Mein Herz raste jetzt so schnell, dass ich Angst hatte, mich vor Nervosität gleich übergeben zu müssen. Mir war klar, dass ich ihn unbedingt noch einmal küssen wollte. Aber ich war mir nicht sicher, ob Freddie es auch wirklich ernst meinte, mit seinem Vorschlag. Er machte sich so oft einen Spaß daraus, Leute zu verunsichern und peinliche Situationen herbeizuführen, dass ich gestehen musste, dass ich seinem Angebot nicht traute.
Andererseits hatten wir es schon einmal getan und was würde es schon ändern, es nochmal zu tun? Gefangen in meinen Überlegungen, war Freddie es inzwischen leid geworden, auf eine Antwort von mir zu warten.
„Du denkst tatsächlich darüber nach, oder?", grinste er amüsiert. Erwischt!
„Du spinnst wohl", lachte ich und schubste ihn etwas unsanft zur Seite, so dass er rücklings auf das Bett fiel. „DU willst doch, dass ich DICH küsse", warf ich ihm vor, um mich selbst zu schützen.
„Reg dich doch nicht so auf, Ben", forderte er nun etwas ernster. „DIR war es doch nicht gut genug, als ich gesagt habe, es wäre nett gewesen", beschuldigte er mich und sah mich trotzig an. In meinem Kopf herrschte Verwirrung. Wollte er wirklich, dass ich ihn küsse?
Für ein paar Sekunden herrschte unangenehme Stille.
„Hey", sagte er schließlich, bevor ich etwas erwidern konnte. „Ich muss noch was für die Uni machen", meinte er und richtete sich auf. Ich wollte ihn zurückhalten, wusste aber nicht, was ich sagen sollte. Also ließ ich die letzte Chance vorüber gehen, als Freddie sich erhob und zur Tür ging.
„Melle ist heute Abend verabredet, also kann ich meine Sendung bestimmt bei ihr schauen", schlug er nüchtern vor. Die Idee versetzte mir einen Stich. Ich wollte nicht, dass unsere Freundschaft an so einem blöden Streit kaputt ging.
„Ach laber doch nicht!", sagte ich ernst. „Wir gucken das gemeinsam, oder?", klammerte ich mich an den letzten Strohhalm, den ich finden konnte.
Auf Freddies Gesicht glaubte ich Erleichterung zu erkennen, als er nickte und die Tür öffnete. „Gut, dann bis später", sagte er ohne ein Lächeln und verließ mein Zimmer.
Verwirrt ließ ich mich auf mein Bett fallen und landete auf etwas hartem. Es war Freddies Handy!
Aufgeregt starrte ich auf das Display, dass immer noch das Standbild des Videos anzeigte und ging zurück ins Hauptmenü. Mir war bewusst, dass ich nicht in seinem Handy stöbern sollte. Aber ich war einfach zu neugierig, ob ich etwas Interessantes finden würde.
Zuallererst ging ich in seine Galerie und scrollte eilig durch die Fotos. Partybilder, Naturaufnahmen, Selbstporträts. Ich grinste, als ich einige bekannte Bilder wiedererkannte. An einem verregneten Sonntagnachmittag hatte Freddie die verrückte Idee gehabt, sich zu verkleiden und Schnappschüsse mit unseren Handys zu machen. Er war eine alte Frau und dann eine Prostituierte gewesen, ich ein Sportler und ein totaler Nerd.
Als Melle herausgefunden hatte, dass wir auch ihren Kleiderschrank für unseren Scherz missbraucht hatten, herrschte fast eine Woche lang Funkstille zwischen ihr und uns, bis wir sie bei einem aufwendigen Abendessen schließlich davon überzeugen konnten, uns zu verzeihen.
Grinsend betrachtete ich die Fotos, als mir eines besonders ins Auge fiel. Es war ein Bild von mir als Sportler, auf dem ich nach fünf oder sechs Bier, nur noch eine Boxerhose und ein Leibchen trug, dass ich provokant zur Seite geschoben hatte, so dass man meine Brust hatte sehen können. Freddie hatte mir damals geschworen, das Bild sofort wieder zu löschen. Stattdessen erkannte ich, dass er es mit Hilfe eines Bildbearbeitungsprogramms verändert hatte, so dass es jetzt richtig sexy aussah.
Das Datum des Bildes zeigte unmissverständlich an, dass das Foto bereits sechs Wochen alt war. Wieso hatte er es überhaupt bearbeitet? Krampfhaft suchte ich nach weiteren Hinweisen, konnte jedoch nichts Aufschlussreiches mehr finden.
In seinem Browserverlauf wurde ich dann doch noch fündig. Einerseits schämte ich mich dafür, dass ich Freddie so ausspionierte, aber andererseits hatte er ja auch sein Versprechen gebrochen und das Foto nicht gelöscht. Seine letzte Suche verriet mir, dass er auf einer Seite war, auf der man anonym Fragen posten konnte und dafür Antworten von anderen Leuten erhielt.
Neugierig suchte ich nach den letzten Posts, bis mir eine Frage ins Auge sprang, die noch gestern Nacht gestellt worden war.
Nervös las ich, was dort stand:
„Bluebird21 will Folgendes wissen: Ist mein Kumpel schwul?
Heute Nacht war ich auf der Party eines Freundes und habe beim Flaschendrehen mit meinem Kumpel rumgeknutscht. Da wir auch zusammenwohnen, habe ich Angst, dass..."
Weiter kam ich nicht, da es an der Tür klopfte.
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Blue Birds - Short Story
Romance|GAYROMANCE| Freddie ist der geborene Spaßvogel, Ben eher vernünftig. Zusammen mit ihrer Mitbewohnerin Melle leben sie leben sie gemeinsam in einer coolen WG irgendwo in Deutschland. Alles ist federleicht, bis sich Ben und Freddie eines Tages im Spa...