11 | Die Beichte

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Erschrocken schloss ich das offene Fenster des Browsers und schaltete das Handy aus.

„Ja?", fragte ich durch die geschlossene Tür und warf das Handy wieder aufs Bett, wo es gelegen hatte. Ohne meine Zustimmung abzuwarten, öffnete Freddie die Tür und steuerte auf mein Bett zu.

„Habe ich mein Handy hier vergessen?", fragte er und suchte das Bett ab. „Ah, da ist es ja", sagte er und griff danach. Sofort schaltete er es an und ich wurde nervös. Alleine die Tatsache, dass ich noch immer auf dem Bett saß, machte mich im höchsten Grade verdächtig.

Ob er sich wohl daran erinnern konnte, dass das Video noch geöffnet gewesen war, als er ging? Übereilt stand ich auf und ging zu meinem Computer, um so zu tun, als müsse ich mich wieder meinem Cashflow widmen. In der Spiegelung meines Bildschirmes, sah ich Freddie auf meinem Bett sitzen und auf sein Handy starren. Dann blickte er auf und sah mich an.

„Ben?", fragte er geduldig. Ich spürte, wie ich rot anlief und wagte es kaum zu antworten.

„Ja?", sagte ich schließlich und versuchte das Zittern in meiner Stimme zu verbergen.

„Kann ich schon mal den Fernseher anmachen?", fragte Freddie und ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen.

Langsam drehte ich mich in meinem Stuhl um. „Was?", fragte ich verdutzt und ein bisschen erleichtert.

„Ich will dich nicht stören, aber da läuft gleich eine Sendung, die ich mir ansehen will", grinste er. Sein Lächeln ermutigte mich und mir fiel ein Stein vom Herzen.

„Alles was du willst", grinste ich zurück und stand auf, um mich neben ihm aufs Bett fallen zu lassen. „Controlling habe ich erst morgen Nachmittag. Genug Zeit also, bei jemandem vorher noch abzuschreiben", witzelte ich.

„Bist du sauer, wegen vorhin?", fragte Freddie, als er den Fernseher einschaltete.

„Weil du mich gefragt hast, ob ich dich nochmal küssen will?", hakte ich nach und versuchte locker zu klingen.

Freddie lächelte nicht, sondern sah mich ernst an. „Ich wollte dich nicht bedrängen und bin wohl ein bisschen zu weit gegangen", sagte er mit einer Ernsthaftigkeit, die ich ein wenig beunruhigend fand. „Ich dachte, es wäre witzig, dich ein wenig damit aufzuziehen und habe nicht daran gedacht, ob es dir vielleicht unangenehm sein könnte", fuhr er fort.

„Wieso sollte es mir unangenehm sein?", fragte ich und traute mich, ihm dabei ins Gesicht zu sehen. „Ja, ich fand den Kuss aufregend", gab ich zu und spürte, wie sich bei diesem Satz ein Kribbeln in meiner Brust ausbreitete. „Und auch das Video ist irgendwie... anregend", fuhr ich fort und war ein bisschen überrascht über meine eigene Offenheit.

„Aber?", fragte er neugierig.

„Ich habe kein aber", gestand ich. „Ich war nur etwas überfordert vorhin. Das ist alles."

„Tut mir leid", grinste er und legte seinen Arm um mich.

„Was genau?", fragte ich lächelnd zurück und ließ mich gegen Freddies Arm sinken. Deutlich spürte ich seine nackten Oberarmmuskeln an meinem Nacken.

„Dass ich dich in die Sache mit reingezogen habe. Den Kuss. Das Video. Das Melle uns damit noch eine Weile aufziehen wird", lachte er und ließ seine Hand auf meiner Schulter liegen. Diese Berührung war nicht zufällig. Sie war auch nicht nur versöhnlich. Sie war ernst gemeint, getarnt unter dem Vorwand der Freundschaft, doch ich glaubte den Unterschied zu spüren.

„Freddie?", fragte ich vorsichtig und drehte meinen Kopf zu ihm.

„Ja?", fragte er und ich sah seine Augen schelmisch aufblitzen.

„Gestern Nacht war ich auf einer Party und habe meinem besten Kumpel geküsst", begann ich den Eintrag aus dem Forum zu zitieren. „Und jetzt habe ich Angst, dass... was?", fragte ich mit zittriger Stimme.

In meinem Nacken spürte ich, wie Freddie sich verkrampfte. „Du warst also doch an meinem Handy", stellte er enttäuscht fest und nahm den Arm von meiner Schulter.

„Es tut mir leid, dass ich rumgeschnüffelt habe", sagte ich reumütig. „Aber ich habe das nicht zu Ende lesen können", bohrte ich weiter. „Wovor hast du Angst?"

Freddie ließ sich tiefer in die Kissen sinken und starrte stur auf seine Hände. „Sowas macht man nicht, Ben", tadelte er mich.

„Man fragt auch nicht im Internet fremde Leute, woran man erkennt, ob der Kumpel vielleicht schwul ist", gab ich etwas bissig zurück.

„Wieso? Bist du?", blaffte mich Freddie an.

„Und wenn?", gab ich zornig zurück. Für einen Moment herrschte gespenstige Stille, bis Freddie sich schließlich aufsetzte und mich ernst ansah.

„Ich kann das nicht mehr, Ben", sagte er schließlich und ich spürte einen dicken Kloß in meinem Hals, bei dieser Antwort. Stumm nickte ich und wollte mich gerade erheben, um dieser peinlichen Situation zu entfliehen, als Freddie nach meinem Arm griff und mich zurückhielt.

„Ich kann nicht mehr so tun, als würde ich dich nicht wollen, Ben", sagte er mit bebender Stimme und rang sich ein Lächeln ab. „Und ich habe Angst, dass der Kuss den wir hatten vielleicht der letzte gewesen sein könnte. Und dass ich nicht von dir loskomme, wenn wir weiterhin zusammenwohnen."

Perplex sank ich wieder auf das Bett zurück. Meine Gedanken rasten, bei dieser Beichte, doch ich war nur allzu bereit, ihm zu glauben. Meine Hand wanderte wie von selbst zu Freddies schönem Gesicht und streichelte ihm zärtlich über seine Wange. Dann legte sie sich in seinen warmen Nacken und zog seinen Kopf vorsichtig an meinen heran.

Ich spürte, wie Freddie seine Hand auf meinen Oberschenkel legte, als unsere Gesichter sich immer näherkamen. Dann beugte ich mich weiter vor und berührte seine weichen Lippen mit meinen. Ich schloss die Augen.

Blue Birds - Short StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt