Teil 5

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"Wollen wir nachher noch mal die Französisch Vokabeln durchgehen?" fragte Tim, als wir nach dem Essen zusammen im Gemeinschaftsraum saßen. "Du hast doch schon gelernt?" Tim sah mich streng an. „Ja Papa" ich streckte ihm die Zunge raus. Natürlich hatte ich bis jetzt nur die Vokabeln abgeschrieben und seit dem nicht wieder in der Hand gehabt. Ich habe schließlich mit dem Tanzen genug zu tun. "Ich muss heute Abend noch mal an meinen Fouettés arbeiten. Ich habe den Saal für zwei Stunden nachher. Also, was haltet ihr von 9?"

„Übertreibst du es nicht vielleicht etwas? Es ist grade einmal fast eine Woche um, du hast noch eine ganze und so wie ich das sehe, hast du wahrscheinlich noch nicht mit Französisch angefangen." Ich hasste es, wenn er mich wie ein Kind behandelt. "Doch angefangen habe ich schon" „Ginny, Vokabeln abschreiben zählt nicht" sagte er streng. „Du hast doch am Wochenende keine Probe mit Prince Charming oder?" fragst Lilli, Ich überhörte das "Prince Charming" und nickte. „Nimm dir da doch Zeit für dein Solo"

Sie hat recht. Meine Zeitplanung ist katastrophal. "Du hast recht" seufzte ich. "Super" Lilli strahlte und klatschte in die Hände. "Ich hole mein Heft". Als sie weg war drehte ich mich zu Tim um „hör auf so zu tun als sei ich ein kleines Kind! Nur weil du ein Jahr älter bist, musst du mir nicht immer sagen, was ich tun soll!" Er war unbeeindruckt von meinem kleinen Wutausbruch und zog eine Augenbraue hoch. "Ginny, wir kennen uns seit du elf bist. Wenn ich nicht aufpasse, dass du deine Hausaufgaben machst, würdest du in allen Fächern durchfallen, oder verhungern, denn ans Essen muss ich dich auch oft genug erinnern." Ich verschränkte die Arme vor der Brust und benahm mich wirklich wie ein bockiges Kind. Er berührte sanft meine Schulter. "Sei nicht sauer. Ginny ich habe auch Schwächen, guck dir meine Füße an, ich müsste diese zwei Stunden eigentlich nutzen um meine Fußgelenke zu trainieren!"

Ich musste unwillkürlich grinsen. "Du bist so fokussiert auf dieses Ballett, dass du die Schule seid Monaten total vernachlässigst. Im Unterricht kritzelst du irgendwelche Schritte aufs Papier anstatt aufzupassen und Hausaufgaben ignorierst du". Ich biss mir auf die Unterlippe. "Ich muss die Clara tanzen in diesem Jahr". „Aber du kannst nicht alles andere vergessen. Lilli und mich, die Schule deine zerschundenen Füße." Ich schluckte und löste meine verschränkten Arme. Dann zog er mich zu sich und schlang seine Arme um mich. "Danke" murmelte ich. Ich fühlte mich verstanden und getröstet, obwohl er mir Vorwürfe gemacht hatte. Tim ist wirklich mein bester Freund. "He ihr zwei, ist etwas passiert?" ertönte Lillis Stimme hinter uns. Ich befreite mich sanft aus Tims Armen und umarmte Lilli. "Ihr zwei seid der einzige Grund, warum ich nicht total besessen bin" Ich lachte kurz auf und wischte die Träne fort, die sich heraus gestohlen hatte. Ich hatte bis jetzt gar nicht gemerkt, was für ein Druck auf mir lastete. „Dazu sind Freunde doch da" sagte Lilli und Strich mir eine verirrte kleine Strähne hinters Ohr. "Okay, heute Abend nur Französisch."

Kapitel 5

„Schreibt bitte den Satz noch zu Ende und legt die Klausur umgedreht vor euch hin" rief Madame Morie am Donnerstag morgen. Die Klausur ist gar nicht mal so schwer gewesen, das habe ich Tim und Lilli zu verdanken, wobei ich einiges auch durchs Ballett herleiten konnte. Während sie unsere Arbeiten einsammelte, begann ich meine Füße unterm Tisch zu massieren. Als unsere Französischlehrerin den Klassenraum verließ, rief hinter mir jemand: „Es stinkt, pack deine Füße wieder ein" Es war Parker zwei Tische hinter mir. Vereinzelndes Gelächter kam von allen Seiten, doch ich ignorierte es. Bevor ich nachher die Ballettschuhe anziehe, muss ich noch Faden durch die große Blase am Zeh legen. „Na, hast du Fuß Aua?" Ich zuckte vor Schreck leicht zusammen, Parker stand direkt hinter mir.
„Ehrlich gesagt" , sagte ich und zog die Socke meines linken Fußes aus „tun meine Füße wirklich ziemlich weh." Ich streckte ihm meinen Fuß hin.

Er wich erschrocken zurück.
"Scheiße, wie kannst du da überhaupt drauf laufen?" für einen kurzen Moment erschien so etwas wie Bewunderung in seinem Gesicht. Doch dann setzte er wieder sein Grinsen auf.
„Ich glaube unsere Ginny steht auf Schmerzen". Er trat wieder näher an mich heran.
"In der engen Sporthose neulich sahst du richtig sexy aus" er versuchte einen Arm um mich zu legen, doch ich stieß ihn unsanft weg. "Worauf stehst du denn noch so? Vielleicht kann ich dich ja" er brach mitten im Satz ab, als Tim ihn grob an der Schulter packte und ihn von mir zog. „Es reicht jetzt" sagte er mit Autorität in der Stimme. Tim ist fast einen Kopf größer als Parker.

Der winkte lässig ab „als ob ich das ernst gemeint hätte" lachte er und ging zu seiner Clique zurück. „Alles okay" Besorgnis schwang in Tims Stimme." Ja, alles gut. Er ist ein Idiot aber er tut mir leid, weil er immer so cool tun muss" erwiderte ich.

In diesem Moment betrat Mr. Stevens die Klasse und das Gemurmel verstummte. Er nickte uns nur zu und begann nach einem knappen "Morgen" damit, komplizierte Formeln an die Tafel zu kritzeln.

Ich hasse Mathe, es ergibt für mich einfach keinen Sinn. Da ich kaum Zeit zum Lernen habe und es in den anderen Fächern auch nicht so viel muss, kommt Mathe bei mir einfach immer zu kurz. Zum Glück blieb mir die Scham oft erspart, an die Tafel zu müssen. Ich ging im Kopf noch einmal die Schritte meines Solos durch, morgen würde ich an den Fouettés üben, vielleicht hat Sebastian auch...

"Bitte bringen Sie mir jetzt den Matheplan nach vorne" unterbrach Mr. Stevens meine Gedanken. Scheiße. Ich brachte ihm meinen angefangenen Plan zähneknirschend nach vorne. Ausgerechnet mein Plan lag ganz oben und er sah sofort, dass ich nur die ersten drei Aufgaben bearbeitet hatte. "Mrs. Williams" ich war fast an meinem Platz angekommen. Langsam drehte ich mich nach vorne. „Ich habe gerade so viel zu tun, die Französischklausur heute und dann Bio nächste Woche. Wir haben in einer Woche das Vortanzen für" „Verschonen Sie mich mit Ihren Ausreden" unterbrach er mich forsch. ,,Setzen" befahl er.
Uah. Wie böse er guckte.

"Ich interessiere mich nicht für diese Ausreden von euch verwöhnten Tänzern. Schule ist Ihr Job. Sie kommt an erster Stelle!" Sein Ton hatte die Grenze zur Unhöflichkeit haarscharf überschritten, „Morgen in der ersten Stunde möchte ich den fertigen Plan unaufgefordert auf meinem Schreibtisch liegen haben oder ich lasse Sie in Mathe durchfallen". Es herrschte Stille in der Klasse und selbst Parker und Niels sahen etwas erschrocken aus. "Es wird Zeit, dass Sie den Ernst des Lebens verstehen! Und das ist keine glitzer-funkel-Ballettwelt, es ist ein hartes, ungerechtes Leben" er sah mich durchdringend an. Ich nickte, zu perplex um ihn zu korrigieren, dass die Ballettwelt alles andere als glitzer-funkel ist. Er verließ noch vor dem Klingeln den Klassenraum.

„Mr. Stevens muss ganz dringend flach gelegt werden" sagte Parker laut und die ganze Klasse kicherte. Meine Mundwinkel zuckten leicht. Wann soll ich das denn bitte machen?! Ich verstehe es ja nicht mal. Doch Tim sagte nur „Wann fangen wir an?" "Ich habe gleich Contemporary und danach von fünf bis sieben Training mit Sebastian" "Okay, dann treffen wir uns danach in der Mensa?" "Danke!" „Ja, ist ja schon gut" ich drückte ihm einen Kuss auf die Wange, der ausnahmsweise von niemandem kommentiert wurde. Ich muss mir für Tim etwas einfallen lassen und nach dem Vortanzen oder spätestens nach der Aufführung werde ich Mathe pauken müssen.

Wie das Leben tanzt Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt