chapter 54

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Ich hatte Schmerzen, die ganze Zeit, auf eine Art, für die die Sprache keine Worte hat."
- John Green.

Dämonen waren für mich unbesiegbar gewesen. Ramiel war für mich unzerstörbar. Ihn so zu sehen, hatte mich erschreckt, mich in meinen Grundfesten erschüttert. Innerlich bebte ich noch immer, war in Aufruhr und kam nicht zur Ruhe.

Doch noch schlimmer war die Angst vor dem, was ich gefühlt hatte. Und noch immer fühlte. Denn aus meiner Todesangst heraus war eine unzerstörbare Wut angeschwollen. Ich wollte den Offizier töten und seinen Handlanger, der Ramiel wehgetan hatte. Und alle, die sonst noch auf diesem Balkon standen und tatenlos zugesehen hatten. Ich fürchtete mich vor meinen eigenen Mordfantasien, vor dem Blutdurst, der zwischendurch, wenn ich mich zu lange in meiner Erinnerung verlor, mein Blickfeld rot färbte. Ich fragte mich, ob es etwas in mir verändert hatte.

Sein Dämonenblut und ob mein Blut auch etwas mit ihm gemacht hatte. Ob ich deshalb danach so weggetreten war oder ob es doch einfach an der Erschöpfung gelegen hatte.

Die Hilflosigkeit schmeckte noch immer bitter auf meiner Zunge, ihn dort zurückgelassen habe, würde ich mir nie ganz verzeihen.

Als ich gestern meine Oma besucht hatte, war es wie die letzten Male auch. Sie saß am Fenster, ihre Finger trommelten in einem mir unbekannten Takt auf ihr Bein, den Blick in den Himmel erhoben, nahm sie weder meine Berührungen noch mich zur Kenntnis. Der einzige Unterschied zu meinen anderen Besuchen war der Skizzenblock, der im Flur auf der Kommode gelegen hatte. Er war mir sofort ins Auge gesprungen, denn ich hatte das Titelbild selbst verschönert. Mit allen Schattierungen von violett, die die Farbpalette hergegeben hatte.

Er lag nun in der Kiste unter meinem Bett, die ich bis ganz nach hinten an die Wand geschoben hatte. Es war ein merkwürdiges Gefühl meinen Skizzenblock nach all den Jahren wiederzusehen und ich wusste auch nicht, wieso meine Oma ihn aufgehoben hatte. Das Gefühl prickelte unangenehm über meine Haut. Warnend.

Und ich wollte sie beherzigen. Ausnahmsweise siegte meine Vernunft über meine Neugier. Ellie und Sumi hatten heute ihre Klausur geschrieben und waren dann total fertig in ihre jeweiligen Betten gewankt. Die letzten zwei Nächte hatten wir alle nur wenig Schlaf bekommen.

Das lag zum einen an der Abgabe unserer Hausarbeiten, die heute fällig gewesen waren und zum anderen an all dem, was wir Neues über die societas iustitiae herausgefunden hatten. Die Gesellschaft der Gerechtigkeit war eine frauenfeindliche, blutrünstige und skrupellose Organisation, die zu allen Mitteln und Wegen bereit gewesen war. Wir versuchten noch immer herauszufinden, was zu ihrer Auflösung geführt hatte und weitere Nachfahren von Mitgliedern ausfindig zu machen. Beides gestaltete sich jedoch viel schwieriger, als wir zu Beginn gedacht hatten. Fast so unmöglich wie eine Information über die Klinge zu finden, an der die Engel und Dämonen so interessiert waren.

Ich machte mir einen neuen Kaffee und stieg dann wieder die Treppe zu meinem Studierzimmer hoch. Es war mitten in der Nacht und ich konnte Nakirs wachsamen Blick auf mir fühlen. Die letzten Trainingseinheiten mit Azael hatte ich geschwänzt und die Uni vorgeschoben. Die Wahrheit war jedoch, dass ich meine Fähigkeiten, meine Magie, dass ich das, was ich in der roten Ebene getan hatte, noch immer nicht akzeptieren konnte. Und aus diesem Grund war ich auch extrem schlecht.

Es gab Tage an denen konnte ich meine Magie nicht einmal dazu bringen einen Stift anzuheben. Geschweige denn eine Flamme zu entzünden oder eine Seite umzublättern. All die nervenaufreibenden Aufgaben mit denen Azael mich quälte.

Ramiel fehlte mir und das war keine neue Erkenntnis. Ich spürte es seit dem Moment, an dem ich ihn an jenem Tag den Rücken zugekehrt hatte. Ich spürte es mit jeder Faser meines Körpers, in jeder einzelnen Zelle. Diese schmerzende Sehnsucht. Ich hielt sie tief in mir verborgen, fürchtete mich davor, was passieren würde, wenn sie an die Oberfläche dringen würde und hoffte jeden Tag, dass mir das Atmen heute etwas leichter fallen würde.

Crown of FireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt