chapter 56

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Suchen ist gefährlich. Man entdeckt manchmal etwas, das man gar nicht finden wollte. - Britische Weisheit

„Ich wollte dir persönlich einen Vorgeschmack auf das geben, was dich morgen bei der Erscheinung des Newsletters erwarten wird. Einen exklusiven Einblick sozusagen." Alicia schloss die Tür hinter uns und wir befanden uns in einem stinknormalen Wohnheimzimmer. Jedenfalls auf den ersten Blick. Olivia hatte sich neben ihrer Schwester postiert und man sah den beiden ihre Verwandtschaft sofort an. Ganz anders als bei Ale und Azael.

„Ihr scheint ein persönliches Problem mit mir zu haben", stellte ich das Offensichtliche fest. „Ich frage mich nur, was für eins." Ich inspizierte das Regal und nahm interessiert den Laptop zur Kenntnis, der auf einem Schreibtisch stand. Damit waren wir unsere Suche einen bedeutenden Schritt näher.

„Ramiel ist ihr Love Interest. Er ist ihr Seelengefährte. Bist du wirklich so dumm?", fauchte Olivia.

Ich zuckte mit den Schultern, als würde sich diese Aussage nicht in mein Innerstes fressen. Ein beißendes Gefühl durchströmte mich. Ich konnte nicht fassen, dass sie Ramiel tatsächlich für ihren Seelengefährten hielt.

Etwas in mir verwarf den Plan und machte einen Neuen. Ohne darüber nachzudenken, erwiderte ich schnippisch: „Ich kann mich täuschen, aber erstens sagen alle, dass das nur ein Mythos ist und zweitens, wenn wir davon ausgehen, dass es sowas tatsächlich geben sollte, spüren es dann nicht beide?"

Ich legte nachdenklich den Kopf schief. „Ich habe noch nie davon gehört, dass das eine einseitige Verbindung ist." Ich hielt mein höhnisches Grinsen zurück, aber Alicia tickte dennoch aus. Die Dunkelheit ihrer Aura vertiefte sich. Dann spürte ich einen Windzug. Ich fühlte ihre Magie durch das Zimmer rasen. Mit angehobener Augenbraue beobachtete ich, wie Alicias Miene entgleiste.

„Was... Wieso?", stammelte Olivia fassungslos.
„Dann eben auf die altmodische Weise." Alicia hatte sich schnell gefangen und verbarg ihre Überraschung darüber, dass ihre Magie nicht bei mir wirkte. Sie wollte mir den Rückweg versperren, doch ich sprühte mit dem Flakon in ihre Richtung, was sie zumindest zu irritieren schien.

Schnell schlüpfte ich aus dem Raum und steuerte die Treppe an. Das Rotweinglas noch immer fest umklammert, bröckelte meine Fassade langsam, aber sicher. Ich war wütend auf Alicia, aber dennoch fassungslos darüber, dass ich sie gerade derart provoziert hatte. Unten angekommen, wollte ich mich Richtung Ausgang wenden, als Alicia mir erneut den Weg versperrte.

„Weiße Rose, Jasmins Wurzel und, lass mich überlegen." Sie tippte einen manikürten Finger ans Kinn. „Ein Hauch Gardenie. Süß." Sie grinste raubtierhaft. „Und jetzt, zähle du doch die Inhaltsstoffe deines Getränks auf."
„Das ist Wein", antwortete ich ungerührt.

Alicias Grinsen verstärkte sich. Wurde boshaft. „Wusstest du, dass man Schlafmohn zu einer flüssigen Textur verarbeiten kann, die sich in bestimmten Flüssigkeiten löst? In Wein zum Beispiel? Also wundere dich nicht, falls du gleich einen leicht picksenden Kopfschmerz verspürst. Vielleicht empfindest du auch zuerst Übelkeit oder ein Schwindelgefühl." Sie klang so erfreut, als würde sie gerade ihre Lieblingsschuhe vorstellen.

Das war ganz und gar nicht das, was wir geplant hatten. Sie musste die Weinflaschen extra für uns deponiert haben und einen Dämon darauf angesetzt haben, dass sie niemand anderes anrührte. Ich drehte mich um und schwankte zur Theke. Dabei suchte ich den Blickkontakt zu Ellie und schaute demonstrativ zum Ausgang. „Ihr müsst hier weg", formte ich lautlos und fasste mir an die Stirn. Ellie wandte sich an Alex und Sumi, die zum Glück neben ihr standen, und ich sah die drei aus dem Augenwinkel diskutieren, bevor sie sich an den Rand schoben.

„Nakir?" Ich hatte noch nie versucht die Dämonin über eine Gedankenverbindung zu erreichen. Flehte jetzt aber, dass es klappte. Wir waren aus einem Grund hier. Wir wollten den Newsletter stehlen und somit seine Erscheinung verhindern. Und Alicia schien etwas zu ahnen und mir Angst machen zu wollen. Oder sie führte schon wieder etwas anderes im Schilde. Am wichtigsten war mir, dass Alex, Ellie und Sumi sicher zurückkamen, ohne dass ihnen etwas passierte,

„Vio?" ertönte ihre fragende Stimme in meinem Kopf und ich atmete auf.

„Kannst du die drei nach Hause bringen? Alicia hat etwas in unser Getränk getan. Bitte", fügte ich hinzu. Ich machte mir keine Illusion, wenn sie das nicht freiwillig tun würde, würde ich versuchen sie zu zwingen. Tatsächlich merkte ich jetzt ein leichtes Pulsieren an meiner Stirn.
„Na gut", antwortete sie nach einem Moment widerwillig.

„Ich konnte seine Faszination für dich sogar verstehen, weißt du? Am Anfang." Ich drehte mich zu Alicia um. „Ein Mensch, der durchschnittlicher nicht hätte sein können, stellt sich als Nepheline raus. All die Jahre direkt vor unserer Nase." Sie drängte mich kopfschüttelnd näher an den Tresen, bis ich ihn in meinem Rücken spürte. Ihre Augen funkelten zornig.

„Ich habe es als eine Spielerei angesehen. Eine kleine Affäre, die mich reizen sollte." Ich verstand nicht, wovon sie redete. Mal wieder erschien es mir, als würde mir eine entscheidende Information fehlen. Ihre Aura flackerte unruhig. Sie war kurz davor die Kontrolle zu verlieren und einen Moment erhaschte ich einen Blick auf ihr Dämonengesicht. Das ihrem menschlichen nicht unähnlich war. Jedenfalls bis auf die Hörner auf der Stirn, die scharfen Reißzähne und die blasse Haut.

„Ich bin diejenige, die für ihn bestimmt ist. Wir sind großartig zusammen. Nicht aufzuhalten. Und du wirst es mir nicht zerstören." Ihre Augen wurden vollkommen schwarz. Alles, was ich in ihnen sah, war bodenlosen Zorn.

Und da durchzuckte es mich. „Ihr seid..." Ich wusste nicht, wie ich den Satz beenden soll. Eisiges Grauen befiel mich.

„Dummer, unwissender Mensch! Wir sind ein Paar. Seit Jahrhunderten! Unsere Verbindung steht seit Anbeginn der Zeit fest. Er hat dir eine Zielscheibe auf den Rücken gemalt und du hast ihn schwach gemacht. Angreifbar für diesen Abschaum. Doch wenn dieses Problem, du, erstmal beseitigt bist, wird alles wieder so sein, wie es sein soll. Und da kann es ja nicht schaden ein bisschen nachzuhelfen."

Mein Kopf begann zu pochen. Alles um mich herum verlor an Bedeutung, während mein Kopf versuchte Alicias Worte zu etwas Sinnvollen zusammenzufügen.

„Du glaubst, dass dieser abscheuliche Ring dich beschützt? Oh Süße, du hast noch nie so falsch gelegen. Was dich beschützt, ist der Bund zu einem Dämon, der dich umbringen wird. Also, Gratulation, Prinzesschen. Denk an meine Worte, wenn Ramiel die Kontrolle verliert. Er wird dich umbringen und ich muss keinen Finger mehr rühren, sondern kann einfach dabei zusehen. Ich habe einen Platz in der ersten Reihe reserviert und das Spektakel wird dein Tod sein und bis es so weit ist werde ich dir das Leben zur Hölle machen. Du weißt, ja wie es da unten zugeht." Sie legte mir einen Finger unters Kinn, während ich merkte, dass ich nur noch stand, weil ich zwischen ihr und dem Tresen gefangen war.

„Verrate mir eins, Prinzesschen, wie sehr sehnst du dich nach einem Kuss von ihm?" Mir wurde endgültig schummrig vor Augen. Alicias Anblick verschwamm und ich bildete mir ein, wieder in ihr Dämonengesicht zu sehen. „Ich kann dir etwas über seine Küsse sagen", flüsterte sie. „Sie sind es wert zu sterben."

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💥💥💥
Kriege ich bitte ein paar Reaktionen?💔

Crown of FireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt