Kapitel 8: Abendspaziergang

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Aimeé empfand die spätsommerliche Abendluft als so herrlich, dass sie vor dem Verlassen ihrer Wohnung sämtliche Fenster aufriss, um ordentlich durchzulüften. Als die beiden schließlich losgingen, zeichnete sich bereits die eingehende Dämmerung am Horizont ab. Ohne wirkliches Ziel führte Aimeé ihre Freundin durch die Straßen der Kleinstadt, sie ging einfach dort entlang wo ihre Füße sie hinführten. Während des Spaziergangs begegneten sie hauptsächlich nur Jugendlichen, Schüler, die wohl ihr Wochenende mit einigen Partys einleiten wollten. Ein paar von Ihnen musterten Alex neugierig, Aimeé wurde dabei kaum beachtet.

„Gehen wir irgendwo hin oder laufen wir einfach einmal um den Block?" fragte Alex schließlich nach einer guten Viertelstunde. Sie zuckte mit den Schultern. „Ich hatte jetzt kein spezielles Ziel, es sei denn du willst irgendwo hin? Hier gibt's ein kleines Wäldchen in der Nähe, der Brunnen am Stadtplatz ist bei Dunkelheit recht schön und sonst... sonst kenne ich nicht mehr. Ich bin ja kaum rausgegangen." Ihre Freundin blieb stehen und überlegte einen Moment, während sie eine weitere Schar Jugendlicher musterte. „Dann zeig mir doch mal den Brunnen." Sie nickte stumm und ging weiter.

Aimeé genoss diesen Spaziergang, den Fakt das es keine Worte brauchte um sich in Alex' Nähe gut und geborgen zu fühlen und wie der Wind erfrischend durch ihr Gesicht wehte. Das alles fühlte sich ungezwungen an, beinahe als hätte sie ein Stück aus einer Zeit zu packen bekommen, die sie bereits verloren, geglaubt hatte. Hier und dort stoppte sie kurz und zeigte Alex das ein oder andere, wirklich viel gab es ja nicht zu sehen. Ein altes Rathaus, ein Rest der alten Stadtmauer und schließlich, der Brunnen auf dem Stadtplatz.

Das steinerne Kunstwerk bestand aus einem großen Becken, das zu circa dreiviertel mit Wasser gefüllt war und eine Säule, die in der Mitte des Beckens hervorragte. Besagte Säule war dabei großzügig verziert und etwas drei Meter hoch, auf der Spitze thronte die goldene Figur eines Vogels. Rund um den Brunne standen in regelmäßigen Abständen Laternen die gerade genug Licht spendeten, damit ihr Licht vom Wasser reflektiert wurde und verschiedenste Lichtspiele erzeugte. „Gar nicht mal so schlecht. Ich hab jetzt einen von diesen hässlichen Brunnen erwarten die aus abstrakten Statuen bestehen." Alex grinste und verschränkte die Arme vor der Brust. „Aber nein, schön simpel." Sie nickte bestätigend. „Deswegen gefällt er mir recht gut, nicht zu fancy, nicht zu künstlerisch wertvoll. Es ist einfach ein hübscher Brunnen."

„Hübscher Brunnen, hübscher Abend, hübsche Freundin." Aimeé rollte mit den Augen und schmunzelte leicht amüsiert. „Auf jeden Fall." Gab sie sarkastisch zurück. Für den Spaziergang hatte sie sich einen schnellen Pferdeschwanz gebunden, ein T-Shirt übergeworfen das bei genauem Hinsehen schon ein, zwei kleine Löcher hatte und eine Jeans angezogen die ungebügelt und daher voller Falten war. „Ich kann mir auch nichts schöneres vorstellen."

„Erstmal sich selbst herabstufen, so haben wir's gerne." Alex tippte ihr auf die Stirn. „Du weißt genau was ich meine, akzeptiere einfach das Kompliment." Es klang ein wenig streng in ihren Ohren, nicht dass diese Thematik etwas Neues zwischen ihr und ihrer Freundin war. „Jaja... schon gut." Aimeé lächelte und ging langsam um den Brunnen herum. Abgesehen von Alex und ihr selbst befand sich kaum Jemand auf dem Platz, lediglich einige einzelne Personen überquerten ihn. Soweit sie wusste, befanden sich die Treffpunkte der Schüler, sowie die Kneipe für die Erwachsenen an den jeweils anderen Enden der Stadt.

Sie stockte kurz, sie sah sich selbst weder als Schülerin noch als Erwachsene. Je mehr sie darüber nachdachte desto mehr fragte sie sich was den wohl zischen den beiden Dingen stand, ob es überhaupt etwas gab, was dazwischenstand. „Alles in Ordnung?" Alex legte ihr besorgt eine Hand auf die Schulter. Aimeé nickte lediglich als Antwort und starrte auf das Wasser im Brunnen. Eine der Reflektionen die aussah, wie eine Qualle hatte es ihr irgendwie angetan, es erinnerte sie ein wenig an die Aquarien in München. Hier, in so einer Kleinstadt gab es leider kein einziges Aquarium. Es gab ein kleines Museum, das sich mich Kriminalfällen der deutschen Geschichte beschäftigte, aber das war nichts das sie in ihrem aktuellen Zustand besichtigen wollte.

„Hey." Erneut hörte sie Alex' Stimme und blickte auf. „Sorry ich war etwas in Ge..." Weiter kam sie nicht. Alex hatte sich neben sie gestellt und ihr einen kurzen, aber dennoch liebevollen Kuss auf die Lippen gedrückt. Leicht erschrocken schob sie ihre Freundin ein stück von sich weg. „Was wenn uns Jemand sieht?!" Zischte sie leise und sah Alex missmutig an. Ihr gegenüber hob abwehrend die Hände. „Ach, hier ist kein Mensch und selbst wenn wäre es zu dunkel, um etwa zu erkennen." Dann lächelte Alex und sah ihr direkt in die Augen. „Ich würde meine Freundin auch gerne mal in der Öffentlichkeit küssen, wir leben im 21. Jahrhundert." Aimeé fand es klang ein wenig wie eine Ausrede.

„Ich weiß das du damit kein Problem hast, aber ich will selbst entscheiden, wann, wo und wie ich was von mir zeige." Mit einem Kopfnicken in die Richtung, aus der die beiden auf den Platz gekommen waren, deute sie Alex an das sie wieder gehen wollte. Diese nickte zustimmend und folgte ihr. „Das kann ich schon verstehen, aber was soll den großartig passieren?" „Ich hab letztens erst davon gelesen das ein homosexuelles Paar angegriffen wurde." „Mhm und wo? In Sachsen vielleicht." Kam es sarkastisch mit einem Grinsen zurück. „Weil Bayern ja so viel zivilisierter ist. Mhm, ist klar." Sie wusste das Alex es liebet sich über Klischees lustig zu haben, nicht dass sie es nicht auch gerne tat.

„Du mich auch, blöde Nudel." Mit einem frech-kindlichen Gesichtsausdruck streckte Aimeé ihrer Freundin die Zunge heraus. Auch den Rest des Weges blödelten und witzelten die beiden herum, machten sich über sich selbst und gefühlt alles andere lustig. Gerade als sie in die Straße einbogen, in der sich Aimeés Wohnung befand, überkam sie ein seltsames Gefühl. Ein Frösteln, als hätte man die Temperatur plötzlich um 10° heruntergefahren. Erschrocken drehte sie sich um und ließ ihren Blick durch die Dunkelheit streifen. „Ist was?" Alex wirkte überrascht und folgte ihrem Blick. „Ich hatte nur auf einmal so ein komisches Gefühl... Ist dir auch so kalt?"

Ihr Gegenüber schüttelte den Kopf und sah sie besorgt an. „Ist alles in Ordnung?" Es klang ernster und Alex musterte sie einmal von Kopf bis Fuß. „Ich... denke schon." Aimeé schüttelte sich einmal. Sie fühlte sie auf einmal so als läge der Blick eine Bestie auf ihr, die nur darauf wartete zuzuschlagen. Kurz durchsuchte sie ihre Gedanken, hatte sie in letzter Zeit etwas gespielt oder gesehen das diese Idee rechtfertigen könnte? Sie schüttelte den Kopf. „Lass uns weitergehen, wahrscheinlich ist es nur der Stress." Alex blickte sich ebenfalls um und legte, als sie Niemanden sah, einen Arm um Aimeé während sie zurück in die Wohnung gingen.

„Du hättest nicht alle Fenster aufreißen sollen. Jetzt find ich's auch kalt." „Ach was, jetzt ist die muffige Luft mal draußen." Aimeé legte ihre Schuhe ordentlich ab und machte sich daran wieder alle Fenster zu schließen. „In einer richtigen Stadt wäre deine Bude jetzt leergeräumt. Das nächste Mal solltest du sie lieber auf Kipp stellen." „Ach, dass passt schon. Ich hab ja nicht wirkliches von Wert." Alex ließ sich auf das Sofa fallen. „Was ist mit dem Familienschmuck? Oder dem Laptop, dem PCs... mir würden da so einige Dinge einfallen, die man sicher gut verhökern könnte."

Nachdem alle Fenster geschlossen waren, ging Aimeé kurz in das Badezimmer, um ihre Lieblingswolldecke zu holen. „Der Familienkram ist bei Tante Tomomi, sie bewahrt es vorerst auf. Ich pass das nächste Mal besser auf." Sie zog die decke aus dem trockner und ging zurück ins Wohnzimmer, wo sie Alex diese zuwarf. „Willst du was aus der Küche?" Alex mummelte sich in die Decke ein und gab ein überlegendes, „Mhmmmm..." von sich. Aimeé kramte im Süßigkeiten- und Snackschrank herum. „Was ist jetzt?" „Ne, mir reichen die Ringe und der Eistee." Ein paar Sekunden später kehrte sie mit einer Packung ihrer Lieblingskekse in das Wohnzimmer zurück und kuschelte sich ebenfalls unter die Decke. „Mach mal Platz." „Wenn du so freundlich fragst, gerne doch." Ohne weiteren Kommentar öffnete sie die Kekspackung und verschlang den ersten Keks.

„Noch eine Dokumentation?" Aimeés blickte etwas skeptisch drein. „Scheinbar nicht... Was dann?" Sie legte ihren Kopf auf Alex' Schulter und überlegte kurz. „Ich hab eine Idee." Sie begann zielsicher auf dem Trackpad des Laptops herumzuklicken. „Einer deiner...?" „Genau einer von denen." Alex stöhnte absichtlich theatralisch auf. „Nene, heute wird nicht gemeckert. Du guckst jetzt mit mir diesen Film!" Mit einem überlegenden Grinsen tippte sie ihrer Freundin auf die Nase, sie wusste das diese kaum bis gar nichts für Anime- oder Comicfilme übrig hatte. „Du hast Glück, das ich dich liebe." „Und du hast Pech, das ich das weiß und es ausnutze." Mit einem tröstendem, aber dennoch belustigtem Lächeln gab sie Alex einen Kuss auf die Wange, bevor sie den Film startete.

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