Kapitel 10

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Ramon jammerte auf und bückte sich, um sein Bein zu reiben.
Schnell sprang ich von meinem Stuhl auf und lief um den Tisch herum zu ihm. "Ich bin fertig mit essen. Außerdem müssen wir jetzt los."
Rücksichtslos zerrte ich Ramon von seinem Stuhl hoch und schliff ihn mit aus dem Esszimmer.
Dabei war mir klar, dass mein Vater uns sicherlich durchschaut hatte und wir ihm später eine gute Erklärung schuldeten.

"Man, was machst du denn?" Wollte ich wissen, als wir mein Zimmer erreicht hatten.

"Ich werde Ihnen alles über mich und Liam erzählen. Sollen Sie mich doch raus werfen! Ich möchte sowieso lieber bei ihm wohnen als hier."

Ich sah ihn ungläubig an. "Das kann doch nicht dein Ernst sein."

"Doch, ist es!"

"Denkst du wirklich Vater setzt dich deswegen vor die Tür?" Eigentlich war ich mir um ehrlich zu sein selbst nicht sicher, ob er es machen würde oder nicht. Aber ich wollte ihm nun etwas positives zureden.

"Aber spätestens Diego wird es machen, wenn er nicht sogar schlimmeres mit mir anstellt."

"Wieso sprichst du denn immer so gemein von ihm? So schlimm ist er gar nicht mal. Du solltest dich bloß nicht dauernd mit ihm anlegen."
Ich konnte nicht verstehen wieso Ramon im Gegensatz zu mir es immer schaffte sich jeden zum Feind zu machen. Vielleicht lag es ja einfach an ihm und seiner Art und nicht an den anderen.

"Natürlich ist er schlimm. Ich mache oft ja nicht mal etwas. Er hasst mich einfach!" Schimpfte Ramon drauf los.

Ich seufzte, wusste aber nicht, was ich dazu noch sagen sollte.
"Ich brauche dich Ramon. Also streng dich bitte etwas mehr an." Wie sollte ich es auch schaffen neben der Schule alle Lager und Geschäfte alleine zu überprüfen. Aktuell teilte ich mir die Arbeit heimlich und selbst dann hatte ich noch immer genug zu tuen. Aber wozu war ich schließlich auch ein Zwilling?

"Du brauchst mich?" Ramon klang genervt von mir. "Für was, dass ich deine Arbeit übernehme und du den Lohn kassierst?"

Eigentlich traf er es somit ganz genau auf den Punkt. Aber das konnte ich ja schlecht zugeben.

"Hast du mittlerweile überhaupt den Täter, welcher die Lager angreift geschnappt?"

"Nein... noch nicht aber... siehst du, wie soll ich bloß alles alleine ohne dich schaffen?" Ich lächelte ihn unschuldig an, während Ramon mich mit einem sehr kritischen Blick musterte.

"Ich möchte Geld von dir bekommen!"

"Was?" Ich konnte es nicht glauben, verlangte mein eigener Bruder gerade tatsächlich Geld von mir? Für was denn bitte?!

"Du hast mich verstanden. Absofort möchte ich Geld, wenn ich deine Arbeit erledige. Immerhin bringe ich mich dadurch auch in Gefahr und Diego lauert mir dauernd auf, um mich fertig zu machen", argumentierte er sein Verhalten und mir schien nichts anderes übrig zu bleiben, als nach zugeben.

Höchst widerwillig kramte ich einen fünfzig Euroschein aus meinem Portmonee und hielt ihn ihm hin.
"Hier."

Gnadenlos riss Ramon das Geld an sich. "Sieh es als Anzahlung." Sagte er dabei und ging zur Zimmertür. "Wenn du mir heute Abend den Rücken beim Essen freihälst, gehe ich morgen freiwillig wieder zum Hauptlager." Mit den Worten verschwand er und ließ mich einfach so zurück.
Fiese Ratte!

Es war in der Tat schwierig die beiden Streithähne Ramon und Diego während dem Abendessen auseinander zu halten, damit sie sich nicht in Stücke rissen, aber ich hatte erfolgt.

~~~

Am nächsten Morgen war Samstag, weshalb ich wenigstens bis neun Uhr schlafen konnte, ehe ich aufstand und mich fertig machte. Als ich in die Küche ging begegnete ich meinem Vater.
"Guten Morgen." Ich schnappte mir eine Tasse und stellte sie unter die Kaffeemaschine. Dabei spürte ich, wie mein Vater sich dicht neben mich stellte und eine Hand auf meine Schulter legte. "Ich bin stolz auf dich mein Sohn. Wenigstens du kennst deine Pflichten." Lobte er mich und ein stolzes Gefühl machte sich in mir breit.

"Danke Vater." Ich sah ihn kurz an und beachtete dann wieder meinen Kaffe.

"Was ist nur mit deinem Bruder los? Wieso ist er so anders?"

Ich zuckte mit den Schultern und nahm einen Schluck von dem braunen Getränk zu mir. Langsam spürte ich wie die heiße Flüssigkeit sich ihren Weg meinen Hals entlang in den Magen bahnte.

Vater nickte, da ihm scheinbar klar war, das selbst wenn ich es wusste, ich es nicht Preis geben würde.
"Mach weiter so großer und pass etwas auf ihn auf." Er klopfte mir erneut auf die Schulter und verließ dann die Küche. 

Jetzt war ich alleine. Ich trank meinen Kaffee leer und verließ das Haus, in der Hoffnung, dass Ramon sich auch tatsächlich an unsere Abmachung hielt.
Ich machte mich gerade auf den Weg zu dem Lager, welches am südlichsten lag, als mein Handy vibriert.
Auch wenn man es eigentlich nicht machen sollte, warf ich einen kurzen Blick auf das Display.

'Komm sofort zu Lager 4'

Ohne lange zu zögern riss ich das Lenkrad rum und wendendete so schnell wie möglich das Autoauf der Straße. Dann raste ich in die andere Richtung.
Als ich das Lager erreichte, war bereits große Unruhe festzustellen. Viele unserer Mitarbeiter rannten wirr durch die Gegend und schleppten Kisten von A nach B. Ich schlengelte mich an ihnen vorbei und suchte jemanden, der mir endlich erklären konnte, was hier los war.

"Marcel!" Ein Mann mittleren Alters kam auf mich zugerannt. "Wir wurden letzte Nacht angegriffen."

Was?

Ich sah den Mann schockiert an. Das war nicht gut! Das war ganz und gar nicht gut! Nein, das war grauenhaft sogar! 
"Wurde etwas wichtiges entwedet?" Wollte ich wissen, während wir in die Lagerhalle eilten.

"Ja ein großer Teil der Wahre ist abhanden gekommen", gestand der Mann eher zögerlich, da er scheinbar befürchtet, ich würde ihm gleich den Kopf abreisen. Um ehrlich zu sein, war ich auch kurz davor.

Ich blieb schlagartig stehen und mein Blick fiel auf einen der Mitarbeiter, welcher mittig auf dem Boden lag. Es war nicht die Tatsache, dass er hier einfach so rumlag, welche mich beunruhigte, sondern viel mehr, wie er da lag!

Mafia TwinsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt