Coup

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Maxim stand auf der Dachterrasse seiner kleinen Mansardenwohnung, rauchte und schaute hinüber zum Hafen von Nizza. Er hatte sich die Zigaretten eigentlich abgewöhnt, denn Atemnot könnte er sich als Fassaden kletternder Meisterdieb wirklich nicht leisten, doch immer, wenn ihn die Sehnsucht nach seinem Freund quälte, brach er seinen guten Vorsatz. Höchste Zeit, dass er und Kyrill sich wiedersehen würden. Wo der sich nur wieder herumtrieb? Zugegeben, ihre Beziehung war nicht die einfachste, immerhin war Maxim der berüchtigte von Interpol gesuchte Luchs. Andererseits - da war er sich sicher - würde sein heißer Süßer seiner Großtante, der selbsternannten Zarina, das nötige „Kleingeld" schon aus der Tasche ziehen, um ihn freizukaufen. Warum also zog sich ihr Wiedersehen und der damit verbundene wilde Sex so hin?

Doch dann, kaum hatte Maxim die nächsten Ringe in die Luft geblasen, vibrierte plötzlich sein Handy. DAS Handy, mit dem er und sein geliebter Zarenspross ihre geheimen Botschaften austauschten.

Eingehender Anruf: Abraham de Lacey Giuseppe Casey Thomas O'Malley

Der Luchs grinste. Mit diesem Codenamen aus den „Aristocats" konnte das nur sein aristokratischer Stecher sein, der sich stets einen Spaß aus den notwendigen Sicherheitsvorkehrungen machte. Endlich!

„Ich dachte schon, du bist untergetaucht!"

„Untergetaucht?", stieß Kyrill am anderen Ende aus, „Ich wünschte, ich könnte!"

Maxim stutzte. Wieso denn wohl nicht? Soweit er wusste, wollte Kyrill mit seinem bescheidenen Luxus-Boot unterwegs sein. Jetzt klang es nicht so, als wäre er auf See. Oder lag da ein Sprachproblem vor?

„Was ist denn los, mein Kater? Du weißt, ich brauche dich."

„Was los ist? Die Gendarmen von Saint Tropez sind los! Ich bin natürlich auf dem Weg zu dir, aber ich wollte dir noch ein Geschenk mitbringen. Und als ich wieder zum Hafen komme, da haben sie mein Boot beschlagnahmt!"

„Dein Boot?!" Maxim konnte es kaum glauben. Warum sollte die Gendarmerie Kyrills Boot beschlagnahmen? Die Tatsache, dass er ohne zu fluchen davon sprach konnte nur zwei Dinge bedeuten: Erstens, es ging nicht ums Geld. Zweitens, er hatte schon ein oder zwei Wodka getrunken.

„Ja, bei den verschrumpelten Eiern eures Präsidenten! Die beschlagnahmen gerade alle Boote von russischen Oligarchen und Freunden dieses Verbrechers in Moskau. Ich hätte die eigenhändig von Bord in flaches Wasser werfen lassen, wenn ich nicht beim Juwelier gewesen wäre ..."

„Beruhige dich. Das muss doch ein Fehler sein", versuchte Maxim seinen Liebsten zu besänftigen, der sich nun doch in Rage redete.

„Ein Fehler - ha! Natürlich ist das ein fucking Fehler! Ich segle unter spanischer Flagge. Ich segle nicht unter irgendeiner Fahne von den Mördern meines Urgroßvaters!"

Das war Maxim so was von klar. Auch wenn Kyrill ein Romanow war, war er längst spanischer Staatsbürger. Nach Russland bequemte er sich nur, wenn er dort irgendwelche Erinnerungsstücke für seine Großmutter ersteigern sollte. Bei diesem Gedanken kam dem blonden Meisterdieb kurz die Erinnerung an ihren gemeinsamen Einbruch in die Eremitage, wo sie sich die Zeit für einen heißen Quickie in einem toten Kamerawinkel genommen hatten ...

„Kater, mein Kater bleib cool. Du kaufst dir einfach ein neues Boot und kommst damit zu mir. Ich kann Liebe machen mit dir nämlich kaum erwarten ..."

„Das ist nicht so einfach! Mein Boot war groß. Was soll ich mit einem, das langsam und klein ist? Meins hieß nicht umsonst „Katharina die Große"!"

Unwillkürlich musste Maxim lachen. Das passte zu Kyrill. Alles davon.

„Du wunderst dich, dass man eine Yacht mit DEM Namen beschlagnahmt hat?"

„Das ist ein guter Name! Sie war eine Deutsche! Ich kann doch eine 120 Meter- Yacht nicht „Micky Maus" nennen!"

„Warum bist du überhaupt so auffällig unterwegs, Kater, du weißt doch, dass wir diskret sein müssen."

Kyrill zögerte kurz, so als ob er nicht sicher war, ob er das am Telefon sagen könnte. Ohnehin müsste er sich kurzfassen, um es eventuellen Mithörern nicht möglich zu machen, den Angerufenen zu orten.

„Ich wollte dich entführen, mon ami, so mit allem drum und dran. Der Champagner stand schon kalt."

Maxim war gerührt. Er wurde nicht alle Tage von einem potenten Nachfahren eines völlig unzeitgemäßen Systems auf dessen Luxusyacht entführt.

„Dann hör mal zu, Großer. Wie wär's wenn du dir einen Hubschrauber besorgst. Es ist ja nicht mehr weit. Dann fliegst du hierher und wenn du über den Dächern von Nizza schwebst, dann siehst du schon, wo ich bin ..."

„Die Idee ist ... magnifick!"

Wieder lachte Maxim. Diese Mal wegen des Akzents.

„Dann bis später. Beeil dich!"

Das musste er Kyrill nicht zweimal sagen. Im Nu hatte dieser aufgelegt. Maxim aber stellte fest, dass die Sonne bereits unterging. Jetzt müsste er nur noch genug Lichterketten aus der Mansarde schaffen, um einen großen Phallus auf der Dachterrasse leuchten zu lassen. Das würde sein Süßer schon bemerken!




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