Kapitel 12: Vertrauen

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Wie Tante Tomomi ihr geraten hatte, meldete Aimeé sich die restlichen zwei Tage der Woche krank und blieb Zuhause. Tatsächlich unterließ sie es komplett ihre Wohnung zu verlassen, obwohl die Situation sich immer weiter entspannte und keine weiteren Zeichen des mysteriösen Fotographen auftauchten. Und obwohl auch Dr. Riebmann ihr ebenfalls empfahl zur Polizei zu gehen und zumindest Meldung zu erstatten, sträubte sie sich vor dem Gedanken. Sie traute sich simpel gesagt nicht, all das kam ihr zu unreal und zu dumm vor um damit die Behörden zu belästigen. Ganz abgesehen von den wahrscheinlich aufkommenden Stadtgesprächen, immerhin war man hier mehr auf dem Land als in einer wirklichen Stadt.

Am Freitag, nach zwei Tagen voller Fertigessen und Leben am Rechner, klingelte es tatsächlich an ihrer Wohnungstür, glücklicherweise wusste sie das es sich dabei um Amber handelte, die ihr den aktuellen Schulstoff vorbeibrachte. Dennoch ging Aimeé kein Risiko ein und riskierte einen Blick durch den Türspion, es war wirklich die Queen Bee. „Hey." Warf sie dieser müde als Begrüßung an den Kopf als sie die Tür geöffnet hatte. „Du siehst beschissen aus..." „Danke... stimmt leider. Komm rein." Sofort als ihre Freundin eingetreten war, warf sie die Tür ins Schloss.

Gerade als Amber durch den Flur in Richtung Wohnzimmer gehen wollte griff Aimeé sie an der Schulter. „Schuhe!" Amber verdrehte die Augen aber leistete Kommentarlos folge während sie selber bereits ins Wohnzimmer ging. „Du siehst nicht sonderlich krank aus." Sie schüttelte den Kopf und blickte ihre Freundin etwas ratlos an. „Ich wünschte dem wäre so aber... naja. Was bringst du mir Schönes mit?"

„Hauptsächlich die ganzen Notizen zu Mathe, Physik und Chemie. Der Rest ist total irrelevant, Englisch, Deutsch... bal bla..." Aimeé konnte sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen. „Nur weil du es kannst ist es nicht egal. Dann hau raus." Amber machte lediglich eine wegwerfende Handbewegung und legte ein einfaches Din-A Blatt Papier auf den Tisch vor sie. Darauf sah Aimeé verschiedenste Notizen, Anmerkungen und markierte Seiten aus den Lehrbüchern die man wohl durchgehen sollte. „Wow... hast dich richtig für mich verausgabt." Sie grinste noch breiter während ihr gegenüber beleidigt die Nase rümpfte und sich neben ihr auf der Couch neiderließ. „Du mich auch, normalerweise würde ich sowas gar nicht machen, also sei gefälligst dankbar." Es folgte eine einminütige Pause, voller unangenehmer Stille. „Willst du mir sagen was los ist?" Ambers Blick wurde wieder ernster.

„Es ist... verrückt." Amber überschlug ihre Beine in bester Diva-manier und lehnte sich zurück. Eingängig betrachtete sie Aimeé und wartete geduldig ab. „Ich habe Post bekommen, unbekannter Absender. Drei Fotos dir Jemand heimlich von mir und Alex aufgenommen hat..." Ihr gegenüber wirkte jetzt etwas verwirrt. „Warte... was? Und du mit Alex?" Schnell schüttelte sie den Kopf. „Meiner Alex, nicht dem Alex." Sie begann wild auf ihrem Smartphone herumzutippen und zeigte Amber schließlich ein Bild von ihrer Alex, ihrer geliebten Freundin. „Ah... das ist wirklich verwirrend und sie ist wirklich heiß. Aber zurück zum Thema, was ist mit den Fotos?" „Moment, sieht sie dir einfach selbst an, das macht es einfacher."

Eine Minute später kehrte Aimeé, nicht nur mit dem Umschlag sondern auch mit zwei Gläsern und einer Flasche Eistee, zurück. „Hier, sieh selbst." Sie klatschte den Umschlag förmlich auf den Tisch, stellte die Gläser daneben und füllte beide zur Hälfte mit ihrem Lieblingsgetränk. „Danke." Amber nahm erst ein Schluck und öffnete dann den Umschlag. Ihre Augen weiteten sich mehr und mehr. „Das ist fucking creepy... Warst du bei der Polizei?" Aimeé schüttelte stumm den Kopf und trank ebenfalls. „Gut, ich bezweifle das die irgendetwas gemacht hätten außer dich nicht ernstzunehmend." „Mein Psychologe meinte ich solle die Beweise dort abgeben aber ich bezweifele auch das es etwas bringt oder sie etwas machen können." Ihre Freundin schien etwas sagen oder eher fragen zu wollen, doch sie verkniff es sich wohl rechtzeitig. Anschließend leerte sie ihr Glas und blickte Aimeé erneut ernst an.

„Kommst du am Montag wieder?" „Ich denke schon, ich brauchte nach dem..." sie nickte leicht in die Richtung der Fotos. „...dem Vorfall eine kleine Pause." „Verstehe ich. Aber ohne dich wird es echt schnell langweilig und einige Leute gehen mir wirklich auf die Nerven." „Ich glaube das behaupten viele Leute auch über dich." Aimeé grinste breit und sichtlich belustigt. „Die Leute hier mögen scheinbar keine Queen Bees." Beinahe etwas beleidigt hob Amber eine Hand und mimte damit einen Mund. „Mimimi... Bin ich wirklich so schlimm?" „Manchmal, es hält sich in Grenzen. Ich glaube viele hassen mehr das Klischee das du verkörperst als dich selbst, die haben gar keinen Bock dich näher kennenzulernen und ihre Vorurteile zu überwinden." Amber wippte leicht den Kopf hin und her. „Sind wir ja auch ein bisschen." Aimeé nickte bestätigend. „Kann ich nicht abstreiten..."

„Hey... Amber?" Aimeé lehnte sich etwas zurück und starrte die decke an. „Was gibt's?" „Ich würde dir erzählen was passiert ist... Zumindest grob." „Du musst nicht, wenn du nicht wirklich willst." „Ich will aber, ich denke ich kann dir vertrauen. Mehr zumindest als den Anderen hier. Aber hör auf zu sagen das meine Freundin heiß ist, das weiß sie schon." Sie konnte sich ein Grinsen kaum verkneifen und blickte wieder zu Amber, welche den Blick schmunzelnd erwiderte und nickte. „Stellst du sie mir bei Gelegenheit vor?" „Wenn es eine solche Gelegenheit gibt, sicher." Aimeé atmete durch und füllte nochmals beide Gläser mit Eistee auf bevor sie begann zu erzählen.

Sie erzählte davon wie sie mit ihren Eltern einen Segelausflug unternommen hatte, einen der nicht anders begann als all die dutzend Anderen die sie in ihrem Leben mit der Familie unternommen hatte. Wie sie das übliche Schiff gechartert hatten, wie sie ein Sturm überraschte und das Schiff zum Kentern brachte und sie und ihre Eltern ins Meer gespült wurden. Die anschließenden, ihr ewig vorkommenden Stunden auf See, laut Rettungskräften waren es 11, und die anschließende Rettung durch die Küstenwache. Und zu guter Letzt ihre Eltern, deren Körper man bis heute nicht gefunden hatte und die Schuldgefühle die Aimeé verspürte als Einzige überlebt zu haben. Eigentlich hatte sie noch vorgehabt mehr über ihre Alex zu berichten, ihre Beziehung, das hin und her... aber bereits nach diesem Teil steckte ihr ein dermaßiger Kloß im Hals, dass sie es schaffte kaum zu sprechen oder zu schlucken.

Während der Geschichte, die circa eine Dreiviertelstunde andauerte, leerte Amber ganze drei Gläser voll Eistee. Auch reichte sie Aimeé zwischendrin einige Taschentücher um sich zu schnäuzen und sich einzelne Tränen aus den Augen zu wischen. „Ich... Ich weiß nicht so recht was ich dazu sagen soll." Es war etwas überraschend Amber so sprachlos zu sehen, sie schien zu ringen ob und was sie sagen sollte oder könnte. „Im Zweifel nichts. Es reicht das du mir zugehört hast..." „Ich würde dich jetzt umarmen aber ich habe das Gefühl dann fauchst du mich an." Ihr gegenüber begann erneut zu Lächeln, diesmal etwas aufheiternd. Aimeé ließ sich diesmal nicht ganz so leicht aufmuntern aber trotzdem rang sie sich ein müdes Lächeln ab. „Wahrscheinlich." Mehr brachte sie aktuell nicht heraus, lediglich ihr zweites Glas Eistee leerte sie in einem Zug.

„Ich denke ich werde dich erstmal allein lassen, wollen wir am Wochenende nochmal etwas zusammen unternehmen?" Sie nickte und überlegte kurz. „Morgen Mittag rum?" Amber nickte ebenfalls. „Ich komme dich abholen, dann überlegen wir uns was man in diesem Kaff anstellen können." Sie erhob sich um Amber noch zur Tür zu begleiten.

Diese war gerade damit beschäftigt ihre Schuhe wieder anzuziehen, dabei blickte sie sich etwas um. „Du solltest noch etwas aufräumen." „Ja Mama... Da ist die Tür." „Ich meine ja nur." Sie lächelte erneut, wenn Aimeé es nicht besser gewusst hätte, würde sie es als spöttisch oder arrogant interpretieren. „Dann bis morgen, lass mich nicht zu lange warten." Amber nickte ein letztes Mal und ging zur Tür. „Danke für dein Vertrauen Aimeé, ich weiß es zu schätzen." Aimeé erwiderte die Aussage mit einem, mittlerweile, etwas motivierterem Lächeln und sah zu wie Amber die Wohnung verließ.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 01, 2022 ⏰

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