Treu geblieben

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Geschlagen erzählte ich alles, was ich wusste: "Lady Dimitrescu hat mir gesagt, dass du meine Fährigkeiten für dich alleine nutzen willst und dass du mich eigentlich gar nicht mögen würdest, wenn ich nicht etwas Besonderes wäre..." "...Aber du bist doch etwas Besonderes! Ich habe keine Ahnung, wovon meine Schwester da labert, doch ich bin hier, um dir bei der Suche deiner Familie zu helfen, bevor die dumme Kuh deinen Bruder noch frisst", unterbrach mich Karl und streckte mir nochmals seine Hand hin.

Überzeugt von der Wahrheit nahm ich seine Hand und wurde von ihm auf die Beine gezogen. Nichts desto trotz war ich noch recht skeptisch und folgte ihm eher unauffällig. An Karls Gesichtsaussdruck konnte ich sehen, dass etwas nicht stimmte und stockte. Misstrauisch rollte er mit den Augen von einer zur anderen Seite und flüsterte: "Sei ganz still. Meine Schwester ist in der Nähe. Ich kann sie hören..." Mein Herz setzte aus. Eine weitere Konfrontation mit ihr würde ich nicht überleben und so presste ich meine Hand auf den Mund. Sekunden später schlossen sich alle Ausgänge. Selbst der Luftschacht wurde durch ein massives Holzgitter versperrt, wodurch Heisenberg verwundert und sauer da stand. Unglaublicher Weise konnte ich in diesem Moment eine Angst aus seiner Richtung wahrnehmen, die ich zuvor noch nicht erlebt hatte. Karl rannte zum rechten Ausgang und richtete seine Hände auf das Tor. Mit aller Kraft probierte er das Gitter zu bewegen, aber es nützte nichts. "Es hat keinen Zweck", murmelte er, während er kraftlos auf einer Erhöhung Platz nahm, "meine Schwester hat an alles gedacht! Nicht einmal eiseren Schrauben haben die Bauer für das Holzgitter benutzt! Das ist doch zum Kotzen!" "Wir finden schon einen anderen Ausgang", munterte ich ihn auf und klopfte ihm auf die Schulter. Zornig schlug Heisenberg mein Hand beiseite und trat an mir vorbei. Von seiner Wut gesteuert ergriff er mit seiner metallenen Macht die Reste des stählernen Käfigs und schleuderte sie gegen die hölzernen Tore. Nichts geschah! Verzweifelt ließ er sich erneut auf der bewachsenen Erhöhung nieder und begann damit ein Lied vor sich her zu summen. Vertraute Töne schwebten in meine Richtung und ließen mich in eine Trance versinken...

"Wir werden angegriffen!", warnte eine mir bekannte Stimme eines Mannes, "nimm das Kind und kümmere dich darum!" "Aber... Was ist mit dir? Ich werde dich nicht zurück lassen! Der dunkle Engel wird dich umbringen!", antwortete eine eher weibliche Stimme und trat auf den Mann zu. Beide umarmten einander und ich sah, wie mich die Frau auf den Arm nahm. Daraufhin flüsterte er: "Unsere Tochter und du sollen außer Gefahr sein. Geh und bringt euch in Sicherheit. Ich lenke Mutter Miranda ab." Explosionen und lauter anderer Krach verschwammen ineinander und erinnerten an einen Krieg. Dann drang die Stimme des Engels durch den Krawall: "Das Kind ist meines! Gebt es mir!" Eins folgte auf das nächste und ich fiel auf den Boden. Neben mir das leblose Gesicht meiner Mutter und über mir die Fratze des dunklen Engels. Dieser nahm mich auf und verabreichte mir eine Chemikalie. "Ab jetzt gehörst du zu meinen Grafen, (Y/N). Du wirst mein neues Gefäß werden. Doch nicht jetzt. Erst wenn es soweit ist..."

Währenddessen sang ich unbewusst zum Summen von Karl und bewegte rhythmisch meinen Kopf im Takt.

"Woher kennst du das Lied?", fragte er neugierig und zog eine Augenbraue nach oben, "das ist ein Volkslied hier." "Mmm... Ich weiß nicht... Die Bilder vor meinen Augen haben gerade gar keinen Sinn ergeben. Aber es muss aus meiner Kindheit gewesen sein", erläuterte ich gestresst und versuchte mich zurück zu erinnern. Schläfen reibend lehnte ich mich mit geschlossenen Augen an die gegenüber liegende Wand und bemerkte einen warmen Atemzug in meinem Gesicht. Keine drei Zentimeter stand Karl entfernt und löcherte wie blöd: "An was hast du dich erinnert? Woher kennst du den Song und wie kann es sein, dass du dich genau an deine Kindheitstage zurück besinnst?" "Ich habe keine Ahnung, Karl! Ich weiß lediglich, dass ich gerade Mutter Miranda gesehen habe und dass das, was Lady D mir erzählt hat, gestimmt hat. Damals wurde mir tatsächlich eine Chemikalie iniziert", belegte ich und sah ihn an. Aufdringlicher drückte er mich gegen die Wand und lispelte in mein Ohr: "Ja, ich weiß. Ich muss dir etwas Gestehen: Als ich dich aufgepäppelt habe, war mein eigentiches Ziel dich zu meiner eigenen Waffe zu machen und ja, da hatte Alcina Recht, doch dann hast du mir mehr deiner wahren Gestalt gezeigt und so war ich gezwungen eine Entscheidung zu fällen. Deine Augen hatten es mir angetan. Genauso wie die Schönheit deines Charakters. Einen Moment lang habe ich sogar daran gedacht, dich gegen deinen Willen hier fest zu halten. Aber du sollst hier nicht genauso enden wie ich. Deshalb werde ich mein Versprechen einlösen und alles dafür tun, dich zu deinem Bruder zu bringen." Fassungslos hörte ich ihm zu und verstand nicht ganz. Karl strich über meine Wange und kam mir immer näher, bis sich unsere Lippen sachte berührten. Kurz darauf unterbrach er seine Aktion und schaute nervös auf. "Wir müssen hier raus oder Mutter Miranda wird sich dir mächtig werden." Hilflos ließ er mich stehen und schnappte sich aus den langreihigen Pflanzenkübeln Granulat, das er weit verstreut gegen die Wände warf. Plötzlich entdeckte Karl einen Hohlraum und ließ fix ein spitzes Stück des Käfig herbeifliegen. "Geh zur Seite, Honey!" Ein Knall ertönte und er brach durch die Wand. Dahinter befand sich ein tiefer, dunkler Gang. Gehetzt packte er mich und trug mich im Brautstil, wie damals, durch den Tunnel. Auf dem Boden lag eine angekokelte, alte Fakel, die Heisenberg aufhob, mir in die Hand drückte und mit seinem Feuerzeug anzündete. Schnell schob er es zurück in seine Hosentasche und trabte geschwitzt durch die unterirrdischen Gänge. Dabei achtete ich nur auf seine Augen, die unter der Sonnenbrille hervor blitzten. Also fand er meine Augen genauso interessant, wie ich seine fand. An einer Abzweigung hielt Karl an, ließ mich herunter und schnüffelte wie ein alter Jagdhund in der Luft. "Es geht hier entlang nach draußen!" Sofort folgte ich ihm. Eine ganze Weile später sahen wir endlich das Ende des Tunnels und jubelten vor Freude: "Na endlich! Jetzt wird es aber auch Zeit!" Lächelnd hielt Karl an und zwinkerte mir charmant zu. "Du bist echt ein Idiot", spaßte ich grinsend, schubste ihn leicht zur Seite und sprintete ihm vorweg. Er mir hinterher, bis wir am Ende ankamen. Instabile Bretter versperrten uns den Weg, die kein Hindernis für Karl waren. Er trat sie ein und reichte mir seine Hand. Schmunzelnd errötete ich und nahm sie. Meine Finger umschlossen die seine und Heisenberg grinste erneut. "Was guckst du denn so doof?", feixte ich erneut und konnte gar nicht glauben, dass ich nochmal in meinem Leben so viel Spaß mit dem Lord haben konnte. Gekonnt umfasste er mit seiner anderen Hand meine Taille und zog mich näher an sich heran. Ohne ein weiteres Wort küsste er mich und setzte mir nebenbei seinen Hut auf. Danach zwinkerte Karl mir abermals zu und streckte mir schelmisch die Zunge raus. Ich tat es ihm gleich und boxte ihm leicht auf die Schulter. Auf einmal bemerkte ich, wo wir waren. Eine Windmühle ragte vor uns in die Höhe und Karl meinte: "Darin ist deine Familie eingesperrt. Jetzt, da ich meinen Teil erfüllt habe, ist es höchste Zeit deinen Teil zu erfüllen." Entgeistert fragte ich: "Und das wäre...?" "Ethan und Rose retten", antwortete Heisenberg und griente mir zu. Zusammen betraten wir die herunter gekommende Mühle und suchten nach den beiden. Der Wind pfiff durch die ganzen Ritze und Spalte und verpasste mir eine Gänshaut. Auf einmal hörten wir das Plätschern von Wasser und Karl raunte leise: "Bleib hinter mir, Honey. Das ist mein Bruder." Geduckt schlich er um die nächste Ecke und erblickte Salvatore im Wasser des angränzenden Sees. Er tauchte in seiner mutierten Version umher und schien uns nicht zu bemerken. Was ich jedoch bemerkte, war Ethan, der auf der anderen Seite der Bootsanlegestelle an einem Balken angekettet war. "Sieh doch!", murmelte ich und zeigte hinüber, "da ist mein Bruder!" Mutig sagte er mir, dass ich hier warten solle und so ging er los, um Ethan loszumachen. Heisenberg sprengte mit einer Handbewegung die Ketten und hielt ihm den Mund zu. "Mach keinen Mucks. Ich bin hier, um dich zu befreien und dich zu deiner Schwester zu bringen, Winters", zischte Karl ihm ins Ohr und nickte zu mir. Schlagartig brach unter mir das Holz weg und ich stürzte ins kühle Nass. Wellen schwappten über mich, wodurch ich es schwer hatte zu atmen. "(Y/N)", rief Ethan und rannte zum Loch. Er fiel auf die Knie und streckte seine Hand ins Wasser, um nach mir zu greifen. Doch Lord Moreau packte sich mein Bein und zerrte mich auf den Grund des Sees. Immer weiter zog er mich durchs trübe Wasser, bis er auf der anderen Seite des Sees wieder auftauchte. Mit einer Zigarette in der Hand warteten dort bereits Lady Dimitrescu und ihre Töchter auf mich. Mein letztes Stündchen hatte geschlagen.

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