Kapitel 12

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May pov. 

Oh man. Ein weiterer nervenaufreibender Tag welcher noch viel zu jung ist. Als wäre gestern Abend nicht schon genug gewesen. Als aller erstes verlasse ich den Wald und gehe zu June. Mal sehen wie ihr es geht. 

Allerdings scheint es ihr besser zu gehen, als ich dachte, denn als ich unsere Wohnung betrete, höre ich Musik. Ich folge ihr und finde June im Wohnzimmer am lernen. "Hey" "Hi", antwortet mir June und legt ihr Mathebuch weg. "Wollen wir reden?", fragt sie mich. "Ja." Daraufhin folgt Stille. Doch auf einmal sagen wir gleichzeitig: "Es tut mir leid. Wieso dir? Nein, mir tut es leid.", wir brechen in ein lautes Lachen aus. Ich setze mich neben sie und sage: "June, es tut mir leid, dass ich dir verbieten wollte dich mit Jackson zu treffen. Es ist deine Entscheidung und das hab ich auch Jackson vorhin gesagt, als ich ihm zufällig begegnet bin.". June lächelt mich an und runzelte anschließend die Stirn: "Ihr seit euch begegnet?". "Ja, lange Geschichte, ist jetzt auch egal." "Okay. Ähm ich wollte mich auch entschuldigen. Ich hätte dir vorhin die Worte nicht so an den Kopf schmeißen sollen. Ich weiß, dass du dir Mühe gibst, mir ein normales Leben zu ermöglichen und das war einfach nur undankbar von mir.", sagt June und sieht betreten zu Boden. Ich hebe ihr Kinn an und sage: "Schon okay, ich weiß, dass du das nicht wolltest." "Was machen wir jetzt?" "Du lernst weiter für deine Prüfungen und ich werde nochmal losgehen, auf der Suche nach einem neuen Job." Junes Augen weiten sich. Ach ja, da war ja was. "Du hast deinen Job verloren? Wieso sagst du das nicht eher. Deshalb wolltest du gestern auch so zeitig gehen.", stottert June. "Jup, ebenfalls lange Geschichte. Ich erzähle es dir später. Jetzt muss ich erstmal sehen, dass wir nicht auf der Straße landen." Meine Schwester starrt ins Leere. Das macht sie immer, wenn sie sich Sorgen macht. "June, ich finde schon was. Konzentrier dich auf deine Prüfungen!", fordere ich sie tadelnd auf.  "Okay, hab dich lieb." Ich bin schon auf dem Weg nach draußen, als ich über die Schulter Blicke und rufe: "Ich dich auch.". Mal sehen, ob ich so schnell etwas finde.

Gegen Abend kehre ich wieder zurück. Natürlich habe ich nirgendwo etwas bekommen. Wie auch. Ich hab weder einen Abschluss, noch irgendetwas ausgelernt oder Arbeitsnachweise. Ich kann ja schlecht im Stripclub anrufen und nach einem Arbeitszeugnis fragen. Kein einziger Bäcker, Einzelhandel, weder eine Reinigungsfirma wollte mich anstellen. Als Barkeeperin kann ich mich ebenfalls nicht bewerben. Es ist schon nicht gut von Marie rausgeschmissen zu werden, da sie connections in allen Richtungen hat, noch schlimmer ist es aber, wenn sie sauer auf Einen ist, denn dann verbaut sie dir jegliche Chance irgendwie einen Job zu bekommen. Die einzigen die mich noch wollen ist der Stripclub von Jaden, in dem ich mal gearbeitet habe. Er ist ein totaler schmieriger Sack. 

Ich hatte als ich 18 wurde, bei ihm angefangen, kurz nachdem unsere Eltern gestorben sind. Zuvor war ich kurzzeitig Kellnerin, was allerdings nur ein Ferienjob war. Es war die selbe Situation wie jetzt. Ich hatte kein Job, die Miete musste gezahlt werden und wir hatten Hunger. Und irgendwann bin ich dann zu ihm gegangen. Ich kannte ihn von früher. Ich war mit seinem Bruder Aiden in einer Klasse. Ich verstand mich diesem gut und über ihn lernte ich dann seinen Bruder Jaden kennen. Er hatte damals schon immer Andeutungen gemacht, ich solle bei ihm anfangen, was eher als schmierige Anmache gedacht war, aber irgendwann bin ich dann zu ihm. Am Anfang war er nett. Er hat mich erst immer nur Kellnern lassen, dann wurde er immer fordernder. Zu Beginn wollte er, dass ich an der Stange tanze, was ich noch verstanden habe. Immerhin tanzten alle anderen Kellnerinnen auch und es war eigentlich nur eine Frage der Zeit. Ausgestiegen bin ich schlussendlich als er von mir verlangte in eines der Zimmer zu gehen. Es war schwierig von ihm loszukommen, allerdings schaffte ich es mithilfe von Marie.

Ich seufze und betrete die Wohnung. Komisch ich höre Männerstimmen. Ist der Fernseher an? Ich betrete das Wohnzimmer und was sehe ich June auf Jackson Schoß und Hunter die mich mit riesen Hundewelpenaugen ansieht. "Einfach ignorieren May, einfach ignorieren.", murmle ich vor mich hin, während ich mir an den Nasenrücken fasse und in die Küche gehe.

Ich sehe in den Kühlschrank. Naja viel ist nicht mehr da. "Soll ich uns vielleicht etwas bestellen?", erklingt direkt neben mir eine unglaublich tiefe Stimme, welche mir sofort eine Gänsehaut beschert. Allerdings schwingt in ihr auch ein zögernder Ton mit, als ob versucht, mir möglichst nicht auf den Schlips zu treten. Ich drehe mich um und blicke in unglaublich stechend blaue Augen. Wir sehen uns einen Moment an, als würden wir uns zum ersten Mal erst sehen. Es ist intensiv und überwältigend. Es macht mir Angst, dass er bereits so von mir schon Besitz genommen hat, also wende ich meinen Blick ab. "Äh, ich ... ich kann auch nochmal losgehen und was zu essen holen.", bringe ich stotternd raus und ärgere mich darüber, dass ich es viel zu leise gesagt habe. Aber anscheinend hat er es gehört, denn er sagt mit fester Stimme: "Es ist schon spät und du solltest in dieser Gegend nicht nachts alleine draußen rumlaufen.". Ich schnaube: "Dir ist schon klar, dass ich in einer Bar gearbeitet hab und ich immer nachts in solchen Gegenden unterwegs war.". Sein Blick verdunkelt sich und er sagt schnippisch: "Dann ist es ja gut, dass du dort nicht mehr arbeitest." Jetzt verdunkelt sich mein Blick. Ich stürme an ihm vorbei in den Flur. Ich suche mir eine Jacke und werfe sie mir über. Plötzlich wird mir total schwindelig. Doch bevor ich gegen die nächste Wand knalle fangen mich zwei starke Arme auf. Seine definierte Brust drückt sich gegen meinen Rücken. An meinem Ohr spricht er ernst und bedacht: "May, wann hast du das letzte Mal etwas gegessen?". Meine Beine sacken weiter weg und ich nuschle: "Keine Ahnung, gestern Mittag.". Ich höre ein unzufriedenes Brummen. Auf einmal werde ich hoch gehoben. "Und wann hast du das letzte Mal etwas getrunken?" "Gestern Abend, eine Cuba Libre." Hunter spannt sich immer weiter an. "Du kannst mich runter lassen. Es geht schon wieder.", sage ich schwach. "Dir geht es nicht gut.", entgegnet mir Hunter schroff. "May?!", ertönt ein spitzer Schrei. June. "June, hol für May ein Glas Wasser.", sagt Hunter. Er legt mich auf unser Sofa und kniet sich neben mich. Er streicht mir über den Kopf und sagt: "Was machst du nur May.". Ich bekomme am ganzen Körper Gänsehaut. es ist schon lange her, dass sich jemand so um mich gesorgt hat. Er redet kurz mit Jackson und dreht sich dann wieder mir zu. June war mittlerweile mit einem Glas Wasser zurück. Hunter hilft mir beim aufsetzen und und gibt mir das Glas, welches er June abgenommen hat, lässt es jedoch nicht los. Ich trinke gierig und und lasse das Glas wieder los, als ich es komplett ausgetrunken habe. Hunter stellt es auf den Couchtisch und dreht sich wieder mir zu. Er drückt mich mit den Schultern nach unten, damit ich wieder eine liegende Position einnehme. Er lehnt sich zum mir runter, gibt mir einen Kuss auf die Stirn und raunt mir zu: "Mach die Augen zu. Ruh dich aus. Ich bin bei dir.". Ausnahmsweise höre ich auf ihm und schließe meine Augen. Wenig später schlafe ich dann auch ein.

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Im Bild oben ist Hunter zu sehen. 

The wicked freedomWo Geschichten leben. Entdecke jetzt