Kapitel 1

210 8 1
                                    

Immer noch war mein Blick starr auf meine vom duschen noch leicht feuchten Haare gerichtet. Ich hatte es mir fest vorgenommen und trotzdem stand ich hier nun schon seit einer guten halben Stunde und konnte mich einfach nicht dazu durchringen die Schere in meiner Hand zuzudrücken. Noch einmal atmete ich tief ein, schloss meine Augen und drückte. *Schnipp* . Zögernd öffnete ich meine Augen wieder , doch anstatt in den Spiegel zu schauen ,betrachtete ich nur die langen schwarzen Haare die sich im Waschbecken kräuselten. Blind platzierte ich die Schere etwa auf der selben höhe, an einer anderen stelle meines Kopfes. *Schnipp*. Wieder beobachtete ich die schwarzen Linien die in meinem Sichtfeld landeten. Dieses Spiel ging solange bis ich ein paar Zentimeter unter meinem rechten Ohr ankam. Ich hob ängstlich meinen Blick und sah auf die windschiefe Konstruktion die sich mir im Spiegel bot. Meine sonst langen, glatten ,schwarzen Haare , waren nun relativ kurz und standen wild durcheinander. Mit zitternder Hand strich ich mir einige Strähnen aus dem Gesicht ,die allerdings sofort wieder zurück rutschten. Sie sagten an meiner alten Schule oft, das das einzige was mich nach außen zu einem Mädchen machte, meine langen Haare waren. Zu aggressiv wäre ich haben sie gesagt , ich würde mich wie ein Junge benehmen haben sie gesagt. Und nun kann ich der Frage ob ich wirklich ein besserer Junge wäre endlich nachgehen. Aus jobtechnischen gründen waren wir während der Osterferien nach Köln, in eine ziemlich große Wohnung gezogen. Woraufhin sich meine Eltern auch ,wie so oft, direkt für drei Monate auf Geschäftsreise verpissten und mich und meinen großen Bruder allein ließen. Nicht das ich das schlimm fand, es war nichts neues und es machte die Sache mit dem Experiment um einiges leichter , da Sascha nämlich nicht nur davon wusste ,nein er war sogar damit einverstanden gewesen ,dass ich mir ein paar von seinen Klamotten "lieh". Das einzige was jetzt noch fehlte war das Verbands zeug mit dem ich mein eh sehr großes, schlacksieges und vor allem sehr unweibliches aussehen perfektionierte. Naja wirklich viel gab es leider auch nicht zu verstecken. Zusammen mit einem weiten Pully und einer nicht weniger zu großen Hose ,konnte ich mich kaum selbst noch von einem jungen unterscheiden. Mit einem leichten lächeln schnappte ich mir meinen Rucksack , schlüpfte in meine Schuhe und machte mich mich ohne Frühstück auf dem weg zur Straßenbahn. Meinen Bruder würde ich nicht wecken auch wenn ich mir sicher war das er mich vor meinem ersten Schultag nochmal sehen wollte , aber ich wollte auch nicht das er später in der uni einschlief nur weil ich ihn so früh weckte. Wäre nicht das erste mal.

Projekt JulianWo Geschichten leben. Entdecke jetzt