chapter 43

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Ich war eingeschlafen und als ich die Augen aufschlug, begegnete ich Ramiels Blick. Er grinste und ich erblickte dabei kleine Grübchen, die ich vorher noch nie gesehen hatte.

„Guten Morgen, Vio", flüsterte er leise und fuhr fort sanft durch meine Haare zu streichen.

„Guten Morgen", erwiderte ich leise. Schon bei meinen letzten Morgen Danach hatte ich mich nicht mehr unwohl gefühlt, jedoch auch noch nie so wohl und zufrieden wie jetzt neben Ramiel. Und das war absolut unrealistisch, bedachte man den Ort, an dem wir uns befanden.

„Lass uns noch gemeinsam frühstücken. Dann widmen wir uns unseren Problemen", bat er und mir wurde warm ums Herz. Als würde er wissen, wohin meine Gedanken abdrifteten. Und er hatte uns gesagt. Unseren Problemen. Dabei hatte ich noch ein Problem, eins von dem er nichts wusste, denn mein Herz protestierte schmerzhaft bei dem Gedanken, dass mir das hier mehr bedeutete als ihm.

Viele Leute hatten Sex, ohne dass sie eine echte Beziehung zueinander hatten und das war völlig okay. Ich hatte vor ein paar Wochen auch noch dazu gehört. Und ich sträubte mich gegen die aufsteigende Befürchtung, dass mir das hier mehr bedeutete. Mehr als sonst. Dabei hatten wir nicht einmal Sex im eigentlichen Sinne gehabt. Dennoch war es um einiges intimer gewesen als einige meiner Bettgeschichten, die Sex im eigentlichen Sinne miteinschlossen.

Meine Finger strichen über die Stelle an meinem Hals, die noch immer leicht pochte und wohlige Schauer rannen über meine Haut. Wir hatten uns vor dem Einschlafen noch kurz gewaschen und ich hatte wieder sein T-Shirt übergezogen.

Wir frühstückten auf einem gläsernen Balkon, hoch über der Goldenen Stadt und ihren Kuppeln und Türmen. Ich beobachtete Ramiel genau dabei, wie er eine Erdbeere nach der anderen mampfte und dabei sehr zufrieden aussah.

Jemand hatte den Tisch gedeckt und als allererstes hatte ich meinen dampfenden Kaffee wahrgenommen, den ich inzwischen fast geleert hatte. Dazu gab es köstlich duftende Zimtschnecken, noch warme Brötchen, lauter Obst und Jogurt und auch sonst alles, was das Herz begehrte. Hier oben wehte ein leichter Wind, der die überall herrschende Hitze erträglich machte. Jetzt, wo ich wusste, woher die Hitze und die Helligkeit kam, war mir nicht mehr ganz so wohl und ich verdrängte den Gedanken an das Höllenfeuer schnell wieder.

Ramiel saß mir, noch immer ohne T-Shirt, gegenüber und ließ meine Musterung über sich ergehen, ohne eine Miene zu verziehen. Über seinen Hals, seine Brust und seinen Rücken schlängelte sich ein riesiges, schwarzes Tattoo, das bis unter den Bund seiner Hose reichte. Zum ersten Mal konnte ich es in aller Ruhe bestaunen und je länger ich schaute desto faszinierter war ich davon, dass es den Anschein machte als würde die Haut der Schlange schimmern. Ich hatte nicht gedacht, dass ich beim Anblick einer Schlange, so kurz nach meiner Reise in die Finsternis, derart gelassen bleiben konnte. Doch komischerweise beunruhigte sie mich nicht. 

In meinem Kopf tanzte die Melodie von Halseys Homesick und ich musste schmunzeln, als ich endlich erkannte, wieso mich dieses Lied derart heimsuchte. Weil ich es mit Ramiel gehört hatte, auf dem Weg zum Clayton und ich da zum ersten Mal gespürt hatte, dass da etwas zwischen uns war. Ich hatte mich weniger allein gefühlt in seiner Nähe, doch das war kein Vergleich zu der Geborgenheit, die ich jetzt empfand. Die Sicherheit, die ich fühlte, die Nähe und das Vertrauen. Und nicht nur die vergangene Nacht, sondern auch all die Tage davor, hatten dieses Vertrauen wachsen lassen. Je näher wir uns kamen, desto mehr spürte ich es. Bei Ellie war es genauso gewesen. Die Chemie hatte von Anfang an gestimmt. Und das machte mir Angst. Denn sie war innerhalb von Wochen zu meinem Lebensmittelpunkt geworden, zu meiner wichtigsten Vertrauten. Ich wüsste nicht, wie mein Leben ohne sie aussah und vorstellen wollte ich es mir auch nicht.

Ramiel hatte mich genauso eingehend betrachtet, wie ich ihn, doch nun seufzte er leise und lehnte sich zurück. „Wenn wir sie jetzt nicht reinlassen, stürmen sie gleich den Balkon." Ich merkte, dass es ihm schwerfiel meine Atempause zu beenden, deshalb nickte ich und aß das letzte Stück meiner Zimtschnecke. „Ich habe dir etwas zum Anziehen hinter den Paravent gelegt."

„Dan..." Ich unterbrach mich, während ich hinter den Paravent traf. „Wieso soll man keinem Dämon danken oder ihn um etwas bitten."

„Weil jemanden um etwas zu bitten etwas Intimes ist. Es offenbart eine Schwäche, eine Angriffsfläche. Das tun nur miteinander verbundene Paare. Und wenn du einem Dämon oder einer Dämonin dankst, gestehst du eine Schuld ein. Du gibst zu, dass jemand etwas für dich gemacht hast und gehst das Risiko ein, dass jemand das Bezahlen dieser Schuld einfordert."

Wow, das klang so krass absurd. Aber so wie ich einen Teil der Dämonen kennengelernt hatte, war das definitiv kein Risiko, das ich eingehen wollte. Ich hatte die Sachen angezogen, die er mir hingelegt hatte und trat jetzt strahlend hervor.

„Du hast meinen 5SOS Pullover geholt, meine Vans und eine von meinen Jeans!" Die Erwähnung der Unterwäsche, die auch dabei gewesen war, hielt ich nicht für notwendig. Es war unfassbar angenehm endlich mal wieder meine eigene Kleidung zu tragen. Ramiel schaute mich an und quittierte mein Strahlen mit einem selbstzufriedenen Grinsen. „Das war echt superlieb von dir." Ich umarmte ihn und er versteifte sich. „Was? Darf man das auch nicht sagen?"

Er hob beschwichtigend die Hände, küsste mich auf den Scheitel und dann betrat eine trampelnde Horde Dämonen das Appartement. Allen voran Ale, die aussah, als würde sie in den Krieg ziehen wollen. Azael und Cael sahen ebenfalls so aus, als würden sie sich auf einen Kampf vorbereiten und alle zusammen blieben sie wie angewurzelt stehen, sobald sie uns sahen.

Ich sah sie mit gerunzelter Stirn an. „Stimmt etwas nicht?" Ramiel schnaubte amüsiert, während er mich in einer kaum merklichen Geste von sich schob und unseren Abstand vergrößerte. Ale durchbohrte Ramiel mit ihrem Blick und ich trat sicherheitshalber einen Schritt zurück. Es machte fast den Anschein, als wären sie besorgt. Alle drei beäugten mich merkwürdig, dann schienen sie sich aber zu beruhigen.

„Dann mal los." Ramiel wandte sich zur Seite und in der glattgoldene Wand formte sich ein Durchgang. Ich schnappte nach Luft und traute meinen Augen kaum, doch die anderen betraten einfach kommentarlos den Raum, der sich anscheinend hinter der Wand befand. Das erste, woran mich dieser Raum erinnerte, war mein Studierzimmer. Nur größer und pompöser, mit Möbeln aus massivem, dunklen Holz und einer langen Tafel mit zehn Stühlen, die den Mittelpunkt des Raumes einnahmen. Die mit Holz bekleideten Wände (Wow, kein Gold) waren mit den unterschiedlichsten Karten getäfelt. Globen jeglicher Größen in stählernen Halterungen standen neben einem goldenen Beistelltisch, auf dem eine gläserne Karaffe und kristallene Gläser drapiert waren.

„Es gibt einiges zu besprechen."

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