Die Geschichte, wie Ben und Jonas sich kennenlernten, begann in einem kleinen Sexshop ausgerechnet im Hafengebiet von Münster, einer Stadt, die nicht gerade für solche Läden oder gar eine besonders ausgeprägte Gay Community berühmt ist. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Der Laden befand sich in einer kleinen Gasse und im Grunde war er ziemlich unauffällig. Man musste schon von ihm wissen, um dorthin zu finden. Dann war er an einer bunten Lichterkette rund um das kleine Schaufenster mit seiner höchst interessanten Auslage zu erkennen. Warum Ben dort arbeitete, hatte hauptsächlich damit zu tun, dass er als Student einen Nebenjob brauchte, der nah bei seiner WG lag und der ihm auch die Gelegenheit gab, etwas für die Uni zu lernen, wenn nicht viel los war. Besonders nachmittags saß er oft hinter dem Tresen, las ein Buch, und in aller Regel waren die Kunden ganz zufrieden, wenn er sie diverse Spielzeuge und deren Gebrauchsanweisung hinten auf der Verpackung einfach in Ruhe begutachten ließ. Nur hin und wieder ergab sich eine Frage wie etwa, ob die Batterien dabei waren oder nicht. Auch kam es vor, dass er den interessierten Kunden kurz zeigte, wo sie Dildos oder Handschellen mit rosa Plüsch in den Regalen finden konnten. Für den blonden Studenten hätte es auch ein normalerer Spielzeug- oder Bioladen getan, aber dann wäre er Jonas nicht begegnet.
Zum ersten Mal fiel ihm der große Kerl auf, als er hereinkam und fragte, ob er eine Werbepostkarte vorn am Eingang zu den anderen hängen dürfte. Dort gab es eine Pinnwand für unterschiedlichste Prospekte und Flyer, auf denen Clubs, Musiker oder auch Veranstaltungen aller Art angepriesen wurden. Also sagte Ben, dass es in Ordnung sei. Für so etwas brauchte er den Besitzer des Adams Apfel nicht extra anzurufen. Der stattliche Mann mit der Frage erregte seine Aufmerksamkeit sofort. Mindestens die. Ben beobachtete ihn genau, während jener nach einem freien Plätzchen und einer Heftzwecke suchte. „Hier, nimm die", bot er schließlich an und ging zu dem Typen, um ihm eine hinzuhalten. Er war ungefähr einen halben Kopf größer als Ben selbst, der sich mit eins achtundsiebzig auch nicht eben klein fand und verdammt attraktiv. Er steckte in einer schwarzen Biker-Lederjacke und der Rest seines Luxuskörpers in kunstvoll zerrissenen Jeans. Sein markantes Gesicht – um Ben gegenüber fair zu sein, sei gesagt: Dieses musterte er als Nächstes – zierte ein Dreitagebart und seine Augen waren strahlend blau. Sie wirkten wie klarstes Gletschereis. Ben musste sich glatt kurz räuspern.
„Hier bitte", knarzte er.
„Danke", antwortete der Große, lächelte knapp und verließ mit einem schlichten „Man sieht sich" den Laden.
Ben stand da wie bestellt und nicht abgeholt, denn jetzt entdeckte er, was der andere vor seinen Augen aufgehängt hatte: Die Karte zeigte ganz eindeutig den Hübschen selbst in eindeutiger Stripperpose mit einer Pilotenuniform, die er sich gerade über der breiten, gut definierten Brust aufriss. Der Text lautete: „Von null auf hundert - garantiert!" Donnerwetter.
Einigermaßen sprachlos, wenn auch nicht allzu überrascht, musste sich Ben erst mal hinter den Tresen setzen und nach seiner Trinkflasche greifen. Er war definitiv gerade von null auf mindestens siebzig, allein bei der Vorstellung davon, welche Show dieser Pilot anbot. Ein Stripper. Bestimmt studiert der so was wie BWL oder Jura. Irgendetwas völlig Bananes- äh- Banales. Ben riss sich zusammen, holte sein Handy raus und verabredete sich mit einem befreundeten Paar für ein Bierchen am Abend. Er musste reden.
„Was, nicht echt?!", rief Marius so begeistert aus, dass ihm sein Partner Sascha direkt in die Seite knuffte.
Ben deutete ebenfalls mit den Händen an, dass sich sein Freund etwas beruhigen sollte.
„Hast du die Karte dabei?", fragte Sascha direkt und nahm noch einen Schluck Bier. „Mach mal den Mund wieder zu, Schatz."
„Aber ja", gab Ben zu, der mit ungefähr dieser Reaktion gerechnet hatte. Zum Glück spielte die Musik im George laut genug, sodass nicht gleich alle anderen Gäste von seiner Schwärmerei erfuhren. „Und der Typ sah in echt sogar noch besser aus", versicherte er und legte das Beweisstück auf den Tisch.

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Black Velvet
Short StoryHinter dem schwarzen Samt verbergen sich erotische Kurzgeschichten, die in der "Mitternachts-Challenge" auf Belletristica entstehen. Sie sind inspiriert von einem sexy Bilder-Prompt, zu dem dann meine Fantasie ihren Lauf nimmt. Meist dreht sich dabe...