Amy

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Ich verdrehte die Augen.

„Du bist so ein Idiot", schimpfte ich leise. Nico grinste.

„Das weißt du doch schon längst." Ich schnaubte.

„Es war eine Wiederholung wert. So etwas musst du mir als deine Freundin schon sagen." Eli schaute uns mit hochgezogener Augenbraue an.

„Freundin?" Ich wurde augenblicklich knallrot.

„Ähm ... so meinte ich das nicht ... Kollegin eher ... nicht Freundin in dem Sinne ...", stammelte ich peinlich berührt. Nico lachte leise. Er schien es regelrecht genießen, mich so verlegen zu sehen. Eli schaute verwirrt zwischen uns hin und her.

„Aha", sagte er und ließ das Thema dann dankenswerterweise ruhen. „Erzählt mal. Was ist in der Menschenwelt so los?", wechselte er dann das Thema. Ich zuckte mit den Achseln und erzählte Eli ein bisschen etwas über die Menschenwelt. Mit jeder vergangenen Stunde wurde Eli mir symphytischer. Er war genauso wohlerzogen und höflich wie Nico, aber viel offener. Bei Nico wusste man nie, was er wirklich dachte. Eli hingegen stellte all seine Gefühle offen zur Schau und trug sein Herz auf der Zunge. Er versteckte sich nicht hinter einer Maske. Und ich mochte seinen zynischen Humor. Es war unglaublich amüsant Eli und Nico zu beobachten, wie sie sich gegenseitig aufzogen. Man merkte deutlich, was für eine tiefe, lange Freundschaft die beiden verband. Es war schon recht spät als Nico und ich uns von Eli verabschiedeten und von einer Kutsche zu Nicos Pforte gebracht wurden. Nico nahm meine Hand und öffnete die Pforte. Der Strudel erfasste uns und wir fanden uns vor Nicos Auto wieder. Nico lief zur Beifahrertür und öffnete sie für mich.

„Mylady." Ich musterte ihn prüfend.

„Ist alles in Ordnung?" Nico zuckte mit den Schultern.

„Sicher." Ich musterte ihn weiter. Kein Flackern in seinen Augen. Keine Unruhe. Er schien nicht zu lügen, Ich stieg in das Auto und wenig später fuhren wir über die einsame Landstraße zurück in die Stadt. Während der Fahrt schwiegen wir beide.

„Gute Nacht, Ames", meinte Nico sanft, als er das Auto vor Vikkis Haus abstellte.

„Ist sicher alles in Ordnung?", fragte ich ein zweites Mal. Nico lächelte.

„Hör mal Amy, mach dir bitte um mich keine Sorgen. Ich komme schon damit klar. Ich kann nicht gerade behaupten, dass es mir blenden geht, aber ich komme klar." Ich blickte ihn skeptisch an. Äußerlich war ihm nichts anzumerken, aber wenn die eigene Mutter schwer krank war, konnte dass doch nicht spurlos an einem vorbeigehen. Aber wenn Nico nicht reden wollte, würde er auch nicht reden. Wahrscheinlich würde er wieder die ganze Nacht auf irgendeinem Hausdach oder auf dem Kirchturm verbringen – wie immer, wenn er nachdenken musste.

„Ames", lachte er leise. „Hör auf mich so anzusehen. Ich bin in Ordnung. Ich stürze mich nicht vom nächsten Hausdach ... na ja vielleicht schon aber dann sicherlich nicht, um mich umzubringen." Ich grinste.

„Okay ... aber melde dich, wenn du jemandem zum Reden brauchst, ja?" Erneut lachte Nico.

„Werde jetzt nur nicht zur klischeehaften, überbesorgten Freundin." Auch ich musste lachen.

„Na gut, das war vielleicht etwas klischeehaft und überbesorgt ..." Nico nickte nachdrücklich.

„War es."

„Jaja ... ist gut, du Besserwisser. Gute Nacht." Ich umarmte ihn und stieg aus dem Auto. Nico winkte mir zu und fuhr dann davon. Lächelnd lief ich die Auffahrt hoch und betrat das Haus. Ich zog die Tür so leise wie möglich ins Schloss und schlich über die Treppe in den oberen Stock.

„Wieder zuhause?", fragte eine amüsierte Stimme hinter mir. Ich erstarrte und drehte mich zu meiner Tante um, die plötzlich am Fuß der Treppe aufgetaucht war.

Black WingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt