Nico

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Ich schlief nicht gut in dieser Nacht. Die Gedanken in meinem Kopf wollten sich nicht ausstellen lassen. Irgendwann gab ich es auf, und stand auf. Ich streifte mir Hosen und Tunika über, schnallte mir mein Schwert um, nahm einen dicken Winterumhang aus dem Schrank und verließ meine Gemächer. Der Wachmann, der im Gang die Gemächer der Königsfamilie bewachte, salutierte kurz.

„Eure Hoheit." Ich nickte ihm knapp zu. Die Soldaten der Leibgarde waren es gewohnt, dass ich mitten in der Nacht auf den Beinen war. Wie von selbst trugen meine Füße mich durch das Schloss, vorbei an unzähligen geschlossenen Türen, hinaus in die Palastgärten, über die gekiesten Wege bis hin zu den Stallungen. Ich öffnete die Tür und schlüpfte hinein. Der Geruch nach Pferden und Stroh und das leise Schnauben der vielen Pferde empfing mich und mein Mund verzog sich automatisch zu einem Lächeln. Ich schlenderte die Stallgasse hinab, bis ich Artemis' Box erreichte. Ich schob den Riegel zurück und trat zu ihr.

„Hallo, meine Schöne", flüsterte ich der Araberstute zur Begrüßung zu und strich ihr sanft über die Nüstern. Artemis schnaubte. „Ja ja, ich weiß, du willst ein Stück Zucker", murmelte ich amüsiert und gab ihr einen Würfelzucker aus meiner Tasche. „Du bist so ein kleines Schleckermaul."

„Nico?", fragte eine vertraute Stimme.

„Eli", grüßte ich meinen besten Freund, ohne mich umzudrehen.

„Zu viele Gedanken?", fragte er vorsichtig. Ich drehte mich um. Eli lehnte an der Boxtür, die braunen Haare verwuschelt, gekleidet ganz in schwarz. Ich seufzte.

„Ich kann einfach nicht aufhören, nachzudenken." Eli nickte verständnisvoll. Es war nicht das erste Mal, dass wir uns nachts in den Stallungen trafen. Eigentlich war es sogar häufig vorgekommen, als ich noch nicht in die Menschenwelt gegangen war. Manchmal mit Absicht, öfters aber durch Zufall. Wir tickten recht ähnlich. Wenn uns zu viel im Kopf herumging, konnten wir nicht einschlafen. Durch die strenge Ausbildung und die vielen kleinen Probleme, mit denen wir täglich konfrontiert waren, war das keine Seltenheit. Unsere gemeinsamen nächtlichen Ausritte waren zu einer Art Tradition geworden.

„Und du? Denkst du wieder über Sophie nach?", fragte ich nach einem prüfenden Blick auf meinen besten Freund. Eli seufzte schwer.

„Ja", sagte er nach kurzem Schweigen leise. „Es kommt jetzt alles hoch, seit sie wieder im Palast wohnt." Ich nickte verständnisvoll.

„Kleiner Ausritt gefällig?", fragte ich mit einem leichten Grinsen, um ihn von seinen trüben Gedanken abzulenken. Eli grinste zurück.

„Wann habe ich dazu jemals nein gesagt?"

Kurze Zeit später hatten wir unsere Pferde gesattelt und ritten einträchtig nebeneinanderher. Es war still. Nur die Geräusche des nächtlichen Waldes und der dumpfe Hufschlag unserer Pferde auf dem Waldboden war zu hören. Eli und ich unterhielten uns leise.

„Hast du eigentlich einmal mit Sophie geredet?", fragte ich vorsichtig. Eli schüttelte den Kopf.

„Nein. Es hat sich irgendwie nicht die Gelegenheit ergeben und ..."

„Elias! Irgendwann wirst du es ihr sagen müssen", unterbrach ich ihn. Eli verdrehte die Augen und seufzte.

„Wieso? Ich weiß doch, was sie mir gegenüber empfindet." Ich schüttelte hektisch den Kopf.

„Nein. Nein, genau das weißt du eben nicht. Klar, sie hat mir schon einmal gesagt, dass sie in mich verliebt ist, aber das war vor Jahren. Wer weiß schon, was sie jetzt fühlt. Und wenn du sie nicht fragst, wirst du es niemals erfahren." Eli schüttelte den Kopf.

„Doch, ich kann es mir sehr gut vorstellen, was sie fühlt", widersprach er.

„Warum meinst du, ihre Gefühle erkennen zu können?", fragte ich ihn mit hochgezogener Augenbraue. Eli zuckte mit den Schultern.

Black WingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt