Startschuss: Abitur

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Erschrocken blickte sie mich an als würde sie nun etwas ahnen. Sie war nun im klaren, dass ich wusste was mit ihrem Bruder los war und mein bedrückter Tonfall machte ihr sicher Angst. Ich nahm beide ihrer weichen Hände und atmete tief durch. Ich kam nicht mehr drum rum. Jetzt musste ich ihr die Wahrheit sagen: "Finn ist in mich verliebt. Er hat mich geküsst und ist mit Sicherheit eifersüchtig auf dich." Es passierte das was ich erwartet hatte: Sasha riss sich von mir los und schockiert starrte sie mich an: "D-das ist n-nicht wahr... Du lügst !" Wieder stiegen ihr die Tränen hoch und ihr Körper zitterte vor Wut: "Warum lügst du mich so an ?!!" Sasha schrie und weinte verzweifelt und, um die Sache nicht glauben zu müssen. Aber sie wusste ich würde sie nicht anlügen und ihr musste auch klar sein, dass es keinen Sinn machen würde eine so märchenhafte Geschichte zu erzählen. Vorsichtig griff ich nach ihrer linken Hand: "Sasha..." sagte ich ruhig. Wieder riss sie sich los und vergrub ihr Gesicht hinter ihren Händen nachdem sie zu Boden gerutscht war. Ich hockte mich wortlos neben sie und es dauerte auch nicht lange, da lehnte sie heulend an mir. Ich drehte mich zu ihr und nahm sie in die Arme. Drei Sekunden später wurde ihr eigentlich, dass grund bedeutende so richtig klar und halb in Trance sah sie mich an: "Und was fühlst du für ihn ?" Ich sagte nichts. Ich starrte die Ameise vor mir an, die der Straße folgte. Langsam stieg mein Blick zu den Wolken und auch mir lief eine Träne hinab: "Ich glaube ich habe mich sehr in ihn verliebt."

"Morgen." Justin schlenderte gähnend auf mich zu: "Echt ätzend! Normalerweise muss ich Mittwoch erst zur dritten Stunde in die Schule." Ich grinste:"Wenn du das Abi heute nicht verkackst, musst du Mittwoch vielleicht nie wieder zur Schule." Er lachte, verstummte jedoch als er Sasha mit roten, verquollenen Augen neben Magdalena stehen sah: "Hey ich glaub deiner Freundin geht's nich so gut..." Ein schlechtes Gewissen durchzog meinen Magen: "Wir sind nicht mehr zusammen." Ungläubig starrte er mich an:"Waaas seit wann ?" Ich kickte einen Stein zur Seite: "Seit Sonntag." Justins Augenbrauen krümmten sich: "Und warum sagst du mir das nicht schon früher ?" Ich zuckte mit den Schultern: "Montag und Dienstag hatten wir ja noch frei und ich wollte nicht drüber reden. War keine schöne Trennung." Justin klopfte mir auf den Rücken: "Maan Alter, tut mir echt leid."

Während der Englischprüfung spähte ich mehrmals zu meiner Exfreundin rüber, die zwei Reihen vor mir saß. Ob sie sich konzentrieren konnte ? Ich selbst fühlte mich elend. Wie konnte ich Sasha, einem netten, hilfsbereiten und wunderschönen Mädchen nur so etwas antun ? Wie konnte ich ihr nur so weh tun ? Die halbe Prüfungszeit über rutschten Gedanken der Reue in meinen Kopf und es fiel mir sichtlich schwer mich zu konzentrieren.

Ich ging eigentlich nur noch zu den Kursen, in denen ich Abitur schrieb, sprich Mathe, Deutsch, Geographi und Kunst. Englisch hatte ich ja bereits hinter mir. Es ging mir sichtlich schlecht, in jedem Fach. Mathe hatte mir noch nie Schwierigkeiten bereitet und obwohl ich den Stoff mal super drauf hatte, bekam ich im Unterricht nicht eine Aufgabe hin. Auch in Kunst wurden meine Skizzen weder sauber noch gerade. Es lag mit Sicherheit auch daran, dass Finn mich immer noch ignorierte. Wie sehr hätte ich ihn jetzt gebraucht, wie er ruhig neben mir sitzen hätte können, und mich mit seinen Zeichenkünsten hätte verzaubern können. Innere Ruhe hätte ich jetzt wirklich brauchen können. Nach 20 Minuten Kindergarten Gekrizzel bat ich austreten zu dürfen und wusch mir auf der Toilette das Gesicht. Seit mit Sasha Schluss war ging alles schief ! Es tat mir viel mehr weh sie verletzt zu haben und dazu fehlte sie mir auch als gute Freundin. Ich hatte die Beziehung beendet und zu welchem Preis ? Finn ignorierte mich, Sasha hasste mich und mein Abschluss stand auf dem Spiel. Niemand liebt mich jetzt mehr und Tränen stiegen mir hoch. Ich blickte mich hektisch um. Hier war zum Glück niemand. Um sicher zu gehen schloss ich mich in einer Kabine ein und sank zu Boden. Der Tränenfluss war nicht mehr zu stoppen. Ich fühlte mich elend und schämte mich hier heulend am Boden zu hocken. Ein heftiger Stich durchfuhr meine Brust als ich die Tür quietschen hörte. Reflexartig drückte ich die Spülung um mein Heulen unhörbar zu machen. Im selben Moment fiel mir auf, dass das eigentlich ein Signal dafür war, dass ich fertig sei. Ich wischte mir die Tränen vom Gesicht und atmete tief ein. Vielleicht sehe ich gar nicht so schlimm aus ? dachte ich. Ich drehte das Schloss nach rechts und öffnete die Tür. Langsam spähte ich hindurch. Niemand mehr da. Vielleicht ist der Unbekannte ja in eine andere Kabine gegangen. Erleichtert ging ich zum Waschbecken um mir das Gesicht zu waschen als ich erschrocken feststellen musste, dass Finn neben der Tür lehnte: "Hab ich es mir doch gedacht."
Ich zuckte zusammen und drehte ihm schnell den Rücken zu. Scheiße ! Er war der letzte der mich so sehen sollte. Ich war auf eine Gemeinheit vorbereitet, er jedoch umarmte mich von hinten: "Es tut mir leid." Es tut ihm leid ?? Ich war so verwirrt, dass ich mich kaum umdrehen traute. Mit hochrotem Kopf starrte ich zu Boden. Finn drückte mich fester an sich: "Ich habe so viel Chaos angerichtet und ich wusste, dir geht es nicht gut. Ich habe eben deine Zeichnungen gesehen und mir wurde klar, dass du sicher ganz durcheinander bist. Deswegen bin ich dir gefolgt." Mein Herz schlug viermal so schnell als normal und meine Beine waren Pudding. Ich konnte mich kaum halten vor Aufregung. All die schönen Dinge, die er mit trauriger Stimme zu mir gesagt hatte, konnte ich nicht einfach verleugnen. Langsam drehte ich mich um und nachdem ich in sein ernstes aber wunderschönes Gesicht sah war es um meine Balance geschehen und ich rutschte zu Boden. Finn, mich immer noch in den Armen haltend, kniete sich zeitgleich mit mir nieder. Ich zitterte, genoss aber die Wärme, die er mir schenkte. Meine Hände lagen auf seiner Brust und ich blickte erneut in sein Gesicht. Finn näherte sich mir zögernd. Er warf einen Schatten in mein Gesicht, mein Atem wurde unregelmäßig und wieder starrte ich auf seine Lippen. Reflexartig öffnete ich meine und lies den einen Zentimeter Abstand hinter uns. Finns Zunge berührte meine und erneut tanzten Schmetterlinge. Es war wie als würde ein Feuerwerk in mir statt finden. Ich legte meine Arme um seinen Hals und Finn umfasste meine Hüften. Der Zauber war vorbei als die Tür erneut quietschte und ich in ein erschrockenes Gesicht von Justin starrte. Er selbst betrachtete mich und Finn abwechseln mit blassem Gesicht. Schließlich wurde seine Mimik finster und er war im Begriff die Tür zu schließen: "Für ihren eigenen Bruder machst du also Schluss mit ihr. Du bist abartig Kevin." Die Tür fiel ins Schloss und jetzt war ich es, der kreidebleich aus der Wäsche sah. Nein... Warum passiert mir das ? Finns Hände glitten an mir herab: "Ich klär das, ok ?" Bevor ich was sagen konnte, riss er die Tür auf und lief Justin hinterher. Auch ich blieb nicht lange sitzen und rappelte mich wieder hoch, auch Justin hinterher. Ich erreichte die beiden am Ende des Flurs. Justin beachtete mich gar nicht sondern blickte starr und angewiedert zu Finn hinauf. Finn wieder ernst und selbstbewusst bewegte sich keinen Meter: "Kevin kann nichts dafür. Ich habe ihn genötigt. Er wollte nicht geküsst werden. Ich wollte ihn bloßstellen, weil er mit Sasha Schluss gemacht hat. Aber mir ist im selben Moment klar geworden, dass das dumm ist." Das ist doch gelogen ! Ich habe dich geküsst. Ich wollte das so ! Ich brachte es nicht fertig etwas zu sagen. Wie versteinert stand ich da und betrachtete das Gespräch. Justin blickte ungläubig zu mir und wieder zu Finn: "Das sah aber nicht so aus..." Er betrachtete mich verachtend: "Hast du deswegen mit ihr Schluss gemacht ? Lüg mich nicht an Kevin. Stehst du auf den da ?" Ich nickte. Finn funkelte mich entsetzt an. Justin schnalzte: "Unglaublich." Er drehte sich um und war im Begriff zu gehen, ich hingegen packte ihn an der Schulter und zog ihn zurück: "Justin bitte, du musst das ver-" Er schlug meine Hand von sich und mit Wut in der Stimme schubste er mich zurück: "Fass mich nicht an. Ist ja ekelhaft." Dann ging er entgültig ins Klassenzimmer. Warum ? Warum gerade du Justin ?

Auch während des Matheabiturs konnte ich mich kaum konzentrieren. Nun hassten mich schon zwei Menschen. Justin schien niemandem von der Sache erzählt zu haben, aber so war er ja auch noch nie gewesen. Ich stand also ab sofort immer allein beim Rauchen, aß Mittags allein in der Cafeteria und ging nachmittags allein nach Hause. Nachrichten ignorierte er und Anrufe blockte er ab. Es war hoffnungslos. Ob ich meinen besten Freund nun endgültig verloren hatte, wusste ich nicht. Ich hoffte, dass ein bisschen Zeit die Situation abkühlen würde oder dass er zumindest mal mit mir reden würde. Während dessen hatte ich nun endlich meine Entscheidung getroffen. Ich wollte Finn. Ich hatte nicht umsonst meine Freundin aufgegeben und mich vor Justin geoutet. So verbrachte ich Nachmittage damit ihn zu erforschen. Finn kam selbstverständlich zu mir nach Hause. Spontane Küsse bereiteten mir nur noch selten Probleme, jedoch der Gedanke mit ihm zu schlafen war komisch. Es fühlte sich so an wie beim ersten Mal. Ich fühlte mich wie ein hilfloser, kleiner und unerfahrener Junge. Den Abend vor Deutsch klebte ich wieder an seinen Lippen. Finn löste sich von mir und ruhig lag ich in seinen Armen. Ich durchblätterte ein paar Lektüren, die wir in den letzten beiden Schuljahren gelesen hatten. Eine Dramenanalyse war mir noch nie schwer gefallen, und ich durfte die Prüfung morgen auch nicht verhauen. Trotzdem lies ich mich ständig von Finn ablenken. Neugierig sah ich zu ihm auf: "Hey kann ich dich mal was fragen ? Aber du darfst nicht lachen, ok ?" Er nickte und mein Blick war wieder in das Buch geheftet als ich peinlich berührt haspelte: "Ha-hast du eigentlich schon Erfahrung mit Jungs ? Also so richtig ?" Es war mir klar, trotzdem war ich irgendwie überrascht als er nickte.

Großer Bruder, Große Liebe (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt