#03

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Gerade als ich geradegedankenverloren das Schulgebäude betrat, sah ich von weitem den Stand der SMV. Eines der zwei Mädchen von heute Morgen kümmerte sich um die Kasse, während Fynn seinen Charme spielen lässt und die Schüler überredet, vielleicht doch eine Rose für jemanden zu kaufen. Sein Lächeln könnte aus einer Zahnpasta-Werbung stammen. Strahlendweiße gerade Zähne, die einen nur so blenden.

Unsere Blicke trafen sich wieder und ich wunderte mich, dass er mich bemerkt hatte. Ich war ungelogen am anderen Ende der Aula. Adleraugen hat dieser Junge. Wir beide grinsten uns an und fuhr meinen Weg fort, Richtung Spind. Jedes Mal, wenn wir uns in einem Raum sehen, halten wir Augenkontakt. Es ist so, als würde ich automatisch nach seinen Augen suchen. Als würde uns etwas verbinden.

An meinem Spind angekommen, öffnete die Tür schwungvoll und suchte nach einem Ersatzoberteil, leider vergebens. Enttäuscht sperrte ich meinen Spind wieder zu und wollte gerade nach meinem Rucksack greifen, da wurde mir eine Jacke vor die Nase gehalten.

Mein Blick wanderte von der Jacke nach oben und entdeckte Lucas. "Hier, nimm die Jacke."

"Ach, passt schon."

"Zieh sie an. Dein Oberteil ist noch total nass. Die Jacke kannst du mir irgendwann wiedergeben.". So schnell und unbemerkt er aufgetaucht ist, so verschwand er auch wieder. Ich stand verdutzt da und hatte seine Jacke in der Hand. Das alles musst ich erstmal verarbeiten. Es war ungewöhnlich. Ist er mir hinterhergelaufen? Hat ihn jemand zu mir geschickt oder kam das von ihm alleine?

Als er um die Ecke verschwand, schaute ich auf die Jacke, die ich in meinen Händen hielt. Das war gerade eben das zweite Mal, dass ich mit ihm geredet hatte. Wir haben heute mehr miteinander kommuniziert als in den letzten 5 Jahren. Kann mich jemand kneifen und sagen, dass ich das nicht träume?

Ich konnte das noch gar nicht realisieren. Wieso fiel es mir auf einmal so leicht mit ihm zu reden? Früher konnte ich nicht mal an den Gedanken verschwenden, ohne nervös zu werden. Ich hatte es mir eigentlich anders vorgestellt. Mehr so wie in einem typisch amerikanischen Teeniefilm, wo ich unabsichtlich in ihn reinlaufe, meine Bücher auf den Boden fallen, er mir dann hilft sie wieder aufzuheben und wir dabei zufällig nach demselben Buch greifen und unsere Hände berühren. So etwas hätte ich mich vorgestellt. Ein hoffnungsloser Romatiker halt. Die Betonung liegt auf hoffnungslos.

Dass, ich weit von der Realität bin, war mir durchaus bewusst. Erwarte das Unterwartete, sagte meine Oma immer. Gut, das heute habe ich mir nicht vorgestellt, aber man kann sich nicht alles wünschen. Das Leben ist kein Wunschkonzert.

Wenigstens habe ich jetzt was zum Wechseln bzw. überdecken meines nassen Tops. Das macht es schon mal weniger unangenehm. Gesagt getan und bevor ich zum nächsten Kurs ging, machte ich einen kurzen Stopp bei der Mädchentoilette.

Drinnen traf ich auf ein paar Mädchen aus meiner Jahrgangsstufe. Wir lächelten uns zur Begrüßung an und dann stellte ich mich neben eine von ihnen an das Waschbecken. Ich blickte in den Spiegel und dachte ich sehe nicht richtig. Scheiß die Wand an!

Ich habe wirklich die ganze Zeit schrecklich ausgeschaut. Wieso hab' ich mich nur so vor Lucas blicken lassen? Oh mein Gott, wie peinlich. Meine Haare waren wild durcheinander, ein paar Strähnen war nass vom Wasser und ich sah aus als hätte ich mit nassen Haaren geschlafen. Ich griff kurzerhand nach einem Haargummi und machte mir einen Zopf. Das sieht doch besser aus, nicht viel aber immerhin etwas.

Kurz vor dem Klassenzimmer zog ich den Reißverschluss komplett nach oben, dabei bemerkte ich einen angenehmen Duft in meiner Nase. Lucas Duft war eine Mischung aus Weichspüler und ein Spritzer eines Parfüms. Ich konnte nicht zuordnen welches. Es roch so gut, ich würde am liebsten mein Gesicht im Pulli vergraben.

Timing is a bitch Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt