Klarheit

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"Bist du etwa immer noch sauer? Hey Sasha ? Mich zu ignorieren wird die Sache auch nicht ungeschehen machen..." Auf dem Weg zur Schule durfte ich noch nicht einmal ihre Hand halten. Auch nach der Pause redete sie immer noch nicht mit mir. Während ich in Geschichte nachdachte wie ich es wieder gut machen konnte, quatschte Justin die ganze Zeit nur über Katharina und, dass sie sich auf Raphaels Party das erste Mal geküsst hatten. Wenigsten irgendwer hatte Spaß. Naja um ganz ehrlich zu sein hatte ich das ja kurzzeitig auch. Ich konnte es nicht mehr verdrängen oder die ganze Sache abzustreiten. Es hatte mir definitiv gefallen von Finn so berührt zu werden. Auch in Kunst wurden meine Wangen rot wenn sein Blick bei meinem hängen blieb. Natürlich erschreckte mich das Ganze auch extrem. Ein Junge erzeugte Herzklopfen bei mir. War Finn nur etwas Abwechslung oder empfand ich tatsächlich was für Jungs? Es durfte jedenfalls nicht so weiter gehen. Meine Gefühle für Sasha schraubten sich auch schon zurück und Finn war ja trotzdem immer noch der Arsch, den ich kennen gelernt hatte. Ich musste also wieder Zeit mit Sasha verbringen. Ohne Finn oder sonst jemanden. Aber zuerst musste ich sie erst mal wieder dazu bringen mir wenigstens zu zuhören. Also fing ich sie nach der Schule vor dem Schultor ab. Sasha verdrehte genervt die Augen und ging wortlos an mir vorbei. Ich packte ihren rechten Arm und zog sie zurück: "Sasha, bitte." Sie seufzte und sah mich erwartungsvoll an. Ich atmete tief ein und blickte in ihr Gesicht: "Es tut mir wirklich leid. Ich liebe dich." Sie grinste und küsste mich. Und plötzlich spürte ich sie wieder. Die Schmetterlinge.

Als Entschuldigung hatte ich meine reizende Freundin ins Schwimmbad eingeladen. Am Samstag gegen 15 Uhr trafen wir uns vor der S-Bahn und glücklich verliebt spazierten wir zur Schwimmhalle: "Bis gleich." Während Sasha zur Mädchenumkleide ging, machte ich mich auf zu der der Jungen. Wieder draußen suchte ich uns einen guten Platz und musste zufrieden feststellen, dass heute kaum jemand da war. Ich wollte mich gerade hinsetzten als Sasha auch schon auf mich zu kam. Mit hochrotem Kopf versuchte ich ihr niedliches Auftreten nicht allzu lange anzustarren. Sie trug einen neuen Bikini. Blau mit weißer Spitze und Schleifen. Etwas nervös zupfte ich an meinem Handtuch: "Der steht dir gut." Es war wie bei unserem ersten Date. So nervös war ich ihr gegenüber schon lange nicht mehr gewesen. Lag es etwa daran, dass ich nicht ehrlich zu ihr war ? Sie selbst bedankte und wirkte ganz und gar nicht schüchtern. es schien sogar so als hätte sie mich durchschaut und lachte.

Im Salzwasserbecken suchten wir uns ein Plätzchen wo wir ungestört sein konnten und nachdem wir einigen Themen wie Schule und das Abitur durchgekaut hatten ergriff ich meine Chance und rutschte näher an sie heran. Mein Gesicht näherte sich ihrem und es dauerte keine fünf Sekunden da berührten sich unsere Lippen schon. Meine Zunge suchte ihre und meine Hände glitten sanft an ihren Armen hinab. Und wieder funkte es.

Sichtlich zufrieden lächelte ich. Natürlich stand ich nicht auf Jungs. Ich liebte Sasha und fühlte das auch. Ich drückte meinen Mund erneut auf ihren und in diesem Moment wurden all meine Überzeugungen zu nichte gemacht. Gerade als ich meine Augen schloss, sah ich Finn. Und ich spürte wieder das Flattern in mir, sogar noch stärker als zuvor. Mein Herz klopfte wie wild. Schließlich sah ich wieder meine Freundin vor mir und ich zog mich zurück. Nein... Bitte nicht. Warum nur ? Eine Träne rannte mir hinab. Warum ging mir dieser Junge nicht aus dem Kopf? Und warum musste ich gerade jetzt vor ihr feuchte Augen bekommen? Sasha, sichtlich erschrocken, schluckte: "Kevin? Was ist?" Ich schüttelte meinen Kopf und setzte ein wohl überzeugendes Lächeln auf: "Nichts, Süße. Ich bin nur... Ich bin nur total glücklich gerade." Sie lächelte und umarmte mich: "Ich auch." Der Nachmittag verging nun nur noch sehr schleppend. Ich provozierte keine Situation mehr wo sie mich eventuell küssen hätte wollen. Ich hatte einfach Angst wieder an ihren Bruder denken zu müssen. Aber das tat ich sowie so ununterbrochen.

Es gab keine Erklärung mehr dafür. Ich empfand etwas für Finn. Und dieses 'etwas' zerstörte meine Beziehung zu Sasha. Das allerschlimmste jedoch war, dass ich nichts dagegen tun konnte. Zumindest wusste ich nicht was.

Wieder zu Hause versuchte ich alles in mir zu sortieren. Ich wusste, dass man die Liebe nicht kontrollieren konnte oder erzwingen. Verdammt! Es war noch so einfach als dieser Kerl noch nicht in meinem Leben war. Und was hatte ich jetzt davon? Ich betrügte und belügte meine Freundin und unterhielt ihren Bruder auch noch. Das ganze musste ein Ende haben. Entschlossen wählte ich Finns Nummer und mit einem Kloß im Hals konzentrierte ich mich auf das Handy. Was mache ich hier? kam es mir kurz. Du musst das klären! sagte ich wieder zu mir. Mehr Gedanken hatte ich gar nicht, denn er hob bereits ab: "Hey Kettenraucher, was ist?" Ich versuchte den Klumpen in meinem Hals runter zu schlucken und meine Stimme zitterte als ich antwortete: "Kannst du vielleicht vorbei kommen? Ich möchte mit dir reden." Ich hatte so etwas wie "Hört sich an als würdest du mit mir Schluss machen wollen" oder "Reden oder knutschen?" als Antwort erwartet, aber Finn reagierte erstaunlich ernst: "Ok. Ich beeil mich." Dann legte er wieder auf. Ich zuckte kurz. Es war genau wie damals als er mir in Kunst gezeigt hatte wie man am einfachsten illustriert. Diese ruhige und sanfte Art gefiel mir viel besser als sein Bad Boy Image.

Nach einer viertel Stunde öffnete ich langsam die Tür: "Komm rein." Finn folgte mir in mein Zimmer und setzte sich wortlos auf mein Bett während ich meinen Schreibtischstuhl zu mir zog. Er sah sich flüchtig um bis sein Blick bei meinem hängen blieb: "Also?" Ich räusperte mich. Du kannst das Kevin, ermutigte ich mich und auf einmal sprudelte alles aus mir heraus: "Ich kann es nicht mehr abstreiten, auch wenn ich es nicht wahrhaben will, aber..." wieder errötete mein Gesicht und ich starrte auf den Fußboden: "Ich habe mich in dich verliebt." Er lachte nicht und auch sonst konnte ich nicht sagen, was in ihm vorging, denn noch immer mied ich seine Augen:

"Ich will das gar ni-"

"Sag das nicht." Er schnitt mir das Wort ab und erschrocken blickte ich ihn an. Sein Ausdruck war finster und er schien verletzt. Das erste Mal, dass ich ihn so sah. Sein gekränkter Blick durchstoch mich förmlich: "Bitte, sag das nicht."

Verwirrt rutschte ich ein Stück zurück. Was ?

Großer Bruder, Große Liebe (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt