Kapitel 13

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Trübsal blasend saß ich auf einem Hocker im Badezimmer und ließ mich von meiner Großmutter schminken. Ja ihr habt richtig gehört. Ohne Zetern, ohne die Beherrschung zu verlieren und dieser Frau, die ich auf den Tod nicht ausstehen konnte Beleidigungen an den Kopf zu werfen, nach denen ich mir garantiert den Mund mit Seife auswaschen musste und ohne mich auf sonst irgendeine Art und Weise dagegen zu wehren. Ich saß einfach nur ruhig da und ließ es über mich ergehen.

Es war eh schon alles verloren, was brachte es mir da schon mir das Leben noch schwerer zu machen als es ohnehin schon war. Die wilden Kerle gab es nicht mehr und mit ihnen hatten sich meine Träume, eines Tages eine Profi Fußballerin zu werden, in Luft aufgelöst.

"Lass dich mal ansehen kleines.",trällerte meine Oma vergnügt und war voll in ihrem Element. Sie zupfte mir noch das Kleid zurecht und ließ dann von mir ab. Mit leerem Blick stand ich auf und drehte mich einmal im Kreis, damit sie mich einmal von allen Seiten betrachten konnte. Es fühlte sich so demütigend an, als sei ich irgendein Tier im Zoo das irgendwelche Kunststücke aufführen musste. "Jetzt guck doch mal ein wenig freundlicher.

Du solltest dich freuen, heute ist schließlich dein großer Tag.",sagte Oma Elli und zeichnte mit ihren Zeigefingern einen lächelnden Smiley in die Luft. Ich seufzte, tat aber was sie sagte. "Na siehst du geht doch. War das jetzt so schwer? Komm jetzt, sonst sind wir zu spät beim Gottesdienst!",meinte sie bestimmt und zog mich am Handgelenk hinter sich her. Unmotiviert trottete ich hinter ihr her und hoffte das mich niemand in diesem Aufzug sah. "Alles in Ordnung mein Schatz?",fragte mich mein Vater, die Sorge in seinen Augen war deutlich sichtbar.

Ich nickte nur und zwang mich zu einem Lächeln. "Du siehst schick aus.",meinte er und zwinkerte mir aufmunternd zu. Doch auch damit schaffte er es nicht wirklich meine Stmmung zu verbessern. Der Weg bis zur örtlichen Kirche dauerte gerade einmal zehn Minuten von unserem Haus aus betrachtet.

Als wir dort angekommen waren atmete ich erleichtert auf, da wir niemandem begegnet waren den ich kannte. Wenigstens eine gute Sache die den heutigen Tag ein bisschen erträglicher machte. Den gesamten Gottesdienst über konnte ich mich jedoch kaum auf das Wesentliche konzentrieren, da meine Gedanken die ganze Zeit zu den Kerlen und dem Teufelstopf abschweiften.

Ohne eine Mannschaft gab es kein Match und ohne ein Match hatten die unbesiegbaren Sieger kampflos gewonnen. Wenn wir also nicht bald etwas unternahmen wäre das beste Stadion auf der Welt für immer verloren.

Futschikato und weg! Das durfte einfach nicht passieren. Aber alleine konnte ich nun auch wieder nichts dagegen ausrichten und vor allem nicht in diesem Fummel. Ich erkannte mich selbst ja kaum wieder und das gefiel mir ganz uns gar nicht. Nur hatte die kürzlich stattgefundene Auseinandersetzung mit dem dicken Michi und seiner Gang mir meine ganze Energie ausgesaugt und meinen sonst so hitzköpfig lodernden Kampfgeist im Keim erstickt.

Im Moment fühlte ich mich einfach nur schwach und ausgelaugt. Nachdem ich die Zeremonie überstanden hatte war eigentlich geplant gewesen das wir zu dritt in ein schickes Restaurant gingen und dort gemeinsam zu Mittag aßen, doch mein Vater hatte anscheinend andere Pläne. Geheimnistuerisch grinste er mich die ganze Zeit über an und führte meine Oma und mich zurück in die Richtung, in der unser Haus lag. Ein wenig verwirrt sah ich ihn an, folgte ihm jedoch von der Neugier getrieben.

Vor unserer Haustür angekommen legte er mir mit den Worten "Ich habe da zur Feier des Tages eine kleine Überraschung für dich.",einen Schal als Augenbinde um den Kopf, damit ich nicht sah wo wir hingingen. Behutsam führte er mich durch den Eingang und gefühlt durch das halbe Gebäude. "Tada! Überraschung!",rief er enthusiastisch und nahm mir die Binde wieder ab.

Doch anstatt mich vor Freude halb zu überschlagen blieb ich, mit vor Schreck geweiteten Augen, wie angewurzelt stehen, da mir bei seiner so genannten Überraschung das blut in den Adern gefror. "Ist alles in Ordnung Feli? Freust du dich denn etwa nicht deine Freunde zu sehen? Ich dachte mir ich lade sie für dich ein, damit ihr den Tag zusammen verbringen und gemeinsam spielen und Spaß haben könnt.",erklärte er mir und schaute mich, sichtlich verwundert über meine weniger erfreute Reaktion, an.

"Wer ist Feli? Ich dachte dein Name wär Felix?",kam schon die erste verwirrte Frage von Marlon, der neben seinem Bruder in unserem Vorgarten stand. Mein Hals wurde urplötzlich staubtrocken und meine Zunge schien komischerweise an meinem Gaumen kleben zu bleiben, was es für mich unmöglich machte auch nur einen Pieps herauszubringen. "Und was hast du da eigentlich an?",fragte Leon mit einem angewiderten Gesichtsausdruck.

"Also entweder hat Felix ne Zwillingsschwester von der wir nix wissen, oder er is in Wirklichkeit n' Mädchen!",gab Markus nun belustigt grinsend von sich. Ich befand mich immer noch in meiner Schockstarre und war unfähig mich zu bewegen. Das war gerade einfach zu viel für mich.

"Felicitas Pferdeknecht! könntest du uns Bitte mal aufklären worüber diese Kinder da sprechen? Und warum zur Hölle nennen die dich alle Felix?",beteiligte sich meine Oma nun auch an der Konversation und machte die Situation damit noch unangenehmer für mich als sie es ohnehin schon war. Jetzt war es raus. Mein Geheimnis war somit gelüftet, die Lüge aufgedeckt. 'Herzlichen Glückwunsch Feli, du hast es diesesmal geschafft es so richtig zu vermasseln!',beglückwünschte ich mich selbst für dieses grandiose Schlamassel, in das ich mich selbst hineingeritten hatte.

Mir wurde auf einmal unglaublich heiß, obwohl es heute eigentlich relativ bewölkt war und die Sonne sich bis jetzt noch nicht wirklich gezeigt hatte. Alle Blicke lagen abwarten auf mir, jedoch war ich immer noch wie versteinert und zu perplex um etwas zu sagen. "Du hast uns angelogen?..",kam es nun leise fragend von Joscka. Seine Stimme klang so enttäuscht, dass es mir unendlich leid tat das ich ihnen die ganze Zeit über etwas vorgegaukelt hatte.

"Wir haben dir vertraut..",der enttäuschte Blick von Fabi war kaum auszuhalten. Beschämt sah ich zu Boden. Der Tag hatte schon so mies angefangen und noch schlimmer hatte er gerade geendet. Nun hatte ich auch noch meine einzigen Freunde in dieser Stadt verloren und war wieder ganz alleine. Dieser Gedanke trieb mir Tränen in die Augen und ich begann leise zu schluchzen. 'Shit hör auf zu flennen!',versuchte ich meine Fassung zu wahren, versagte jedoch kläglich.

"Seht doch, jetzt heult sie auch noch rum!",merkte Juli kichernd an. Ich konnte das gehässige Grinsen auf ihren Gesichtern buchstäblich auf mir spüren. "Was für ein Mädchen!",meinte Jojo, als sei dieses Wort eine Beleidigung. Das war es auch, zumindest für mich. In diesem Moment war es die schlimmste Beleidigung, die ich in meinem gesamten Dasein als Menschliches Wesen auf diesem Planeten gehört hatte.

Überfordert und gekränkt drängte ich mich an meinem Vater vorbei und rannte, so schnell wie ich vermutlich noch nie zuvor gerannt war, aus dem Haus und die Straße hinunter. "Feli! Komm zurück!",hörte ich noch wie mein Vater mir hinterher rief, doch ich dachte nicht im Traum daran stehen zu bleiben. Meine Lungen begannen bereits von der Anstrenngung zu brennen, jedoch ignorierte ich auch das und wurde erst langsamer als ich mein Ziel erreicht hatte.

Ich lief durch das Eingangstor des Friedhofs von Grünwald und kam schließlich vor dem Grab meiner Mutter zum Stehen. Es war ein sehr schönes Grab, mit vielen Blumen und einem Herzförmigen Grabstein, an den sich ein Engel aus Stein schmiegte. Ida Maria Pferdeknecht - In Gedenken an die wunderbarste Ehefrau und Mutter auf der Welt war in wunderschönen verschnörkelten Buchstaben auf den Stein gemeißelt.

Darunter das Datum an dem meine Mutter geboren wurde und daneben der Tag an dem sie gestorben war. Wie ein Häufchen Elend kauerte ich mich neben den Stein und vergrub das Gesicht in meinen Händen. Nun rannen mir die Tränen unaufhaltsam über die Wangen und durchnässten das schneeweiße Kleid, das ich trug.

'Warum bist du nicht mehr da? Ich vermisse dich so sehr Mama..',dachte ich schluchzend und mein Weinen wurde nur noch heftiger als zuvor. Glücklicherweise war nie viel los auf der Ruhestätte, weswegen ich meinem Kummer ungestört freien Lauf lassen konnte.

Plötzlich hörte ich wie, durch den mit Kies bestreuten Weg, knirschende Schritte immer näher auf mich zukamen. Erschrocken hob ich den Kopf. "Hey Feli..",grüßte mich derjenige mit einem schwachen Lächeln. "Was machst du hier Raban?",stellte ich meinem Verfolger mit heiserer Stimme, wegen dem ganzen Weinen, die Frage.

DWK - Die mit dem Feuer spielt Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt