Kapitel 1

195 6 2
                                    

Es war der letzte Tag bevor die Sommerferien offiziell anfingen. Gelangweilt saß ich in meinem Zimmer herum und starrte aus dem Fenster. Der Regen fiel unaufhörlich auf den Asphalt und es sah so aus als würde die Welt hinter dem durchsichtigen Glas unter gehen. 'Verdammt! Wenn der Regen nicht bald aufhört gehen diese Sommerferien garantiert als die langweiligsten Ferien aller Zeiten in das Guinesbuch der Rekorde ein!', dachte ich frustriert und griff nach meinem Kopfkissen, um es aus Frust in irgendeine Ecke zu katapultieren. "Feli, das Essen ist fertig!", rief mich mein Vater unten aus der Küche.

"Jaaa ich komme ja schon!",antwortete ich und machte mich schlecht gelaunt auf den Weg ins Speisezimmer. "Warum schaust du denn drein wie Zehn Tage Regenwetter?",fragte er, während er mir eine Portion Kartoffelpüree auf den Teller schaufelte. Versteht mich bitte nicht falsch. Ich liebte meinen Vater über alles, jedoch hatte er leider ein Talent dafür im richtigen Moment das absolut falsche zu sagen. Genervt verdrehte ich die Augen. "Das ist es ja eben, es hört einfach nicht mehr auf zu regnen!",entgegnete ich gereizt und ließ mich missmutig auf meinen Stuhl fallen.

"Verstehe, aber du bist doch nicht aus Zucker, oder etwa doch?",witzelte er, was meine miese Laune nur noch verschlimmerte. "Ne das nicht, aber durch den ganzen Regen ist der Boden total aufgeweicht und man kann unmöglich Fußball spielen.", erklärte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. "Außerdem ist es langweilig wenn man niemanden hat mit dem man kicken kann..", fügte ich leise murmelnd hinzu. "He Kopf hoch, du findest sicher schnell neue Freunde mit denen du spielen kannst.",versuchte mein Vater mich aufzumuntern und schenkte mir ein warmes Lächeln.

"Hat ja bis jetzt super funktioniert.",gab ich schnippisch zurück und stocherte mit meiner Gabel in meinem Gemüse herum. "Warum mussten wir überhaupt hierher ziehen?",fragte ich und sah meinen Vater klagend an. Er schwieg für eine kurze Weile, bevor er zu einer Antwort ansetzte. "Du weißt das deine Mutter hier ihre ganze Kindheit verbracht hat und ich dachte du.. wir würden uns ihr hier vielleicht ein wenig näher fühlen, nachdem sie..",versuchte er mir zu erklären, brach jedoch mitten im Satz ab. Ein beklemmendes Gefühl übekam mich.


Meine Mutter war vor ein paar Monaten an Krebs gestorben und mein Vater und ich waren allein zurück geblieben. Doch anstatt in Trauer zu versinken hatte mein Vater beschlossen das wir unser altes Zuhause aufgeben und nach Grünwald ziehen sollten, den Ort an dem meine Mutter geboren und zudem auch beerdigt worden war. Der Nachteil daran war jedoch gewesen das ich all meine Freunde und auch meinen heiß geliebten Fußballplatz zurücklassen musste.

Hier hatte ich nichts davon, keine Freunde, keinen Bolzplatz, keinen Spaß, nichts, nada, niente. Aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Ich war für immer und ewig in dieser trostlosen Hölle gefangen, aus der ich keinerlei Ausweg sah. Noch nicht. "Tut mir leid, das ist kein Thema für den Esstisch..", entschuldigte sich mein Vater, da er wohl gemerkt haben musste wie rapide die Stimmung im Raum gekippt war. "Schon okay, das Essen riecht wirklich köstlich.",sagte ich schnell und zwang mich meinem Vater zur liebe dazu ein Lächeln aufzusetzen.

Nachdem meine Mutter verstorben war hatte mein Vater alles dafür getan damit es mir gut ging und hatte seine eigenen Gefühle und Probleme hinten angestellt, wofür ich ihm natürlich sehr dankbar war. Jedoch hatte es mir ebenso ein schlechtes Gewissen eingebracht, da ich trotz den Bemühungen meines Vaters sah wie schwer er wegen ihrem Tod litt. Wenn er dachte ich würde bereits schlafen konnte ich manchmal hören wie er spät abends unten in der Küche saß und leise wimmernd weinte.

So saßen wir also beide stillschweigend da und aßen unser Abendessen. "Ich bin dann mal wieder oben!", teilte ich meinem Vater mit und rannte schnell die Treppen hinauf, bevor er mich dazu verdonnern konnte den Tisch abzuräumen und das schmutzige Geschirr abzuwaschen. "OK, gute Nacht und schlaf schön.", wünschte er mir, gefolgt von einem tiefen Seufzen. Irgendwann würde ich mich vielleicht dazu erbarmen den Abwasch Dienst zu übernehmen, aber dieser Tag war definitiv nicht heute.

In meinem Zimmer angekommen schmiss ich mich erneut aufs Bett und ging meiner alten Beschäftigung nach. Nach kurzer Zeit wurden meine Augen jedoch schwer und ich versank müde im Land der Träume. Ein heftiger Donner riss mich plötzlich aus dem Schlaf. Warte, das war kein Donner gewesen. Dieses Geräusch kannte ich nur zu gut. Ich würde es immer und überall wiedererkennen. Das war der Klang eines Fußballes, der mit voller Wucht gegen eine Wand geschossen wurde. "Heiliger Bimbam!", rief ich erschrocken und gleichzeitig aufgeregt aus. Wie von einer Wespe gestochen eilte ich zum Fenster und öffnete es. Da schon wieder! Und wieder und wieder.

Anscheinend hatte jemand beschlossen dem schlechten Wetter den Kampf anzusagen und es mit den gewaltigsten Donnerschüssen, die ein Mensch auf diesem Planeten jemals gehört hatte zu verjagen. Wie ich dieses Geräusch vermisst hatte. Aufmerksam spitzte ich die Ohren und lauschte der wilden Sinfonie an Fußballschüssen, welche abgefeuerten Kanonenkugeln gehörig Konkurrenz machten. Ich schloss die Augen und genoss das donnernde Spektakel, dass sich quasi direkt vor meiner Haustür abspielte.

Der Fußballgott hatte es wohl doch gut mit mir gemeint. Das Feuer, das in meiner Brust allein für diesen Ballsport brannte und seit einer ganzen Weile langsam zu erlischen schien war in dieser Nacht wieder neu entfacht worden und ich wusste das sich die Lösung für all meine Probleme direkt vor meiner Nase befand. Ich musste nur losrennen und sie finden. Und genau das würde ich tun sobald der nächste Morgen heranbrechen würde.

DWK - Die mit dem Feuer spielt Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt