Nico

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Ich verschluckte mich.

„Nico?", fragte Amy besorgt und legte mir eine Hand auf den Arm.

„Schon gut, ich habe mich nur verschluckt."

„Also kennst du die jetzt?" Ich musste ein Seufzen unterdrücken. Dieses Mädchen konnte echt hartnäckig sein.

„Ja, schon. Der Erzengel Gabriel ist unser König", sagte ich ausweichend. „Echt?" Amy wirkte verblüfft.

„Mhm."

„Und du kennst ihn? Also du kennst den König?" Himmel! Eigentlich wollte ich sie ja nicht anlügen aber ...

„Ein bisschen."

„Und wie ist er so?", fragte sie neugierig.

„Er ist ein guter König."

„Und?", bohrte sie weiter.

„Er legt viel Wert auf Ehrlichkeit. Er kann nämlich Lügen erkennen." Kurz blieb es still.

„Können das alle Engel?"

„Nein. Jeder Engel hat eine andere Fähigkeit." Wieder war es kurz still.

„Und was ist deine?"

„Ich kann in Gedanken mit jemanden reden", antworte ich ihr langsam.

„Du kannst Gedankenlesen?", fragte sie erschrocken.

„Nein. Nicht wirklich, zumindest. Ich kann lediglich eine Art Unterhaltung führen, bei der mein Gesprächspartner sich allerdings sehr schwertut, mir zu antworten; sozusagen eine einseitige Unterhaltung."

„Ach so", erwiderte Amy erleichtert. „Sind Erzengel eigentlich mächtiger als normale Engel?", fragte sie neugierig weiter.

„Du solltest jetzt schlafen", entgegnete ich ausweichend. Amy schnaufte angewidert.

„Ich will zuerst noch mehr von deiner Heimat hören!" Diesmal konnte ich ein Seufzen nicht unterdrücken.

„Ich nehme dich irgendwann einmal mit." Schon als die Worte meinen Mund verließen, hätte ich mich Ohrfeigen können. Warum lud ich sie ein? Schlimm genug, dass ich ihr alles erzählt hatte.

„Wirklich? Wirklich?" Amy sprang wie verrückt auf meinem Bett herum.

„Ja, versprochen!", sagte ich grummelnd.

„Bist du sauer?", fragte Amy kurze Zeit später leise. Manchmal erinnerte sie mich an ein kleines Kind. Genauer gesagt an meine Schwester.

„Nein, ich bin nicht sauer auf dich", antwortete ich resigniert. „Wir sollten jetzt schlafen. Es ist schon spät." Amy seufzte.

„Also gut. Gute Nacht, Nico."

„Gute Nacht, Ames", antwortete ich leise. Verdammt! Warum hatte ich sie eingeladen? Wie dumm konnte man eigentlich sein? Aber jetzt war es zu spät. Ich hatte es ihr bereits versprochen. Und ich brach meine Versprechen nicht.

Als ich am nächsten Morgen von den Sonnenstrahlen geweckt wurde und aufstand, schien Amy noch tief und fest zu schlafen. Ich ließ sie weiter schlummern und ging in die Küche, um Frühstück zu machen. Als ich gerade Brot in den Toaster gab, konnte ich leise Schritte hinter mir hören.

„Morgen Ames", sagte ich, ohne mich umzudrehen. Die Schritte stockten.

„Morgen." Ihre Stimme klang verschlafen. Amy war absolut kein Morgenmensch. Bevor sie nicht ihre erste Tasse Kaffee getrunken hatte, war sie mit Vorsicht zu behandeln. Bei diesen Gedanken schlich sich unwillkürlich ein Lächeln auf mein Gesicht. „Ich kann deine Flügel sehen", sagte sie überrascht. Ach, so etwas bemerke sie auch ohne Kaffee?

Black WingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt