XXIII

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Und da lag sie. Meine Emmy. Mein Engel. Beinahe hätte sie mich hier alleine gelassen, doch - was für ein Glück ich doch hatte - sie war geblieben. Es war noch nicht Zeit für ihr Ende.

Sie lag in einem Bett, was genau so weiß war wie der Rest dieses Gebäudes. Sie war blass. Und dünn. Viel zu dünn. Ihre Arme waren verbunden und ein Schlauch kam aus einem der Verbände hervor. Ihre Haare hingen schlaff hinunter. Was hatte diese Welt nur mit ihr gemacht? Was hatte sie getan um das zu verdienen? Warum? Sie war so ein toller Mensch.

Ich ging auf sie zu, setzte mich auf den Stuhl neben sie und hielt ihre Hand. Sie war eiskalt.

"Emmy", flüsterte ich und spürte warme Tränen auf meiner Haut. Ich sah wie sie die Augen aufschlug. Ihre grünen Augen, die einst so vor Freude geglänzt hatten, waren nun matt und grau. "Ich dachte schon du hättest mich hier gelassen, ohne dich"

Sie schüttelte den Kopf und lächelte.

"Anscheinend soll ich noch hier bleiben. Anscheinend ist das noch nicht das Ende" Ich nickte.

"Danke"Ich wusste nicht wem ich dankte. Gott? Dem Himmel? Den Ärzten? Wem auf immer, sie war noch da und das war das einzige was zählte. "Wie geht es dir?" Ich drückte ihre Hand und sah wie sich ein Lächeln auf ihren Lippen ausbreitete.

"Scheiße", sie lachte. Es war schön zu sehen, dass es ihr nicht allzu schlecht ging, den Umständen entsprechend.

"Ich hab mir echt Sorgen gemacht", gab ich zu.

"Ich wollte das nicht, echt nicht. Also nicht wirklich. Ich schwöre" Sie blickte zur Decke und ich sah Tränen in ihren Augen glitzern.

"Das einzige was zählt ist, dass du noch da bist. Das es dir gut geht. Das ist das wichtigste. Und es tut mir Leid, dass ich nicht vernünftig auf dich aufgepasst habe"

"Es ist doch nicht deine Schuld", hauchte sie und schloss die Augen. "Bleibst du bei mir?"

"Immer", flüsterte ich und sie schlief langsam ein. Ich drückte ihre Hand, lies sie nicht los und beobachtete sie. Sie war immer noch wunderschön. So schön. Wie ein Engel. Sie war ein Engel. Obwohl es ihr so schlecht ging, hatte sie nichts von ihrem Glanz verloren. Es war jedesmal von neuem Bewunderswert wie jemand so tolles, so schönes, so freundliches, wie Emmy, so kaputt gemacht wurde von dieser kaputten Welt. Denn das war diese Welt, kaputt. Nicht nur kaputt, zerstört, krank.

Die Zeit verging und ich blieb bei ihr sitzen, irgendwann erlaubte ich mir auch die Augen zu schließen und in einen unruhigen Schlaf zu fallen.

Nach viel zu kurzer Zeit klopfte es an der Tür und ich wurde aus dem Schlaf gerissen.

"Mr Styles", sagte eine Krankenschwester und deutete hinter sich. Dort standen Michael und Lin. Ich war jedes mal verwundert wie unähnlich sich die drei doch sahen. Lin war zwar Emmy's Zwilling, sah doch fast komplett anders aus. Sie hatten die gleichen Augen, ja, aber sonst sah man nicht viele Gemeinsamkeiten. Michael und Lin sahen eher aus wie Emmy's Mutter, wobei Emmy wahrscheinlich aussah wie ihr Vater. Ich hatte ihren echten Vater noch nie gesehen. Ich wusste nur, dass er früh gestorben war und das Emmy eine gute Beziehung zu ihm hatte.

Ich stand auf als die beiden kamen.

"Ich las euch dann mal alleine", meinte ich und drückte Emmy's Hand ein letztes Mal bevor ich den Raum verlies. Michael hielt mich zurück.

"Können wir uns kurz unterhalten?" Ich nickte.

"Es tut mir Leid, wirklich, es tut mir unendlich Leid", sagte ich sobald wir auf dem Flur standen.

"Ach, es ist doch nicht deine Schuld, und das weißt du auch. Du hättest nichts tun können" Ich sah auf den Boden. Ich hätte doch erkennen müssen, was mit Emmy los war, dass es ihr wieder so schlecht ging. Ich hab es ja sogar erkannt, ich konnte nur nichts tun. Ich hätte niemals gedacht, dass es so weit kommt. "Ich wollte dir nochmal danken"

"Danken?" Ich war verwirrt.

"Wer weiß wo sie ohne dich - und ohne deine Band - stehen würde. Du hast sie schon gerettet bevor du sie überhaupt kanntest. Und seitdem sie in London gewesen ist, dieses erste Mal, es ging ihr so viel besser. Das hättest du sehen müssen. Obwohl viel mehr Sachen auf sie eingewirkt haben, du hast sie stärker gemacht, ohne Witz. Ich wollte dir nur noch einmal dafür danken, ich glaube sie hat echt jemanden gutes erwischt mit dir"

"Danke, dass bedeutet mir viel", sagte ich. "Und Emmy auch"

"Ich weiß. Seitdem unser Vater nicht mehr da ist, hab ich versucht auf sie und Lin aufzupassen. Unsere Mum war - naja, wie soll man es sagen - , in dem Sinne, nutzlos. Es war schwer. Das kann ich dir sagen. Ich hätte es auch besser machen sollen, aber was in der Vergangenheit ist kann man nicht ändern, das ist nun mal so. Vielleicht hätte ich unsere Mum auch irgendwie zur Vernunft kriegen können. Hätte. So ist es nun mal. Aber - auf irgendeine kranke Art und Weise - bin ich froh, dass es so passiert ist wie es passiert ist. Wer weiß was sonst passiert wäre. Sie hätte dich wahrscheinlich nie kennengelernt. Wer weiß, mit wem sie sonst jetzt rumhängen würde. Also danke, dass du so für sie da bist, wenn wir es nicht können, weil bei unserer Mum kann sie ja wohl schlecht wohnen..."

"Danke, Michael", sagte ich, "Und jetzt geh rein, vielleicht ist sie ja wach, es würd ihr viel bedeuten, dass ihr hier seid" Ich bekam eine Umarmung und einen leichten Schlag auf den Rücken von Michael bevor er den Raum betrat. Ich wünschte, ich könnte bei Emmy bleiben, doch ich sah wie sehr die beiden sich um sie sorgten und es wärmte mir das Herz. Es war schön zu wissen, dass sich ein Teil ihrer Familie doch um sie kümmerte, das sie nicht komplett alleine da stand.

Ich ging zurück in den Warteraum, wo wir vorhin viel zu lange drin saßen. Meine Mum war noch da, doch Niall war verschwunden.

"Er musste wieder gehen, außerdem ist es mitten in der Nacht", flüsterte sie.

"Du hättest nicht hier bleiben müssen, ich hätte dir die Schlüssel-"

"Es ist okay, Schatz. Ich weiß wie sehr dich das mitnimmt, ich wollte dich nicht alleine lassen" Sie nahm mich in den Arm und ich vergrub mein Gesicht in ihrer Schulter. Ich könnte mir gar nicht vorstellen, keine gute Beziehung zu meiner Mum zu haben, das musste schrecklich sein. Seit ich denken konnte, wusste ich, dass ich mich immer an meine Mum wenden konnte. Wenn mal alles zu viel wurde, war sie immer da und holte mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Das bewunderte ich an ihr, sie wusste immer was sie zu sagen hatte, und wann ich einfach nur ihre Gesellschaft brauchte.

"Danke, Mum. Ich sag es viel zu selten, danke, für alles"

Where do broken hearts go || h.s.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt