Wie das Leben tanzt

Teil 14

Kapitel 8

Während die Ouvertüre  aus der Nussknacker aus meinen Kopfhörern erklang, änderte sich nach und nach die Landschaft draußen. Neonlichter, Hochhäuser und Ampeln wurden zu grünen Wiesen und Wäldern.

Ich öffnete das Fenster und atmete die frische, saubere Luft tief ein.
„Du wirst sie sehr mögen. Emily kennst du ja schon, ihre kleine Tochter Lily ist sehr lebhaft. Früher wolltest du immer eine kleine Schwester erinnerst du dich? Und Jared ist ziemlich ruhig und zurückhaltend aber ein lieber Kerl. Sie freuen sich alle schon sehr auf dich. Lily wollte heute extra für dich ihr schönstes Kleid anziehen."

„Aha, wer weiß wie lange ich Happy Familie mitspielen kann". „Ginny" rügte er mich. „Was denn, du zerrst mich aus meinem Leben und jetzt erwartest du das ich"
„Ich möchte mich nicht streiten" unterbrach Dad mich, „deine Mutter und ich haben dich zu Güte und Liebe erzogen. Du bist sauer und kannst es jetzt grade nicht verstehen aber gib uns eine Chance Ginny. Bitte, ich weiß, dass du ein liebevoller und einsichtiger Mensch bist. Diese Menschen sind mir sehr wichtig, deshalb bitte ich dich, sei nett."
Ich verdrehte die Augen „Jaha".
"Danke" er lächelte vergnügt.

Als wir von der Landstraße ab und am Ortseingangsschild vorbei fuhren, begann es in meinem Bauch zu kribbeln. Nervös biss ich auf meiner Unterlippe herum. Warum war ich so aufgeregt?

„Na, erinnerst du dich noch, da hinten ist der kleine Park und da deine alte Ballettschule" er zeigte auf ein altes, weißes Haus."Und da ist der kleine Laden, Wow, den gibt es immer noch, steht Mrs.Thunder immer noch hinter der Theke?"

„Jeden Tag. Seit der alte Dave tot ist hat sie den Neffen von Mrs. Brighton als Hilfe eingestellt."
„Noah?"
„Nein seinen Bruder, Jeff glaube ich, hast du nicht damals für ihn" doch ehe er etwas peinliches sagen konnte, rief ich „es hat sich nichts verändert seit dem ich das letzte Mal hier war". Das letzte Mal ist schon 5 Jahre her. In den Ferien hatte Dad mich zu Beginn abgeholt und wir waren immer irgendwo hingefahren. Nie jedoch wieder hier her.

Wir fuhren an dem Reitstall vorbei, in dem alle Mädchen meiner Klasse geritten sind, vorbei an dem großen Denkmal aus Stein, das einen Soldatem auf einem Pferd zeigte.

Als Dad den Blinker setzte und in unsere Straße einbog, bekam ich auf einmal Schluckauf. „Nanu, bist du so aufgeregt?" fragte Dad und grinste mir spitzbübisch zu. Ich konnte nichts erwidern, denn in diesem Moment fuhr er auf die Kiesauffahrt, die zu unserem kleinen Cottage führt.

Es sieht natürlich auch genauso aus wie früher. Der weiße Backstein war vielleicht ein wenig grauer als ich es in Erinnerung hatte und das graue Reetdach hatte ganz leicht Moos angesetzt. Aber die großen Fenster wirkten wie Türen zu einer anderen Welt, eine Welt der Erinnerungen.

Ich wusste noch nicht, ob ich diese Welt betreten konnte. Dad schien es nicht zu bemerken, er holte die Koffer aus dem Kofferraum und nahm sie mit zum Haus. Da ging die Tür auf und ein kleines Mädchen mit goldblonden Locken lief ihm entgegen. Das ist bestimmt Emily's Tochter Lily.

Er ließ die Koffer los, hob sie hoch und wirbelte sie im Kreis. Das Mädchen kicherte und kreischte vor Glück. Mein Herz krampfte sich zusammen. Wie lange ist es her, dass mein Dad mich so herum gewirbelt hat. Eine junge Frau erschien in der Tür. Emily. Dad umarmte sie, immer noch mit dem Mädchen auf dem Arm. Sie küsste ihn zärtlich. Sie wirkten so glücklich und unbeschwert.

Ich fühlte mich jetzt schon wie ein Störkörper. Dann drehten sie sich zu mir um.
"Ginny kommst du?"
Ich schluckte, nahm meinen Rucksack und die Reisetasche und näherte mich der kleinen Familie.
Dad ließ das Mädchen runter. Sie trug wirklich ein hellblaues Kleid mit Schmetterlingsärmeln.
"Hallo Ginny, schön, dich wieder zu sehen" Emily ist etwas größer als ich. Ihre schwarzen Haare, glatt und Schulter lang, sind so ganz anders als die des kleines Mädchens. Sie hat ein schönes Gesicht und runde blaue Augen. Ihr Lächeln ist warm und irgendwie ansteckend.