Kapitel 3: Menschen, Tee und böse Blicke

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Als Aimeé am nächsten Tag aufwachte taten ihr mehr Knochen weh als ihr Körper eigentlich besaß. Die Nacht war eine sehr unruhige gewesen, ein verrückter Traum hatte den nächsten gejagt. Gerade wenn sie schweißgebadet aus einem dieser fiesen Alpträume erwacht war und dachte sie könne endlich in Ruhe schlafen, woben ihre Gedanken die nächste irre Welt zusammen. Mehr als ein schmerzerfülltes Stöhnen brachte sie nicht heraus, kurz nachdem sie ihre Augen geöffnet hatte. Anschließend lag sie dort für einige Minuten, sie wusste nicht, wie lange es war und eigentlich war es ihr auch egal aber als ihr Wecker ein zweites Mal klingelte schaffte sie es endlich sich aufzuraffen und das Bett zu verlassen.

Ermüdet trottete sie Richtung Küche, bevor sie hier irgendetwas machte, brauchte sie ein bisschen Koffein. Aimeé hasste zwar Kaffee aber hatte immer genug Schwarztee zuhause, Tee mochte sie sowieso lieber. Sie zog eine Flasche Eistee, richtig gekochten nicht diese fertigen aus dem Supermarkt, aus dem Kühlschrank, riss dabei noch beinahe ihr offenes Glas Joghurt mit heraus und nahm einen großen Schluck. Es brauchte einige Momente aber allein diesen ekelhaften Geschmack der Nacht aus ihrem Mund zu spülen, half aber sie etwas wachzurütteln.

Erst jetzt bemerkte sie, dass sie noch immer ihre Klamotten von gestern trug. Jeans, T-Shirt und sogar BH, kein Wunder das sie so schlecht geschlafen hatte. Mit einem erneuten seufzen, sie hatte das Gefühl sie seufzte in letzter Zeit zu viel, stapfte sie Richtung Badezimmer. Ihr Geist war etwas wacher, jetzt brauchte sie eine Dusche, um all den Stress von sich abzuwaschen. Noch auf dem Weg entledigte sie sich all ihrer Kleidung. Stück für Stück landete ihre Wäsche auf dem Boden und bildete eine kleine Spur von der Küche, über den Flur bis hin zum Badezimmer. Immerhin wohnte sie alleine, also konnte sie sowas ach später aufräumen, ihre Prioritäten lagen gerade einfach an ganz anderer Stelle.

Als Aimeé in die Dusche stieg und das heiße Wasser begann auf ihren Körper hinabzuprasseln fühlte es sich an als würde sich sämtliche Anspannung aus ihrem Körper lösen. Nachdem sie einige Minuten dieses Gefühl genossen hatte, schnappte sie sich ihr Duschgel und rieb sich von oben bis unten damit ein, anschließend folgte das Shampoo für ihre Haare. Als alles wieder abgewaschen war und sich vor der Dusche stand, um sich mit dem Handtuch trocken zu rubbeln, fühlte sie sich bereits ein Stück Lebendiger als noch vor 15 Minuten.

„Und jetzt noch fünf Stunden Schule... super..." Sie begann sich die Haare trocken zu föhnen, es kam ihr immer so vor als wäre der Föhn laut genug, um ihre Gedanken zu übertönen. Eigentlich ein schöner Gedanke, dass man sich zwingen konnte, mal nicht zu denken oder zumindest nur über die Lautstärke des eigenen Föhns. Schließlich fiel Aimeés Blick in den Spiegel über dem Waschbecken, ihre Mundwinkel wanderten augenblicklich nach unten. Seit dem Unfall hasste sie es ihr eigene Spiegelbild zu sehen. Es kam ihr vor als würde sie eine falsche Version ihres eigenen Ichs sehen, eine Version, die es irgendwo in einer anderen Welt gab, eine bessere Version, die sie ersetzen könnte, ohne, dass es Jemanden stören würde.

„Denk an was Positives! Denk an was Positives..." Sie wiederholte das Mantra das Dr. Riebmann ihr mitgegeben hatte, manchmal war es besser sich selbst etwas zu befehlen. Ihre Konzentration schob sich wieder mehr ihrem Äußerlichen zu, sie kämmte ihre Haare, putzte sich die Zähne und betrachtete die tiefen Ringe unter ihren Augen. Nicht das die neu waren, stören taten sie trotzdem. Sie musste wieder an Alex Beschreibung denken, eine Kombination aus Lara Croft und Hana Tsu Vachel mit einer Prise Nerd. Wozu die Augenringe gehörten, war wohl offensichtlich, der Pferdeschwanz war Lara Croft aber der Rest... Aimeé war sicher nicht sportlich genug, um mit den beiden Frauen in einer Kategorie genannt zu werden, sie wusste aber nur zu gut was Alex damals gemeint hatte. „Jaja..."

Der Klingelton ihres Handys riss sie aus den Gedanken. „Wenn man vom Teufel spricht." Sie grinste belustigt, mit Sicherheit war das von Alex. Ein Blick auf die Badezimmeruhr verriet ihr das sie noch genug Zeit hatte, die Schule so nahe an der eigenen Wohnung zu habe war wirklich ein Vorteil. Flink schlüpfte sie in ihre Unterwäsche und streifte sich ein T-Shirt über, bevor sie das Smartphone schnappte und auf den Bildschirm sah. Diesmal hatte sie sich geirrt, die Nachricht war von Tante Tomomi, sie erkundigte sie sich wie den Aimeés erster Schultag gewesen war. Aimeé war sich nicht sicher, ob sie sich darüber freuen, sollte das sich ihre Tante so um sie sorgte oder ob sie enttäuscht sein sollte das es doch nicht Alex war die ihr geschrieben hatte. Sie entschloss sich für Ersteres und antwortete knapp, aber bestimmt auf die Nachricht. ‚Lief super. Die Klasse scheint nett zu sein, unser Lehrer auch.'

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