Happy Halloween 🎃
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Kurz vor elf lässt mich die Sirene des Search and Rescue Einsatzalarms zusammenzucken.
Eigentlich wollte ich gerade eine Runde laufen gehen. Stattdessen eile ich auf direktem Weg zum Briefing-Raum, wo ich in der Tür beinahe mit unserem Co-Piloten kollidiere.
Große Hände schließen sich um meine Oberarme, als ich vorwärts stolpere und dabei kurz den Bodenkontakt verliere. Wie ein Kind werde ich wieder auf die Füße gehoben.
»Hoppla. Nicht so stürmisch, junge Dame«, scherzt Lieutenant Aiden Allistar.
Der Vierzigjährige mit dem kastanienbraunen Bürstenhaarschnitt hat sich bereits in seinen orangen Trockentauchanzug geworfen, der den Körper im Ernstfall vor Wasser und Unterkühlung schützen soll.
»Tut mir so leid, Sir«, keuche ich. Ihm dabei direkt in die dunkelbraunen Augen zu blicken, kostet mich einiges an Überwindung. »Ich dachte, ich hab freie Bahn.«
Als ob das meine Unvorsichtigkeit rechtfertigen würde.
Da ich ihm heute zum ersten Mal begegne, salutiere ich. Der Lieutenant tut es mir in einer fließenden, akkuraten Bewegung gleich. Mit geschlossenen Lippen schmunzelt er.
»Ist ja nichts passiert. Seien Sie nächstes Mal einfach vorsichtiger, Sky. Ich brauche Sie in einem Stück.« Er verschränkt die Hände hinter seinem durchgedrückten Rücken.
»Natürlich. Bitte entsch–«
Doch ich komme nicht dazu, den Satz zu beenden.
»Alle Mann herhören.«
Autoritär und kraftvoll hallt die Aufforderung unseres befehlshabenden Offiziers, Commander Xander Neill, von den Wänden wieder, was meinen Wortwechsel mit dem Lieutenant von einer Sekunde auf die nächste beendet.
Beide fahren wir herum und nähern uns der wandgroßen Landkarte Alaskas, wo der Commander mit blauem Filzstift den heutigen Einsatzort markiert.
Mit muskelbepackten ein Meter fünfundneunzig ragt er wie eine überlebensgroße Statue vor uns auf. Das hellbraune, von grauen Strähnen durchzogene Haar trägt er oben kurz. Die Seiten sind getrimmt. Erst gestern früh habe ich es in meinem kleinen Badezimmer mit der Schneidemaschine bearbeitet – denn Xander Neill ist nicht nur mein Vorgesetzter, sondern mein Vater, Fels in der Brandung und Held.
Auch wenn wir uns nicht immer so nah gewesen sind, wie ich es gern gehabt hätte.
Meine Eltern haben sich scheiden lassen, als ich noch ein kleines Mädchen war. Den Löwenanteil meiner Erziehung hat meine Mutter übernommen, schon allein deshalb, weil Dad alle paar Jahre umziehen musste. Natürlich haben wir telefoniert und er hat mich so oft es ging zu sich geholt, die räumliche Distanz hat unserer Beziehung dennoch zugesetzt.
Erst die gemeinsame Versetzung nach Kodiak vor zwei Jahren konnte uns einander wieder näher bringen.
Jetzt verstehe ich, wie viel einem dieses Leben abverlangt. Wie viel man opfert.
Lieutenant Allistar und ich führen die Hand zur rechten Schläfe. Dad erwidert den Salut mit neutraler Miene. Beinahe so, als wäre sein Gesicht aus blassem Marmor gemeißelt worden – kantig und hart.
Levi stößt ebenfalls zu uns – dicht gefolgt von Lieutenant Wesley Rutherford, unserem zweiten Piloten.
Theoretisch könnte mein Vater also gleich in der Position verharren, doch er senkt den Arm. Schließlich muss ein Salut vom Rangniedrigeren initiiert werden, während vom Ranghöheren erwartet wird, dass er die Geste zurückgibt.
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The Sea is Rough Tonight
RomanceEines weiß die 27-jährige Helikopter-Rettungsschwimmerin Sky Matthews sicher: Man muss sich nicht in die Fluten stürzen, um zu ertrinken. Viel zu stark ist sie bereits in den Sog ihres großspurigen Kollegen, Hubschrauberpilot Rock 'Rocky' Byrne, ger...