Angriff der Werwölfe

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"Das stimmt auch. Wenn du volljährig bist, kannst du mit jedem zusammen sein, der dich glücklich macht. Aber das mit deinem Freund tut mir sehr Leid für dich", tröstete er mich und legte seine Hand auf meine Schulter. Sanft strich er darüber und lächelte eigenartig nett. "...Hast du Durst...? Ich gehe mal schnell in die Küche und hole etwas Wasser für dich."

Wieso hatte er abrupt die Konversation beendet?

Eine ganze Woche kümmerte sich Karl um mein Bein und verarztete es immer wieder, bis er an einem von mir vermuteten Donnerstag zu mir ans Bett trat und fragte: "Guten Morgen, Honey. Bist du bereit dein neues Bein heute auszuprobieren? Ich habe noch ein bisschen daran herumgeschraubt. Es müsste jetzt besser funktionieren, als vorgestern."

(Vorgestern ist es durch einen fehlerhaften Mechanismus in Brand geraten und verletzte Karls Hand. Das Feuer hatte seine Haare versenkt und seine Haut verbrannt.)

Nervös nickte ich und lehnte mich ins Kissen zurück. Daraufhin umwickelte er meinen Oberschenkel mit dem Schutzverband und stülpte das metallene Bein darüber. Mit einem Schraubendreher kontrollierte er die letzten Einstellungen und bat mit Schweißperlen auf der Stirn: "Versuche nun es zu bewegen." Langsam winkelte ich mein linkes Bein an und war begeistert von der Technik, die Karl verwendete. Ohne ein weiteres Wort setzte ich mich auf die Bettkante und probierte aufzustehen. Lächelnd griff er mir unter die Arme und half mir dabei. Mein gesamtes Körpergewicht war auf mein rechtes Bein gestützt. Leicht ängstlich verlagerte ich nun einen Teil des Gewichts auf mein neues Bein und stürzte zu Boden. Zum Glück fing Karl mich auf und lachte ausgegieben. Danach spaßte er: "Pass doch auf, Kleines. Das ist hochwertiges Edelmetal." Auch ich schmunzelte und versuchte ein weiteres Mal. Achtsam verfolgte Karl jeden meinen Schritte und half mir zur anderen Seite des Raumes zu kommen. "Das machst du sehr gut, Honey." "Wenn du mich Honey nennst, dann wird dein Spitzname bei mir Jam sein", entgegnete ich kichernd und schaute in sein verdutztes Gesicht. Kurz sammelte er sich, richtete seine Sonnenbrille und fragte mit verwirrter Miene: "Jam? Warum denn Marmelade? Wo erinnere ich dich an Gelee?" "Naja, du bist süß", platzte es aus mir heraus. Verlegen drehte ich mich von ihm weg und versteckte meine Röte. Dann setzte ich meinen Satz fort: "Und außerdem passt Marmelade gut zu Honig." Sanft zog er mein Kinn zu sich und lächelte freundlich. Sein rechter Mundwinkel verzog sich zu einem breiten Schmunzeln und sagte: "Ja, du hast Recht. Das passt gut zusammen und um ehrlich zu sein könnte ich deine Hilfe in meiner Fabrik gebrauchen. Vorausgesetzt, dass du das auch willst... Honey." Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich nickte heftig. Unüberlegt umarmte ich meinen neu gewonnenen Freund und blickte nach oben in sein Gesicht. Zaghaft nahm er die Sonnebrille ab und gewährte mir einen Blick in seine wunderschönen, ruhigen Augen. Grüngelbe Diamanten blitzten mich an und ließen mich tief in seine Seele schauen. Ein weiter, wilder Ozean aus dunkelblauem Wasser tobte in seinem Inneren und ich drohte darin zu ertrinken. Kaum jemand würde es sich wagen dieses Meer zu besegeln.

Ein Heulen war aus der Ferne zu hören. Es kam aus den Gängen, die wir einst durchquert hatten. Erschrocken wandte sich Karl um und unterbrach den Augenkontakt. "Oh nein...", murmelte er besorgt. Mit einer noch nie zuvor gesehenen Angst im Gesicht zerrte er mich in die Küche und befahl: "Lauf den Tunnel so schnell es geht bis zur Fabrik!" "Und was ist mit dir?", entgegnete ich aus Angst um ihn. Die Werwölfe kamen immer näher und kratzten bereits am Eisenschrank. "Das war ein Befehl und nun geh!", brach es aus Karl heraus, "ich halte sie auf!" Hals über Kopf stürzte ich in den Gang, der zur Fabrik führte und drehte mich nicht um. Trotzdem machte ich mir viele Sorgen. Hinter mir hörte ich wie der Eisenschrank zur Seite geschleudert wurde und die Werwölfe Karl angriffen. "Kommt nur her, ihr Mistkerle!", brüllte er und die Meute hetzte auf ihn. Keuchend stolperte ich in die Fabrik und blieb schwer atmend auf dem Boden liegen. Krampfend setzte ich mich auf und hielt mein Bein vor Schmerz. Ich spürte wie sich die Nähte öffneten und das Blut den Stützverband tränkte. *klick* Ich öffnete die Verschlüsse des Hüftgurtes und entledigte mich der Prothese. Es war nicht viel Blut, was nachlief. Dennoch schmerzte es sehr. Nachdem ich es provisorisch mit etwas gefundenen Stoff verbunden hatte, lauschte ich in den tiefen, dunklen Gang hinein und wurde Zeugin einer durchdringenden Stille. Selbstbewusst rappelte ich mich auf und schaute mir die Fabrik meines Freundes an. Fließbänder durchzogen in alle erdenklichen Himmelsrichtungen das große Gebäude. An einigen Stellen sah ich Metallschrott und andere stählerne Dinge, wie Eisenstangen oder aufgerollte Kupferdrähte. Plötzlich donnerte es heftig und erschreckte mich sehr, sodass ich auf einem Bein in die Höhe sprang. Kurz nachdem ich mich wieder beruhigt hatte, schlich ich durch die Transportbandreihen und suchte nach einer Schaltzentrale oder etwas Ähnlichen, wo ich mich vor den Werwölfen verstecken und nebenbei auf Karl warten konnte. Von überall dröhnten Maschinengeräusche, die mich in irgend einer Weise neugierig machten und wie aus Zauberhand von alleine arbeiteten. Zumindest vermutete ich das. 

Ettliche Minuten vergingen und nun regnete es auch. Starkregen peitschte heftig auf das mit Wellblech verstärkte Dach und ließ mich frösteln. Jetzt war es schon knapp eine Stunde her, seitdem ich von Karl getrennt war und ich bekam Bedenken. Sollte ich zurück in den Tunnel gehen? Nein, ich gehorchte dem Herren und suchte weiter brav nach der Hauptzentrale. Von einer zur nächsten Sekunden erhellten Blitze die ohnehin düstere Fabrik und gaben mir die Chance genauere Umrisse in der Ferne der Halle zu entdecken. Doch was ich sah, verpasste mir eine Gänsehaut. "Ich könnte schwören, dass ich da hinten gerade ein Tier auf vier Beinen gesehen habe", murmelte ich zu mir selbst und schüttelte den Kopf. Nochmals schaute ich in die Richtng wartete einen Moment auf den lichtenden Blitz. Aber es war weg. "Möglicherweise ist es ein Werwolf, der nach mir sucht oder es ist der, der mich damals zu dieser Gräueltat gezwungen hat!" Angst machte sich in mir breit. Auf keinen Fall wollte ich mein anderen Bein auch noch verlieren und so humpelte ich mit schnellster Geschwindigkeit in die andere Richtung und versuchte dem Biest zu entkommen. Die Werwölfe schienen von allen Seiten zu kommen, denn auch hier sah ich die Schatten der Bestien. Schwer argwöhnisch fiel ich zurück und landete auf meinem Hintern. Rote, glühende Augen starrten mich an. Die Silhouette des Monsters trat bedrohlich auch mich zu und entpuppte sich als etwas vollkommen anderes. Es war ein Pferd! Ein Hengst aus Stahl und Zahnrädern stand schnaupend vor mir und senkte seinen Kopf zu mir hinab. Seine gewaltigen Hufe scharrten auf dem Betonboden und machten mich sehr nervös.

Es lockerte die Situation auch nicht auf, dass das Pferd die Zähne fletschte und wie in hungriger Hund knurrte

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Es lockerte die Situation auch nicht auf, dass das Pferd die Zähne fletschte und wie in hungriger Hund knurrte. Ängstlich verdeckte ich mein Gesicht mit meinen Händen und wartete auf das jähe Ende. Zaghaft schnupperte der Hengst an meinem kaputten Bein und schien wie ausgetauscht zu sein. Sofort beruhigte er sich und hielt sein Haupt in meine Richtung. Jetzt bemerkte ich ein goldenes Zahnrad auf der Stirn des Pferdes, das wunderschön glänzte. Sanft strich ich über die metallene Haut des Tiers und fragte, in der Hoffnung, dass es antworten könnte: "Bist du Karls Pferd? Hat er dich gebaut?" Selbstverständlich gab mir der zutrauliche Hengst keine Antwort. Und so erhob ich mich und suchte nach ein wenig Metall. Das Pferd bewegte sich keinen Zentimeter von der Stelle und wartete folgsam auf mich. Zurück kam ich mit ein paar Muttern in der Hand und hielt sie ihm hin. In nullkommanichts verschlang er die Metallstücke und rieb seinen Kopf an mir. Er wollte mehr davon und so suchte ich mit ihm.

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