Als wir die Cafeteria erreichten, wartete Tim bereits am Eingang. "Und?" fragte er, doch grinste, als er die Unterlagen in meiner Hand sah. Bevor ich antworten konnte, zog er mich in eine Umarmung. Als er mich wieder los ließ, wedelte er mit dem Rollenheft vor meinem Gesicht herum. "Ich habe es auch geschafft! Lilli?" Sie schüttelte den Kopf und lächelte traurig. Als er sie ebenfalls in den Arm nahm, sagte sie "Guckt mich nicht so an. Ist schon okay. Ich trainiere für die nächste Aufführung." So ganz nahm ich ihr die Gelassenheit nicht ab.
„Was mache ich bloß die nächsten Wochen, wenn ihr zwei pausenlos trainiert?", fragte sie theatralisch, "Ahja stimmt, das gleiche wie die letzten Wochen, als ihr pausenlos trainiert habt". Sie hakte sich bei uns ein. "Mit wem tanzt du? Aus unserem Jahrgang ist es keiner oder?" fragte Tim, doch bevor ich antworten konnte grinste Lilli "Sie tanzt mit Mr. Perfekt" und machte einen Kussmund, bevor ich etwas sagen konnte. Tim sah verwirrt aus und Lilli lachte. „Sie tanzt mit Sebastian Thompson" sie streckte mir die Zunge raus. „Wow. Jackpot Ginny! Damit hast du die Hauptrolle so gut wie in der Tasche, ich wette Claire ist sauer". "Beschrei es nicht! Wer weiß, was noch alles passiert" und ich sollte recht behalten.
Die Cafeteria war gut besucht und Maria hatte hinter der Theke viel zu tun. Sie zeigte beiden Daumen hoch, als wir die Hefte vom Ende der langen Schlange in die Luft hielten.
Als wir an der Reihe waren, strahlte sie uns an „Congratulation! Picola, Tim"
Sie reichte uns jedem einen Teller. „Lilli?" „Ich habe es dies Mal nicht geschafft". „Das tut mir leid. Sei nicht traurig" sie reichte auch ihr einen Teller. „Danke Maria". Wir strahlten sie an. Tim und ich konnten kaum etwas essen, so aufgeregt waren wir. "Das ist ja nicht auszuhalten". Lilli beobachtete uns mit hochgezogenen Augenbrauen. „Essen. Jetzt" befahl sie. "Jawohl General" sagte Tim und wir mussten lachen. "Habt ihr die Erörterung für Englisch fertig?" fragte Lilli, als Ablenkung und vielleicht zur Beruhigung unserer Nerven. Was bei mir allerdings den gegenteiligen Effekt erzielte. "Mist. Englisch. Das habe ich total vergessen." "Ginny, du hattest zwei Wochen Zeit dafür" tadelte Tim mich. Er ist ein Einser Schüler, wie er das neben dem harten Training schafft, ist mir ein Rätsel."All die extra Trainingsstunden, ich habe es immer vor mir her geschoben. Darf ich bei euch abschreiben. Bitte, bitte" Tim sah mich streng über den Rand seiner Tasse an. Doch Lilli grinste "Klar, komm, wir holen es gleich" „Lilli! So lernt sie nie etwas, wenn du sie immer abschreiben lässt." „Immer?" ich griff mir theatralisch ans Herz. "Ich bin geschockt Mr. Anderson, wie viel Vertrauen Sie in meine Leistung haben" Lilli prustete los und auch Tim musste grinsen. „Nach dem Vortanzen möchte ich mehr Engagement für die Schule sehen Mrs. Williams" „Aye, aye" ich salutierte. Lilli kicherte immer noch und wir brachten unsere Teller zurück. Der größte Ansturm war vorbei und Maria kam hinterm Tresen hervor. „Ihr süßen" Sie umarmte Tim und mich. "Nimm es dir nicht zu Herzen. Du bist noch so jung, du bekommst noch deine Chance." sagte sie an Lilli gewandt und drückte auch sie kurz an sich „und ihr, strengt euch ordentlich an. Ich habe jetzt schon Karten für Paolo und mich vor reserviert" sie zwinkerte.
Ich liebe Maria.
Sie ist die Köchin der Academy und über die Jahre mit ihrer herzlichen Art und liebevollen Worten eine gute Freundin geworden (oder eher eine verrückte italienische Tante).
"Wollen wir?" fragte Lilli. "Geht schon mal vor, ich komme gleich nach", erwiderte ich und die beiden machten sich auf in Richtung Mädchenschlafsäle.
„Heute wieder?" fragte Maria mit hochgezogenen Augenbrauen. „Meine Füße sind tot!" jammerte ich. „Ich bin um 9 an deiner Tür Picola. Ich bin so stolz" sagte sie dann und umarmte mich noch einmal fest. "So, ich muss jetzt weiterarbeiten. Raus mit dir" scheuchte sie mich in Richtung Ausgang.Ich holte die beiden im Flur zu den Schlagsälen ein.
"Hier" Lilli reichte mir ein paar Minuten später ihre Hausaufgaben. "Aber gib dir dieses etwas mehr Mühe beim umschreiben, ich konnte Mrs. James letztes Mal gerade so überzeugen, dass wir nicht "zusammen" gearbeitet haben." "Danke Lilli! Versprochen. Du bist die Beste Freundin der Welt" Tim verdrehte die Augen. "Und du ein Blödmann!" ich streckte ihm die Zunge raus. "Dir auch eine gute Nacht" sagte er und ich verschwand fünf Türen weiter in meinem Zimmer. Lillis Text legte ich zunächst auf mein Bett. Dann Steckte ich den USB Stick in meinen Laptop. Nur ein kurzer Blick auf die Schritte, danach würde ich sofort mit Englisch anfangen, versprach ich Tim in meinem Kopf.Das Video begann mit einer einzelnen Tänzerin auf der großen Bühne. Sie war zart und blass. Ich erkannte die Tänzerin sofort. Es war Mum. Sie strahlte in die Kamera und begann. Ich war fasziniert von ihrer präzisen Technik und trotzdem wirkte es so leicht, so natürlich. Ich studierte jeden Schritt, jede Kopfbewegung, versuchte mir alles ganz genau einzuprägen. Ihre Präsenz ist beinahe greifbar. Sie tanzt alleine auf dieser riesigen Bühne mit nur einem Weihnachtsbaum im Hintergrund und füllt sie trotzdem voll aus.
Sie ist perfekt. Ich merkte zunächst nicht, wie sich Tränen in meinen Augen zu sammeln begannen, erst als sie mich verschwommen sehen ließen, wischte ich sie fort. Wie lange ist es her, dass ich Mum habe tanzen sah? Sechs Jahre? Ich hatte mich nicht getraut, fühlte mich nicht stark genug. Doch jetzt, nachdem ich sie gesehen hatte, fühlte ich mich besser. Sie zu sehen, gibt mir unheimlich Kraft und mein Traum, mein Versprechen wirkt näher als je zuvor. Ich werde es schaffen Mum. Ich konnte nicht aufhören sie tanzen zu sehen. Es gab mir das Gefühl, sie bei mir zu haben. Ich spürte ihre Nähe.
Um 9 klopfte es an meiner Zimmertür. Ich klappte den Laptop zu und öffnete. Maria reichte mir einen Eimer randvoll mit Eiswürfeln „vielen Dank Maria! Du bist meine Rettung". „Gerne Picola, du siehst müde aus. Mach nicht mehr zu lange." „Versprochen". "Schlaf gut". „Bis morgen". Ich nahm Lillis Hausaufgaben, stellte den Eimer unter den Schreibtisch, zog Hausschuhe und Socken aus und ließ beide Füße in das Eis gleiten. Ah. Das tat so gut. Nach einiger Zeit trocknete ich meine Füße. Zu den unzähligen Blasen und roten Druckstellen ist eine große Blase am rechten Fuß dazu gekommen. Autsch. Morgen müssten eigentlich meine neuen Schuhe da sein. Nachdem ich meine Füße mit der täglichen Routine versorgt hatte, wand ich mich wieder den Englischhausaufgaben zu.
* * *
Diese Wärme. Ich fühle mich so geborgen und diese Melodie. So vertraut.
Meine rosa Strickdecke ist fest um mich gewickelt, liege ich in meinem Bett. "Guck mal Ginny" Mum sitzt neben mir "Papa ist fertig geworden" Sie deutete auf die Wand. „Das ist eine Ballerina, genau wie du Mami" „Wie ich früher, Liebes". "Ich möchte genauso werden wie du Mami! Das verspreche ich dir!" „Du meine Süße wirst die Welt verzaubern. Mit deiner Freude, deiner Neugier und deinem großen Herzen". Sie stupste mit ihrem Finger auf meine Nase. "Was war deine erste Rolle Mami?" „Clara" „Die mit den Ratten?" „Mäuse Süße. Wenn du Lust hast, kannst du morgen mit mir zum Ballett kommen. Und jetzt" Sie lächelte. „Nein Mami, ich bin noch gar nicht müde" „Auch zukünftige Prima Ballerinen müssen schlafen" dann begann sie wieder diese süße Melodie zu summen.
Ihre Stimme ist wirklich schön.***
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Yeah Teil 2 ist veröffentlicht (:
In diesem Teil erfährt man zum ersten Mal richtig etwas über Ginny's Vergangenheit und warum sie so besessen ist, diese Rolle zu bekommen...

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Wie das Leben tanzt
JugendliteraturAlles, was die 16 jährige Ginny von ihrem Leben wollte ist tanzen. Tanzen an der London Academy, wie ihre Mutter. Doch nach einem Anruf ihres Vaters ändert sich ihr Leben schlagartig. Sie soll mit ihm zusammen bei seiner neuen Freundin und deren kl...