Ich spürte, wie mein ganzer Körper kribbelte, so als ob ich unter Strom stünde. Freddie lehnte sich zu mir und flüsterte. „Alles okay, Ben?"
Ich nickte unsicher und sah in die Runde. Steffie sah mich amüsiert und erwartungsvoll an. Melle hatte das Handy erhoben und hielt die Kamera direkt auf uns. George schüttelte grinsend seinen Lockenkopf.
„Das macht er nicht", prophezeite er und sah uns dann herausfordernd an.
„Na los", sagte Freddie plötzlich sehr ernst und kniete sich vor mir auf den Boden. Sein Blick sah mich ein letztes Mal fragend an. Selbst wenn ich es gewollt hätte, wäre es mir nicht möglich gewesen aufzustehen und einfach zu gehen. Meine Beine fühlten sich - ob nun vom Gras oder von Freddies Blick verursacht - butterweich an.
Instinktiv schloss ich die Augen, als ich seine warme Hand an meiner Wange spürte. Noch ehe seine weichen Lippen die meinen berührten, spürte ich seinen heißen Atem auf meinem Gesicht.
Dann war er plötzlich da. Vorsichtig und beinahe zärtlich, legten sich seine Lippen auf meinen Mund und küssten mich. Ich spürte, wie sie sich langsam wieder schlossen und den Rückweg antraten, als meine Hand wie von selbst nach seinem Schopf griff und ihn daran hinderte. Der Widerstand war nur kurz und Freddie küsste mich ein zweites Mal, doch dieses Mal küsste ich ihn zurück.
Wie aus weiter Ferne, hörte ich die Mädchen lachen und grölen, als ich spürte, dass Freddie seinen Mund weiter öffnete und mit seiner Zunge nach meiner tastete. Meine Zungenspitzte berührte seine und ich schmeckte eine Mischung aus Whiskey und Gras heraus, gemischt mit dem unwiderstehlichen Geruch seiner Haut, die mir nun so nahe war. Der Kuss erschien mir wie eine halbe Ewigkeit, obwohl er viel zu schnell wieder vorbei war.
Lächelnd zog sich Freddie zurück und ich sah grinsend in die Runde.
„So macht man das, ihr Luschen!", triumphierte Freddie und stand auf. „Das ist ein Kuss", sagte er mit tiefer Stimme und untermalte seine Aussage mit einer kriegerischen Geste. Dann verneigte er sich tief, als die Mädchen zu Jubeln anfingen. Nur Melle schüttelte verständnislos den Kopf. Mal wieder hatte sie gegen Freddie verloren.
Auf dem Balkon zündete ich mir eine Zigarette an und öffnete ein Bier. Ich nahm einen tiefen Schluck und starrte in die Ferne. Die Lichter der Stadt funkelten mir vertraut zu und langsam beruhigte sich auch mein Puls. Meine Gedanken aber wanderten immer wieder zu Freddie, so als habe er sich mit dem Kuss in mein Gehirn gehackt.
Nach ein paar weiteren Zügen an meiner Zigarette, entschied ich mich, wieder zurück ins Wohnzimmer zu gehen. Auch wenn ich noch nicht wusste, wie ich mich nun Freddie gegenüber verhalten sollte. Sicherlich war es das Beste, so zu tun, als sei der Kuss nie passiert. Oder besser, als sei es etwas, was keine Bedeutung hat. Küssten Mädchen nicht ständig mit anderen Mädchen rum? Weil sie Freundinnen waren, oder um Männer auf sich aufmerksam zu machen?
Ich zerdrückte meine Kippe und ging auf die Balkontür zu. Als ich aufsah, erkannte ich Freddie, der auf der anderen Seite der Glastür stand und mich etwas verlegen anlächelte. Ich trat einen Schritt zurück und ließ ihn nach draußen treten. Wir waren allein.
„Hey", sagte er, während er die Tür hinter sich zu zog. „Alles klar bei dir?"
„Sicher", antwortete ich selbstbewusst, so wie ich es mir vorgenommen hatte.
Erleichterung machte sich auf Freddies Gesicht breit.
„Gut", nickte er und kramte eine Zigarette aus seiner Hosentasche. „Ich dachte schon, es könnte jetzt peinlich werden zwischen uns", gestand er und grinste mich an. Ich fingerte nach meinem Feuerzeug und hielt ihm die Flamme hin. Tief sog er den Rauch ein und ließ ihn langsam wieder entweichen.
„Tut mir leid, wenn ich dich da in etwas hineingezogen habe", sagte er nach einer kurzen Stille.
„So ist das Spiel", entgegnete ich verständnisvoll und entwendete ihm die Zigarette. Grinsend beobachtete Freddie, wie ich daran zog und den Rauch tief inhalierte.
„War doch auch gar nicht so schlimm, oder?", fragte er aufmunternd und holte eine zweite Zigarette aus seiner Tasche.
Eine Weile standen wir rauchend nebeneinander, während seine Frage in der Dunkelheit verhallte.
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Blue Birds - Short Story
Romance|GAYROMANCE| Freddie ist der geborene Spaßvogel, Ben eher vernünftig. Zusammen mit ihrer Mitbewohnerin Melle leben sie leben sie gemeinsam in einer coolen WG irgendwo in Deutschland. Alles ist federleicht, bis sich Ben und Freddie eines Tages im Spa...