und sieht mich traurig an.

"Jetzt habn wir keine Sahne."

"Doch Kleiner, ich habe noch welche im Kühlschrank. Wir putzen das hier erstmal weg und dann machen wir neue Sahne", erkläre ich ihm und sein verheultes Gesicht wandelt sich in ein grinsendes. Er löst sich von mir und rennt zur Spüle wo er einen Lappen nass macht.

Ich wende mich wieder dem Neuen zu und sehe ihn fragend an, denn eigentlich warte ich ja noch auf eine Antwort. Seine Augen sind dem Kind gefolgt und springen jetzt wieder zu mir. Er starrt mich jetzt genauso an, bis wir beide zu Lachen beginnen.

"Wie ist dein Name und wie kann ich dir helfen?", frage ich dann noch einmal und strecke ihm zur Begrüßung die Hand hin. Er ergreift sie ohne zu zögern und drückt sie fest aber nicht zu fest.

"Ich bin Jay Jackson und habe durch Zufall von diesem Ort hier erfahren. Ich wollte einfach mal vorbei schauen und sehen ob ich irgendwie helfen kann", erklärt er mit funkelnden Augen und ich nicke.

"Da musst du....ah ein Moment....Mike? Hier ist jemand der gerne freiwillig helfen möchte.", rufe ich Mike zu, der jetzt auch von der Fitnessebene nach unten kommt. Lächelnd geht er auf uns zu und streckt Jay die Hand entgegen.

"Hi, ich bin Mike Hogan, nett dich kennenzulernen. Dann komm mal mit ins Büro, da können wir alles besprechen." Jay verabschiedet sich mit einem "Danke" von mir und lässt Elliot ein verschwörerisches Zwinkern zukommen, der daraufhin kichert, der Schock scheinbar wieder vergessen.

Ich nicke Jay zu und konzentriere mich dann wieder auf die Kids, die bereits fleißig alle Sahne aufgewischt haben. Die größeren unter ihnen sind noch dabei mit dem Wischmop über den Boden putzen. Dann schnappe ich mir frische Sahne aus dem Kühlschrank und rühre sie kurz selbst, bevor ich mich wieder den Kindern und dem richtigen Tisch decken widme  

Resort de la Pheya 10 - JJWo Geschichten leben. Entdecke jetzt