Ein neues Bein

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Er legte seinen Hut neben mich auf den Nachttisch und trat in den Nebenraum, der mich an eine kleine Küche erinnerte. "Ich besorge uns etwas zu Essen. Sei bitte leise. Ich kümmere mich um dich." Verständnisvoll und dankend bejahte ich und piepste eingeschüchtert durch sein von Anfang an bedrohliches Aussehen: "Mein Name ist übrigens (Y/N)." "Sehr erfreut. Ich gehe dann jetzt."
Eine Sache störte much jedoch an ihm: Woher wusste er, dass Rose meine Nichte war? Es hätte doch auch Ethans Freundin gewesen sein können. Komisch.

Fragend ließ er mich zurück. Stunden vergingen, die ich schlafend verbrachte. Schlagartig riss mich mein schmerzendes Bein aus dem Schlaf und ließ mich hochschrecken. Neben dem Bett stand eine kleine, mopsige Kreatur, die mich schief anlächelte und mit seiner Patschehand auf meinem Verband klopfte. Regungslos blickte ich ihn gegenüber und musterte die Knochenkrone auf seinem Haupt. Die Kreatur trug einen langen, dunkelblauen Mantel und sagte: "Hier, ich hab was für dich und dein Bein." Überraschender Weise legte er mir einen noch lebendigen Fisch auf die Bettdecke, der alles nass machte. Überfordert mit der Situation bedankte ich mich für den Fisch und stotterte: "M...Mein Name ist (Y/N) und du bist...?" "Ich bin Moreau, Lord Moreau und bin insgeheim Karls Bruder", kicherte die Kreatur und verschwand ins Nebenzimmer. Auf meiner Bettdecke zappelte der Karpfen und weichte meinen Verband unter der Decke völlig auf. Einige Zeit kam der hutlose Mann zurück und sah sich alles an. Sofort wusste er, dass Moreau bereits hier war und sah, wie mein Blut das Bett rot färbte. "So ein Dummkopf! Nie hört er auf deine Anweisungen! Ich sollte ihm..." Er atmete tief durch. Prompt packte er den Fisch, warf ihn zur Seite in eine Zinnwanne voll Wasser und deckte mich auf. Schnaufend wie ein Pferd galoppierte er in die Küche und holte Verbandsmittel. Sorgsam versorgte er meine Wunde und redete dabei mit mir: "Mein Bruder ist schon ne Nummer. Was hat er nur mit den Fischen? Ich weiß nicht! Und warum bin ich der Geplagte! Richtig! Weil ich sein Bruder bin. Schande über diese Familie!" "Ich weiß, dass definitiv nicht alles gut ist aber möchtest du mit mir darüber reden" schlug ich vor uns wurde sofort böse angeschaut. Sein Blick lichtete sich und er antwortete: "Gerne. Aber du solltest dich wirklich noch etwas ausruhen... Wie konnte er überhaupt hier rein kommen?" "Ich habe keinen blassen Schimmer, aber immerhin hab ich ein Begrüßungsgeschenk bekommen." Er schmunzelte. "Ja, er macht allen dieses Geschenk. Mir hat er dieses Geschenk in der Dusche gegeben und ist danach hüpfend wie ein kleines Schulmädchen abgehauen. Das war ein Tag", erzählte er lachend und reichte mir seine Hand: "Ich bin übrigens Karl. Entschuldige meine Handlung von vorhin. Ich war wohl nicht ich selbst." "Das macht nichts. Ich danke dir dafür, dass du dich so um mich kümmerst." Eine Minute lang sahen wir uns nur an und sprachen kein Wort. Die Augen, die durch seine Sonnenbrille schienen, machten mich neugierig und gaben mir dennoch das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Karl erhob sich und brach den Augenkontakt ab. Stolpernd brachte er den Verbandskasten in die Küche und holte etwas zu Essen. "Es ist nicht viel, aber meine Schwester Donna hat es gemacht. Sie ist eine außergewöhliche Köchin", prahlte er und rümpfte die Nase. Zögerlich nahm Karl seinen Hut, setzte ihn auf und stellte einen Teller mit Steak und Kartoffeln neben mich auf den Nachttisch. Kurz darauf setzte er sich auf einen Stuhl und zündete ein Feuer im daneben liegenden Kamin an.

Die ganze Zeit über beobachtete er mich aus dieser Entfernung, bis ich erneut eingeschlafen war. Er zeichnete in einem kleinen Buch und schaute dabei immer wieder zu mir. Kaum hatte ich aufgegessen, bedankte ich mich nochmals und schlief ein.

Langsam erwachte ich aus meinem tiefen Schlaf und streckte mich. Mein Blick wanderte vom leeren Teller neben dem Bett, bis hin zum ebenfalls leeren Stuhl neben dem Kamin. Ich setzte mich auf und griff nach dem Besen, der einem Meter von mir entfernt war. Geschickt drehte ich die Borsten nach oben und stützte mich auf mein Bein und den Besen. Humpelnd kroch ich zur Küche, wo niemand war und so fragte ich mich, wo Karl steckte. Bemüht schaute ich in zwei weitere Gänge. Der Linke war breit und hell erleuchtete, während der Rechte sehr schmal und dunkel war. Schwer atmend entschied ich mich für den linken Gang und hüpfte auf einem Bein bis zum Ende, wo sich eine Leiter befand. Stark und mutig stellte ich den Besen beiseite und kletterte die Leiter empor. Oben war eine Luke, die ich öffnete. Ich starrte in einen dunklen Raum und war neugierig zu wissen, was sich darin befindet. Plötzlich packte etwas meinen Fuß und zerrte mich in die Tiefe zurück. Es war Karl, der mich bei den Schultern packte und mich leise anschnauzte: "Sag mal, spinnst du?! Du kannst nicht einfach so abhauen. Du musst tun, was ich dir sage!" Der letzte Satz war drohend und kaum misszuverstehen. "Ich bringe dich jetzt wieder ins Bett und da bleibst du! Haben wir uns verstanden?!" Eingeschüchtert nickte ich und wurde Huckepack zurück zum Bett gebracht. Wütend deckte er mich zu und setzte sich wieder mit dem Büchlein auf den Stuhl. Stumm blickte er zu mir hinüber mit einem Blick, der mich töten könnte. Immer wieder versuchte er sich selbst zu beruhigen, bis es endlich klappte. "Weißt du (Y/N), ich habe etwas für dich gemacht. Du musst mir aber versprechen endlich auf das zu hören, was ich dir sage. Verstanden?" Zustimmend nickte ich und sah, wie er aus dem Raum ging. "Ich bin gleich wieder da... Bleib... Hier..." Sein Befehl war eher an einen Hund gerichtet, statt an mich, doch ich gehorchte und blieb im Bett liegen. Nun, da der Besen eh weg war, konnte ich sowieso nirgends mehr hin.

Bald darauf kam Karl mit einem Tuch zurück, worin etwas eingewickelt zu sein schien. Als er es auspackte, entpuppte es sich als eine Beinprothese, die er an mein Bein legte. "Das müsste passen." Mit den Augen nahm er Maß und legte es an mein kaputtes Knie. Darüber streifte er ein Leintuch und stülpte die Prothese darüber. Mit einem Hüftgurt befestigte er alles und zog alles stramm. "Gut, jetzt warten wir eine Woche, bis die Verletzung einigermaßen geheilt ist und dann kannst du dein neues Bein auch schon ausprobieren", verkündete Karl glücklich und rieb sich die Hände.

Wenig später hatte er Karten geholt und brachte mir das Pokern bei. Dabei setzten wir fürs erste nichts, bis er meinte, dass ich soweit sei. "Du lernst schnell. Das ist gut. Wenn du in dem Tempo weiter lernst, kannst du die Casinos in Las Vegas und Monte Carlo abziehen", komplimentierte er mich und fragte aus heiterem Himmel: "Du bist so ein hübsches Mädchen. Warum bist du eigentlich alleine hierher nach Rumänien gekommen? Wollte dein Freund etwa nicht mit?" "Oh, ich habe keinen Freund. Schon seit Monaten nicht mehr. Er hat mich für meine Mom sitzen gelassen." "Was!?", fragte er ungläubig, "für deine Mutter. Was ist das denn für einer?" "Jemand, der über mich an so eine "Klassefrau" wie meine Mutter wollte. Er war sowieso älter als ich, aber ich dachte, dass es bei der Liebe nicht um das Alter geht." "Das stimmt auch. Wenn du volljährig bist, kannst du mit jedem zusammen sein, der dich glücklich macht. Aber das mit deinem Freund tut mir sehr Leid für dich", tröstete er mich und legte seine Hand auf meine Schulter. Sanft strich er darüber und lächelte eigenartig nett. "Hast du Durst? Ich gehe mal schnell in die Küche und hole etwas Wasser für dich."

Wieso hatte er abrupt die Konversation beendet?

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