Ich hab genug von "starken Frauen"

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Provokanter Titel - ich weiß. Aber jetzt hab ich wohl eure ungeteilte Aufmerksamkeit. Hoffentlich.

Mit nichts wird heutzutage in Bezug auf Unterhaltungsmedien so gerne um sich geworfen wie mit Begriffen wie "feminist", "empowering" und "strong women". Dabei begehen fast alle einhellig die gleichen Fehler.

Was ist eine starke Frau?

Laut den meisten Filmen und Büchern, die heutzutage so auf den Markt kommen, sind sie meisten vorlaut und wild und vom Typus "mit dem Kopf durch die Wand". Und natürlich kämpft sie. Physisch. Egal, ob das jetzt ins Setting passt oder nicht. Denn was eine Frau stark macht ist ihr Schwert - I guess?

Und ganz ehrlich, ich habs langsam satt. Denn was alle diese Filme und Bücher tun ist eigentlich nur ein normatives (oft männlich geprägtes) Bild von Stärke auf weibliche Charaktere zu übertragen. Statt dem Typ, der eiskalt Leute abknallt, haben wir eben eine Frau, die eiskalt Leute abknallt. Im Grunde sind diese Charaktere also gar nicht so anders als die, die wir schon kennen nur eben mit Brüsten, was sich im schlimmsten Fall noch im Sinne des Male Gaze inszenieren und sexualisieren lässt.

Gesellschaftlich weiblich konnotierte Dinge erfahren meistens eine von zwei Behandlungen:

a) Prota-chan ist "not like other girls" und verachtet diesen weiblichen Kram *seufz* (oder ist zumindest so chaotisch und anders, dass sie irgendwie nicht mal mit der durchschnittlichen Kleidung ihrer Zeit umgehen kann)

b) Es wird fast lächerlich als Statement genutzt, wie weiblich und stark sie doch gleichzeitig ist. Ich mein, guck doch, sie hat ihren Lippenstift ausgebessert, bevor sie zur Kampfmaschine geworden ist. Total feministisch und so ...

(Was an der Stelle nicht bedeuten soll, dass man weiblich konnotierte Dinge nicht dramatisch in Szene setzen soll/kann. Das Intro von Gentleman Jack, in der episch ein Korsett angezogen wird, ist *chef's kiss*)

Das führt auch bei modernen Adaptionen von Klassikern wie Jane Austen (looking at you Persuasion) und vielen mehr dazu, dass dieses neue Bild der starken Frau über bereits bekannte Charaktere gestülpt wird, die eigentlich gar nicht sind, wie oben beschrieben.

Was mich daran nervt:

1) Zum einen sind einige dieser Charaktere gar nicht stark. Es sei denn man betrachtet es als Stärke, die Welt ungewollt 24/7 an seinem geistigen Dünnschiss teilhaben zu lassen, im Salto von einem Fettnäpfchen ins nächste zu springen und mehr mit Zorn als Verstand zu kämpfen. (Sorry, da spricht echt der Hass auf ein paar Charaktere aus mir).

2) Die Charakterentwicklung beläuft sich oft gegen null, womit diese Charaktere auch wesentlich weniger Interesse beim Publikum wecken. Es lässt es auch noch mehr nach einer Form von Token Diversity und Pseudo-Feminismus erscheinen, dass diese Charaktere alleine existieren, um die super duper special Prota zu sein, der alles in den Schoß fällt und die nach ein bissl üben das Nonplusultra ist, niemals falsch liegt etc. 

Übertrieben gesprochen, aber irgendwie merkt man teilweise stark, dass man sich mit einer echten Ausarbeitung des Charakters, seiner Schwächen, seiner Entwicklung und seinem Lernen nicht auseinandersetzen will. Es muss reichen, dass das ein strong female (overpowered) character ist. Manchmal reicht eben das auch aus, dass offensichtlich moralisch fragwürdige Entscheidungen der Protagonistin nie in Frage gestellt werden, denn ein strong female character muss immerhin moralisch auch überlegen sein.

Das ist besonders schade, weil es starken weiblichen Charakteren oder gar Protagonisten einen schlechten Ruf verpasst und es dem Publikum unnötig schwer macht, das zu mögen.

3) Aber selbst die, die für sich keine schlechten Charakter sind, sind ... nun ja, immer das gleiche/ähnliche. Es wird wiederum eine Norm vorgestellt, was "stark" ist und was nicht, und diese ist sehr einseitig.

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