Kapitel 23

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Ich werde von einem hellen Sonnenstrahl in meinem Gesicht geweckt und drehe mich langsam um. Eigentlich wollte ich mich nur von der Sonne weg drehen, um wieder ein zu schlafen. Doch dann bin ich hellwach. Ich erschrecke mich total, als ich sehe dass neben mir jemand liegt.

Irgendwie habe ich total vergessen dass ich bei Chase übernachtet habe. Ich rolle zu ihm rüber um in seinem Arm zu liegen. Langsam schlägt er seine Augen auf, zumindest ein bisschen. Daraufhin lächelt er mich an. Er hat ein sehr schönes, sanftes Lächeln. Dieses müde aber glückliche Gesicht lässt mich die ganze Welt drumherum vergessen.

„Wie hast du geschlafen?" fragt Chase leise.
Ich habe ihn kaum gehört und brauche eine Sekunde um es zu verarbeiten.
„Gut" Antworte ich, „und wie ist es mit dir?"
„Neben dir? Natürlich." sagt er fast flüsternd vor Müdigkeit.

„Ich wünschte es wäre Wochenende und wir könnten uns noch einmal umdrehen." Fügt er nun hinzu. Ich beginne zu grinsen und lege meinen Kopf auf seine Brust. Er legt daraufhin seine Hand auf meinen Kopf, in dem Moment fühle ich mich sicher. Ich schließe meine Augen und drifte langsam wieder weg.

„Hey nicht einschlafen!" sagt er nun etwas lauter aber immer noch sanft und mit einem leichten Lachen. Ich möchte meine Augen noch nicht öffnen. Ich möchte nicht, dass dieser Moment endet.

Leider habe ich nicht wirklich eine Wahl, genauso wenig wie Chase. Also stehen wir doch beide auf.
Während wir uns im Bad fertig machen werde ich nervös. Was wenn mich jemand sieht wie ich, früh am Morgen vor dem Unterricht, aus dem Zimmer eines Lehrers komme?!

Ich drehe meinen Kopf und schaue zu Chase hoch. Dann frage ich, „Was sagen wir wenn mich jemand sieht, wie ich aus deinem Zimmer komme?"
Aber Chase lacht nur und antwortet, „Wir sollten wohl aufpassen, dass es keiner mitbekommt."

Ich überlege kurz und beginne dann zu lächeln und nicke. Er scheint alles irgendwie so locker zu nehmen. Ich wünschte ich könnte das genauso.

Nachdem wir aus dem Bad kommen gehe ich zur Tür und Chase kommt hinterher, um sich zu verabschieden. Es ist zwar noch eine kleine Weile bis der Unterricht anfängt aber ich möchte noch auf mein Zimmer und nicht zur selben Zeit hier in den Gängen sein, wie die meisten Lehrer. Um ganz sicher zu gehen.

Chase gibt mir zum Abschied einen Kuss auf die Stirn und ich schaue ihn erwartungsvoll an. Ich bin verunsichert, ich würde ihn gern auf den Mund küssen aber ich weiß nicht  ob er das auch möchte. Zaghafte gehe ich auf die Zehenspitzen. In der nächsten Sekunde beugt er sich zu mir runter und küsst mich, mit einer unerwarteten Leidenschaft.

Mein Herz beginnt zu rasen und kurz glaube ich, dass mir schwindelig wird.

Als ich mich im Gang vor der verschlossenen Tür wiederfinde fühle ich mich auf einmal seltsam.
Was ist eben passiert?
Was ist gestern passiert?
Er ist mein Lehrer, wieso ist das passiert und wieso fühle ich mich so bei ihm?
Ich komme mir vor als wäre ich aus einem wunderschönen Traum erwacht.

Nachdem man aufwacht folgt die Realität und in meiner Realität sollte ich schleunigst auf mein Zimmer gehen.
Dort angekommen weiß ich gar nicht richtig wie ich mich verhalten sollte. Also suche ich meine Schulsachen für den heutigen Tag zusammen und gehe wieder raus. Es ist noch etwa eine halbe Stunde bis der Unterricht los geht und um die Zeit rum zu kriegen gehe ich an Deck.

Eine kleine Ewigkeit schaue ich einfach auf den Ozean ohne irgendwelche Gedanken. Das kannte ich bisher gar nicht. Normalerweise habe ich eher eine Millionen Gedanken gleichzeitig in meinem Kopf.

"Guten Morgen, ich wusste gar nicht, dass du so ein Frühaufsteher bist." Die stimme kommt mir verdächtig bekannt vor.
"Tony?" Frage ich während ich mich zu ihm umdrehe und da steht er. Sein typisches breites Lächeln im Gesicht. Dann stellt er sich neben mich und schaut auf das Meer.
"Ich komme fast jeden Morgen vor dem Unterricht her um über mich und mein Umfeld nachzudenken. So bleibe ich in meiner Entwicklung nicht stehen." Sagt er etwas selbstironisch. Beziehungsweise hoffe ich das.

Ich beginne zu lachen und Tony schaut mich fragend an, dann fängt er auch an zu lachen.
"Nein aber im Ernst es ist wirklich sehr entspannend früh hier her zu kommen." Sagt er dann und ich nicke und sage, "Ja ich verstehe definitiv was du damit meinst und m Sicherheit ist es auch sinnvoll mal Dinge zu reflektieren."

"Dennoch muss ich zugeben, ich hatte kurz Angst dass du kein echter Mensch bist." Füge ich dann lachend hinzu. Woraufhin er fragt, "Was soll das denn jetzt heißen?"
Und ich versuche ihm zu erklären, dass kein Mensch, nichtmal er, wirklich absolut alles in seinem Leben ausgeglichen unter Kontrolle haben kann.

"So kann ich nicht, ich denke ich mache das sehr gut bis jetzt." Sagt er mit kompletter Überzeugung. "Aber zweifelst du nicht auch manchmal oder hast das Gefühl unter zu viel Druck zu stehen? Vor allem als Schülersprecher und Spitzenschüler und dazu noch so lang schon getrennt von deinen Eltern."

Für eine sehr lange Sekunde schaut er mich nur an, dann holt er Luft um zu antworten, "Also erst einmal bloß weil ich seit klasse fünf auf einem Internat bin heißt das nicht, dass meine Eltern nicht für mich da gewesen sind. Und ja natürlich habe ich manchmal Zweifel aber genau deswegen habe ich ja angefangen Dinge zu reflektieren. Wenn ich merke es wird zu viel für mich, mache ich eine Pause oder frage nach Hilfe. Und wenn ich beginne an mir zu zweifeln, erinnere ich mich daran, dass es nur darauf ankommt, was ich von mir denke und wie weit ich es bereits geschafft habe.
Natürlich ist es wichtig das Ziel in den Augen zu behalten aber lohnt sich der Weg, wenn man keine Pausen macht um die Aussicht zu genießen?"

Mit weit aufgerissenen Augen starre ich Tony an.
"Zu tiefgründig für die Urzeit?" Fragt er lachend und ich nicke.
"Tut mir leid ich habe mich etwas mitreißen lassen. Jetzt sollten wir aber auch langsam runter gehen der Unterricht beginnt bald.

Er geht los und ich renne ihm hinterher, "Warte auf mich!"

I'm sorry sirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt