Die Bedingung

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Na schön. Wenn es denn unbedingt sein muss, erzähle ich wie es gewesen ist. Auch, wenn ich nicht glaube, dass es irgendwen interessiert oder jetzt noch einen Unterschied macht.

Im Grunde wollte ich überhaupt nicht dorthin. In dieses Hotel am See, mitten im Nirgendwo. Doch meine Eltern schienen sich etwas davon zu versprechen. Sie wissen schon, wie das so ist: Der Junge weiß doch gar nicht was gut für ihn ist und natürlich lehnt er sich mit seinen siebzehn Jahren gegen seine Eltern auf. Wer tut das nicht in dem Alter? Und wenn er erst das richtige Mädchen kennenlernt, dann wird er auch Interesse an ihr haben. Und natürlich wird er dann auch vernünftig und ist bereit, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Die haben so was von falsch gelegen!

Ich bin nur deswegen gefahren, weil dieser Riesenkasten von meiner Tante und ihrem Mann geführt wird und ich den Sommer so zwar in der Einöde, aber wenigstens ohne meine versnobten Eltern verbringen durfte. Ich dachte, die machen irgendeinen Urlaub zu zweit, um ihre Beziehung wieder in Gang zu bringen und da wollte ich ganz sicher nicht dabei sein. Und immerhin gab es bei Tantchen einen Luxus-Wellnessbereich, den See und höchstwahrscheinlich auch andere wie mich. Teens. Jungs. Schwul. Wir würden einander finden und uns ganz sicher auch die Zeit vertreiben. Schlimmstenfalls würde ich mich massieren lassen, etwas trainieren, schwimmen, ein Buch lesen und kiffen. Ganz schön naiv.

Die ersten Tage waren in etwa so, nur dass ich ständig mit Julia, dem verwöhnten Töchterchen meines Onkels aus erster Ehe Tennis spielen sollte. Diese offenkundige Kuppelei war mir lästig. Aber das war nicht das Schlimmste. Da war auch noch dieser Alte, der mir ständig Blicke zuwarf und überall aufkreuzte, wo damit zu rechnen war, dass ich dort auftauchen würde. Ich hatte keine Ahnung, wer er war und es war mir auch egal. Irgend so ein geiler, alter Bock, der aber dummerweise einen Gay-dar zu haben schien. Im Speisesaal, am Tennisplatz, in der Bar, überall saß der herum und gierte mich an. Erst habe ich nichts gesagt, weil ich es irgendwie lustig fand. Ich meine: Was bildete sich der Typ ein? Dass ich ihn an meinen Knackarsch ranlassen würde, nur weil er vielleicht Erfahrung damit hatte? Oh, bitte!

Dann hat mir meine Tante verraten, wer der Kerl ist. Sie hatte gemerkt, dass der mich öfters ansah und das aber vollkommen missverstanden. Sie dachte, er hätte mich erkannt, weil er ein Geschäftsfreund meines Vaters war und er wartete womöglich darauf, dass ich ihn begrüßte, aus Höflichkeit. Herr Maximilian Böhme-Rudolf. Finanzexperte und Steuerberater. Stinkreich. Lustmolch.

Na, jedenfalls habe ich einen Bogen um ihn gemacht, denn mir war natürlich klar, dass es bei seinen Blicken um was anderes ging.

Das änderte sich nach dem Anruf meiner Mutter. Weil ich dachte, sie will nur herausfinden, ob das Tennisspielen mit Klein- Julia zu mehr geführt hat, habe ich ihre Nachrichten eine Weile ignoriert. Doch schließlich kam es mir seltsam vor, dass sie nicht nachließ. Also habe ich mir angehört, was sie zu sagen hatte. Es ging um meinen Vater. Er hatte Dreck am Stecken. Geld hinterzogen. Und wenn wir das nicht auftreiben könnten, würde alles auffliegen. Sie formulierte wir und was sie meinte war: Ich müsste es auftreiben. Ich fragte sie, ob das ihr Ernst sei und das war es. Ausgerechnet dieser Böhme-Rudolf sollte es rausrücken. Fünfzigtausend Euro. Sie erklärte, er sei mehr als ein Geschäftspartner, mein Vater habe ihm oftmals einen Gefallen getan und er sei uns was schuldig. Ich solle zu ihm gehen und ihn um das Geld bitten.

Jetzt schauen Sie mich nicht so an. Glauben Sie, das wäre mir leichtgefallen? Im Gegenteil. Der Typ war wirklich der Letzte, mit dem ich irgendetwas zu tun haben wollte. Allein der Gedanke, dass dem diese ganze Situation so in die Hände spielte, war unerträglich. Aber hatte ich eine Wahl? So wie meine Mutter es darstellte, wäre ich für den Ruin meines Vaters und das gesellschaftliche Aus meiner Familie verantwortlich, wenn ich nicht tat, was sie von mir verlangte. Also tat ich es.

Black VelvetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt