So gegen neun stand ich vor Sashas Wohnung. Die Tür war halb geöffnet und ihr entschuldigende Blick machte mich unruhig: "Tut mir echt Leid Kevin..." Bevor ich jedoch fragen konnte was genau ramte Finn die Tür komplett auf. Knapp an mir vorbei. Meine Stirn krümmte sich: "Was wird das ?" Sasha nahm meine Hand: "Finn fährt uns zur Party. Er wurde von Raphaels Schwester Nicki eingeladen. Du kennst sie doch. Sie hat doch ihre Lehre in der Bank gemacht." Es intressierte mich herzlichst wenig, dass Raphaels Schwester bei der Sparda-Bank Geldscheine sortierte, die Hauptsache war, dass Finn wieder mal Anstandswauwau spielen würde und genervt saß ich auf dem Rücksitz und wünschte ihm die Pest in den Nacken, den ich ununterbrochen anstarrte. Sasha sagte die halbe Fahrt nichts dazu, sondern blickte nervös von Finn zu mir, und das im Sekundentakt. Die Anspannung war spürbar. Er machte mich wahnsinnig. Manchmal hasste ich ihn manchmal war ich beeindruckt von ihm. Und es störte mich auch total, dass Nicki ihn eingeladen hatte. Stand sie etwa auf ihn ? Ich schluckte. Ich wollte nicht, dass die beiden ein Paar wurden. Aber warum eigentlich ? Wenig später riss mich meine eigentliche Freundin aus meiner Fantasiewelt, indem sie meinen Handrücken berührte. Ich lächelte ihr verständnisvoll zu. Vor einem Jahr hätte diese Berührung ein Feuerwerk in mir ausgelöst. Jetzt spürte ich nur ein schwaches Kribbeln.
"Kevin, voll geil, dass du gekommen bist." Halb betrunken klopfte Raphael mir auf den Rücken. Nachdem ich Sasha und mir etwas zu trinken besorgt hatte, setzten wir uns zu Justin und Katharina, die auf einer roten Ledercouch ein Plätzchen gefunden hatten. Nach kurzem Smalltalk spielten wir ein Trinkspiel und besonders Glück hatte ich bei solchen Spielen eigentlich nie. Kurz nach elf war ich so gut wie dicht und Sasha schickte mich vor zur Bar um Wasser zu holen. Gekonnt taumelte ich zum Tresen und klammerte mich dort fest: "E-ein....n. Wascher bidde." Irgendwie wanderte ich vom Treseneck hinter zum Barkeeper. Verschwommen konnte ich ein Grinsen seinerseits wahrnehmen. Er fand es wohl witzig. Er schob mir ein klares Glas Wasser rüber und ging dann hinter in den Nebenraum, wo sich noch mehr Getränke befanden. Ich nahm einen großen Schluck und musste feststellen, dass mein Magen nicht ganz mitmachte. Mir wurde schlecht. Ich umklammerte meinen Bauch und sank zu Boden. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich kotzen müsste aber mir war so richtig übel. Plötzlich streichelte jemand meine Schulter und ich blickte gequält in Finns besorgtes Gesicht: "Wie viel hast du denn getrunken ?" Er reichte mir seine Hand und wollte mich hochziehen, meine Beine hatten jedoch alle Kraft verloren und ich fiel in Finns Arme und riss ihn zu Boden. Müde, ich war einfach nur müde. Meinen Kopf gegen seine Brust gedrückt konzentrierte ich mich auf den Rhythmus seines Herzschlages. Ich genoss die Wärme seines Körpers. Finn drückte mich zurück und versuchte sich aufrecht hinzusetzen: "Kevin." flüsterte er. Ich hob meinen Kopf und betrachtete seine Augen. So schön, dachte ich. Meine Hand berührte seine rechte Wange. Finns Blick veränderte sich kaum. Er sah ebenfalls tief in meine Augen, als würde er darin irgendetwas suchen. Und wieder war ich fasziniert von diesem Typ. Mal war es sein Talent jetzt seine wunderschönen Augen. Ich beugte mich vor und drückte meine Lippen auf seine und drückte meine Zunge hindurch. Finn ging darauf ein und seine Hände umschlungen meine Hüfte. Was mache ich da ? fragte ich mich schwach. Ich realisierte die Situation nur verschwommen. Das ätzende Magengefühl war verschwunden, stattdessen tanzten Schmetterlinge in mir und ich genoss die Berührungen seinerseits, denn Finns Finger erforschten bereits meine nackte Brust. Wieder kamen mir Zweifel hoch und wieder wurde das Geflatter größer. Ich kam jedoch erst komplett zur Besinnung als er sich an meinem Schritt zu schaffen machte. Nein. Ich dachte an Sasha und das wir hinter der Bar, eine knappe Entfernung von ihr und den anderen Partygästen rummachten. Kraftlos versuchte ich ihn weg zu drücken: "I-ich kann das nicht..." flüsterte ich. Finn beugte sich zu meinem gesenkten Blick: "Was ?" Fragte er sanft. Ruckartig sprang ich von Adrenalin gepackt auf: "Ich kann das nicht." Sagte ich laut. Verwirrt und aufgebracht rannte ich so gut es ging zur Haustür. Zigarette. Ich musste jetzt erst mal rauchen, zu Sasha konnte ich im Moment nicht gehen. Wütend schlug ich gegen die Hausmauer. Ich betrüge meine Freundin. Und noch schlimmer: Mit ihrem Bruder. War ich jetzt schwul ? Was war nur los mit mir ?? Ich sank zu Boden und drückte die Kippe ins Gras. Scheiße, scheiße, scheiße.
Gegen halb drei wurde ich unsanft von Sasha geweckt: "Mensch Kevin, musst du unbedingt hier einpennen ? Ich hab dich voll lange gesucht." Hinter dem Haus vor der Veranda lag ich mit bösen Kopfschmerzen. Tolle Party. Nachdem Sasha mich zum Auto gebracht hatte herrschte Totenstille. Wegen des Vorfalls mit Finn, fühlte ich mich zu schuldig irgendetwas zu sagen und Sasha war mega wütend, weil sie den großteil der Party ohne mich verbringen musste. Ja und Finn, keine Ahnung was der so dachte. Mein Gesicht wurde extrem rot als sich unsere Blicke im Rückspiegel traffen. Er grinste. Gott, Finn war die ganze Zeit nüchtern gewesen, ergo er hatte alles hundertprozent mitbekommen. Ein Teil von mir war sauer, weil er meinen Zustand so ausgenutzt hatte, ein anderer Teil starb förmlich vor Peinlichkeit und der letzte Teil führte sich auf wie ein kreischendes Fangirl, dass sein größtes Idol umarmt hatte. Zuhause fühlte ich mich nicht besser und war froh als meine Augenlider, nach gefühlten zwei Stunden an die Decke starren, endlich schwer wurden.
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Großer Bruder, Große Liebe (BoyxBoy)
Teen FictionKevin und seine Freundin Sasha feiern glücklich verliebt ihr einjähriges Zusammensein. Passend zu diesem Zeitpunkt kommt Sashas Bruder Finn, von seinem dreijährigen Studium zurück. Der Unbekannte erweckt in Kevin gewisse Gefühle, die ihm zunächst fr...