2 | Eine Runde weiter

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Im Fernsehen lief gerade eine von diesen Casting-Shows, als ich Melles Zimmer betrat. Melanie saß mit Frederik auf der Couch und sie aßen Chips. Ihre Beine hatten sie auf dem Tisch abgelegt und Frederik hatte seine Arme auf der Lehne positioniert.

„Guck dir den an", lachte Freddie. „Der glaubt doch nicht etwa im Ernst, dass er singen kann?"

„Ich glaube schon, sonst würde er da ja nicht mitmachen", grinste ich und legte meinen Rucksack ab.

„Hi Ben", lächelte Freddie. „Komm her, damit du das nicht verpasst", sagte er und rutschte ein Stück näher an Melanie. Erschöpft ließ ich mich neben ihn auf die Couch fallen und legte die Füße hoch.

„Wer gewinnt?", fragte ich und nahm mir eine Handvoll Chips. Melle und Freddie sahen mich grinsend an.

„Seit wann ist denn wichtig, wer am Ende gewinnt?", fragte Melle und ich musste lachen.

„Hast du auch wieder recht", grinste ich und öffnete mein Bier.

Es war Freitagabend und ich freute mich schon die ganze Woche auf das Wochenende. Eigentlich ging es mir mit jeder Woche so, aber diesen Samstag waren wir auf der Party eines Kommilitonen eingeladen, auf die ich mich schon riesig freute.

„Warum bloß machen die sich eigentlich alle zum Affen?", fragte ich, als ein Freak im Achtzigerjahre Kostüm versuchte John Travolta nachzumachen.

„Shh", flüsterte Freddie und hielt den Finger vor den Mund. „Das ist grad voll die wichtige Szene", sagte er und starrte gebannt auf den Bildschirm.

Es hatte anfangs eine Zeit gedauert, bis ich seinen schrägen Humor verstanden hatte, aber inzwischen bemerkte ich an mir selbst solche ironischen Züge, wenn ich mit anderen zusammen war.

Ich nippte schweigend an meinem Bier und wartete bedächtig, bis die traurige Nummer ihr Ende gefunden hatte. Als die Zuschauer zurückhaltend klatschten, nahm ich wie auf Kommando ein Taschentuch vom Tisch und fing theatralisch an zu wimmern.

„Das ist das schönste, das ich je gesehen habe", heulte ich übertrieben und erntete die Blicke der Beiden. „Dieser Ausdruck, diese Eleganz...", fuhr ich fort und versuchte nicht zu lachen. „Bravissimo! Formidable!" rief ich und sprang vom Sofa auf, mit dem Taschentuch meine imaginären Tränen wegwischen.

„Und dann noch diese Stimme!", jubelte Freddie und sprang ebenfalls vom Sofa auf. „Als hätten Engel sein Talent gesegnet. Eine Freude für den Herrn", schmachtete er und legte seine Hände auf seine Brust, als müsse er nach Atem ringen.

„Ihr habt doch 'nen Vogel. Alle beide!", lachte Melle und sah uns amüsiert an.

Freddie grinste mir zu und ich hob die Hand. „Zwei Vögel, bitteschön!", bestand ich und ließ mich zurück aufs Sofa fallen. Freddie quetschte sich zwischen uns und nahm noch eine Handvoll Chips.

Wir sahen weiter fern, als Freddie plötzlich anfing zu pfeifen und zu zwitschern. Erst nur ganz leise, doch dann wurde er immer lauter und formte mit den Händen etwas, was man einen Vogel nennen konnte. Er grinste mich an und umkreiste mit dem Vogel mein Gesicht. Ich lachte und er wand sich Melle zu.

„Du spinnst!", grinste sie, doch er gab nicht auf. Auch ich fing an zu pfeifen und legte meinen Arm über die Lehne, bis meine Hand neben Melles Ohr lag.

„Tschiep. Tschiep!", machte ich und biss sie mit den Fingern in ihr Ohr.

„Hört auf jetzt, ihr Freaks!", befahl sie lächelnd. „Sonst verbanne ich euch aus meinem Zimmer", grinste sie streng und ich zog meine Hand zurück. Dabei berührte ich kurz Freddis Nacken und bemerkte die Wärme, die von ihm ausging.

Auch Freddie nahm die Drohung ernst und stoppte das Gezwitscher, nicht ohne den Vogel vorher dramatisch abstürzen zu lassen. Melanie schüttelte grinsend den Kopf und Freddie lächelte mich vertraut an. „Ich glaube, sie denkt wir spinnen", flüsterte er laut genug, dass sie es hören konnte.

„Ich glaube, du hast recht", flüsterte ich in derselben Lautstärke zurück.

„So, jetzt reicht's!", beschloss Melanie und stand auf. „Ihr beiden geht jetzt rüber in eure Zimmer und lasst mich meine Sendung gucken!"

„Aber Mel", jammerte Freddie. „Du weißt ganz genau, dass mein Fernseher kaputt ist!"

„Dann guckst du halt bei Ben, mir doch egal!", konterte sie und wies uns die Tür. Wir standen auf und blieben kurz in der Tür stehen.

„Bitte Mel, wir sind auch ganz brav", versuchte ich es und setzte meinen Hundeblick auf.

„Netter Versuch, Ben", zwinkerte sie und schloss die Tür hinter uns. Ich zuckte mit den Schultern. „Bier?", fragte ich an Freddie gewandt und er nickte.

Blue Birds - Short StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt