Die Notlüge

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Zaubereiminister attackiert wehrlosen Werwolf

Im Zaubereiministerium ereignete sich gestern ein skandalöser Zwischenfall. Bei einer friedlichen Demonstration von Werwölfen kam es zu Ausschreitungen, in dessen Verlauf ein Lykanthrop durch die Hand von Kingsley Shacklebolt (40) verletzt wurde. Die Demonstranten hatten sich im Atrium des Ministeriums am frühen Nachmittag versammelt. Grund dafür war die Festnahme des Lykanthropen Henry Canis (38). Der, so wird vermutet, nur aufgrund von Vorurteilen vor dem Zaubergamot angeklagt wurde. Das Urteil in diesem Verfahren steht noch aus.

Der sechsundvierzig Jährige Barnabas Furlington nahm ebenfalls an der Demonstration teil. Mutig und heldenhaft hatte er versucht die Eskalation einzudämmen. Der Zaubereiminister sah dies allerdings als direkte Provokation an. In einem Moment der Unaufmerksamkeit attackierte Shacklebolt heimtückisch den nichtsahnenden Mr. Furlington. Angesichts dieses Vorfalls stellt sich der Öffentlichkeit nun die Frage, ob Kingsley Shacklebolt für das Amt des Zaubereiministers überhaupt geeignet sei. Seine rassistische Einstellung gegenüber Lykanthropen ist sicherlich durch seine reinblütige Abstammung zu erklären. Fraglich ist auch die Rolle des ehemaligen Hogwartsprofessors und Kriegshelden Remus Lupin (42), ebenfalls Werwolf, der auf der Seite von Shacklebolt agierte. Zurecht wird vermutet, dass Lupin unter dem Einfluss des Imperius-Fluches stehen könnte, und...

>>Also das ist ja wohl eine bodenlose Frechheit! <<, fluchte ich innerlich und zerknüllte wütend die Zeitung. Wie konnte der Prophet nur so einen Schwachsinn drucken? Es war doch nun hinlänglich bekannt, dass Rita Kimmkorn keine vertrauenswürdige Quelle darstellte. Dieser Artikel wird Kingsleys Ruf und Ansehen ungemein schädigen. Ich musste mich dringend abregen, griff nach meiner Kaffeetasse und leerte sie in einem Zug. Durch den Schund in der Zeitung wollte ich mir nicht den Tag verderben lassen. Ich wünschte Ron wäre jetzt bei mir. Er verstand mich wie kein anderer, und sicher hätte er sich über den Artikel ebenso aufgeregt wie ich. Viel zu oft staute ich meine Gedanken an, fraß sie in mich hinein, anstatt mit jemandem darüber zu reden. Aufgewühlt ließ ich meinen Blick durch die Kantine schweifen.

Ich war überrascht Professor Snape an einem der unzähligen Tische zu entdecken. Für gewöhnlich zog er es vor um die Mittagszeit herum nach Hause zu flohen. Heute allerdings schien er auf jemanden zu warten. Vor ihm ausgebreitet lag der Tagesprophet. In der rechten Hand hielt einen Kaffeebecher, während er mit der Linken ungeduldig auf der Tischplatte rumtrommelte. Mit zusammen gezogenen Augenbrauen beobachtete ich ihn und fragte mich, wen er wohl erwartete. Wie ich von Harry erfahren hatte, verbrachte Snape fast seine gesamte Freizeit damit, den Wolfsbanntrank zu verbessern, oder er war anderweitig in der Forschung tätig. Zusätzlich braute er noch Tränke für das St.-Mungo-Hospital, um sein Gehalt etwas aufzubessern. Scheinbar warf der Job in der Prüfungskommission nicht sonderlich viel ab.

In Gedanken versunken bemerkte ich zunächst gar nicht, wie Remus die Kantine betrat. Erst als ein Magazin direkt neben Snape auf die Aluminiumplatte gepfeffert wurde, schreckte ich auf. Mit wutverzerrtem Gesicht stütze sich Remus mit beiden Armen auf dem Tisch ab. Er deute auf das hingeworfene Magazin, die Hexenwoche, woraufhin ihm Snape den Tagespropheten unter die Nase hielt. Remus schnaubte und nahm gegenüber meines ehemaligen Tränkeprofessors Platz. Ich ärgerte mich darüber, dass ich nicht dichter an ihnen dran saß, um ihr Gespräch zu verfolgen. Doch wenn ich hätte raten müssen, hätte ich vermutet, dass sie sich über Rita Kimmkorns Artikel ausließen.

Ich unterdrückte meine Neugier und erhob mich seufzend von meinem Platz. Vielleicht konnte ich bei Bonnie ein paar meiner Gedanken loswerden. Ich verließ den überfüllten Raum und begab mich nachdenklichen Schrittes den Gang hinunter in Richtung der Fahrstühle.

>>Hey Granger, wart mal kurz! << Eine Hand legte sich auf meine Schulter. Überrascht blieb ich stehen und wandte den Kopf um. Missmutig legte ich die Stirn in Falten, als ich Antonie erkannte. Der hatte mir jetzt gerade noch gefehlt.

Die BüroaffäreWo Geschichten leben. Entdecke jetzt