Nico

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Zwanzig Minuten später waren die Zelte wieder verpackt und wir saßen alle im Bus. Aron fuhr. Amy und ich saßen wie tags zuvor nebeneinander auf der mittleren Bank. Und trotzdem fühlte es sich anders an. Auf eine gute Art. Amy hatte ihren Kopf auf meine Schulter gelegt. Wir unterhielten uns leise. Über unseren Auftrag. Und natürlich über uns. Über unsere Zukunft. Wie es weiterging, wenn wir diesen Auftrag erledigt hatten. Es gab so viel nachzuholen. Ich konnte es nicht fassen, wie dämlich ich gewesen war. Sie hatte mir schon so lange verziehen und mich nur wegen dieser Verlobung auf Abstand gehalten. Ich hätte uns beiden so viel ersparen können.

Am späten Nachmittag erreichten wir Chicago. Wir stellten den Bus in einem Parkhaus ab und machten uns dann unter Amys Führung auf den Weg durch die Stadt. Wir irrten ewig lange herum; die Straßen wollten uns einfach nicht an den Ort bringen, den Amy in ihren letzten Visionen des Juwels gesehen hatte und wo sie das Juwel auch spürte. Wir näherten uns langsam dem Lake Michigan und hatten noch nichts gefunden. Wir passierten einen Bauernmarkt, da bog Amy plötzlich in eine Querstraße ab und blieb kurze Zeit später vor einem großen Gebäude stehen.

„Das Museum of Contemporary Art? Ernsthaft?", fragte Aron verblüfft. Amy nickte.

„Ich bin mir sicher. Hier ist das Juwel. Erstens sieht das Gebäude aus, wie das aus den letzten Träumen und zweitens spüre ich das Juwel. Es ist jetzt ganz nah." Ich betrachtete den riesigen graubraunen Gebäudekomplex mit der breiten Treppe davor.

„Also ... gehen wir einfach rein?", fragte Aron verwirrt. Ich wechselte einen beunruhigten Blick mit Eli.

„Sie haben uns vermutlich schon gesehen", sagte er. Ich zuckte mit den Schultern.

„Oder auch nicht und dann wäre es idiotisch, den Haupteingang zu nehmen."

„Wovon redet ihr bitte?", fragte Sophie konsterniert.

„Späher", antwortete Eli schlicht. „Wir werden mit Sicherheit verfolgt. Die Frage ist nur, ob sie schon gesehen haben, dass wir vor diesem Gebäude stehen." Ich schaute mich unauffällig um.

„Niemand zu sehen. Ich würde sagen, wir lassen es darauf ankommen. Wenn wir erwischt werden, wie wir hineinschleichen, haben wir erst recht ein Problem." Eli nickte zustimmen und so gingen wir die breite Treppe hoch zum Haupteingang. Wir kauften uns Eintrittskarte und betraten das Museum. Amy führte uns zielsicher eine abstrakt geformte Treppe nach oben. Wir passierten das erste Stockwerk, dann das Zweite. Hinter uns vernahm ich leise Schritte. Alarmiert drehte ich mich um. Zwei Männer stiegen hinter uns die Treppe hoch und ich wusste sofort, dass es Gefallene waren. Wenn es mir ihre Schwerter nicht verraten hätten, dann ihre zweifarbigen Augen. Ihr geht weiter und holt das Juwel. Ich kümmere mich um die hier, sagte ich in Elis Gedanken. Er nickte zustimmen und sie liefen weiter. Ich blieb stehen und kniete mich auf dem Boden, wie um meinen Schuh neu zu binden.

„Hey Prinzchen", rief einer der Gefallenen. Ich gab vor, ihn nicht zu hören.

„Hey, du da!" Sie blieben vor mir stehen und ich erhob mich.

„Kann ich euch helfen?", fragte ich höflich. Die beiden breitschultrigen Muskelpakete starrten mich an.

„Willst du uns verarschen, Prinzchen?", fragte der eine verwirrt.

„Ich glaube sie müssen mich verwechseln", sagte ich entschuldige und drehte mich um.

„Wir können deine Flügel sehen, du Bastard", sage der zweite wütend.

„Flügel? Seid ihr sicher, dass mit euch alles in Ordnung ist?", fragte ich mit hochgezogener Augenbraue. Die beiden wechselten einen hilflosen Blick und in diesem Moment zog ich mein Schwert Noch bevor sie eine Chance zum Reagieren hatte, hatte der Kopf des einen schon Bekanntschaft mit meinem Schwertknauf gemacht. Der zweite hatte sein Schwert zur Hälfte aus der Scheide gezogen, als ich auch ihm den Schwertknauf gegen die Schläfe donnerte und er umfiel, wie ein gefällter Baum. Ich verzichtete darauf sie zu töten. Ich wollte nicht das halbe Museum mit Blut besudeln.

Black WingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt