4 - Whatever It Takes

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Schocker hat sich wortlos in einer Ecke zusammengerollt und die Augen geschlossen. Violene kann nur erahnen wie anstrengend und überwältigend all die neuen Eindrücke und Erlebnisse gewesen sein müssen. Wenn man jahrelang da unten eingesperrt war...
Ein Seufzen unterdrückend widmet sie sich wieder der Holzkiste, die sie von ihrem Onkel bekam. Sie kann noch nicht einmal einschätzen, ob das eine liebevolle Geste von ihm gewesen sein soll oder mehr ein Mittel zum Zweck. Auf der anderen Seite... hatte er jemals etwas aus Nächstenliebe für sie getan?

Mit einem vorsichtigen Lächeln auf den Lippen mustert sie den hellblauen Drachen. Sie kann es nicht fassen das so ein Drache, vor denen man immer nur warnte, so... ein friedliches und freundliches Wesen sein kann. Und doch scheint da irgendwie mehr zu sein.
Behutsam holt sie Stück für Stück aus der Kiste und sortiert die Sachen nach ihren einzelnen Kategorien. Viele lose Blätter sind darin zu finden, aber auch ein kleines Büchlein, das sofort ihre Aufmerksamkeit erregt. Und was sie am meisten erstaunt: ein Anhänger. Um ein Haar hätte sie das kleine Stück Metall fast übersehen. Vorsichtig greift sie mit ihren Fingern danach und holt es aus der Kiste. Tatsächlich ist es gerade mal wenige Zentimeter groß. Unmerklich fährt sie mit ihrem Zeigefinger darüber, stockend, als sie die Erhebungen darauf spürt. Kurzerhand holt sie ihre Kerze dichter ran und betrachtet den Anhänger im Kerzenschein genauer. Auf der Vorderseite scheint ein Drache abgebildet zu sein, der bei genauerem Betrachten immer größere Ähnlichkeit mit Schocker. Die Rückseite scheint wiederum Einkerbungen zu haben. Noch über den Drachen rätselnd wendet sie den Anhänger einmal, um auch dies genauer zu untersuchen.
Im nächsten Moment prallt das Stück Metall auf dem Tisch auf. Erschrocken und kampfbereit knurrt Schocker und richtet sich auf. „Was ist los?! Werden wir angegriffen??"
Erst da fällt sein Blick auf Violene, die wie erstarrt einen unbestimmten Punkt fixiert. Schlagartig ändert sich sein erschrockenes Knurren zu einem besorgten Grummeln. Und noch vorsichtiger kommt er zu ihr und stupst sie unmerklich an. „Was ist los...?"
Erst seine leise Stimme reißt sie aus ihrer Starre. Kurz schüttelt sie sich, als sie im Hier und Jetzt wieder ankommt.

(DS) „Es ist dieser Anhänger..."
„Was ist damit?", neugierig lugt Schocker auf den Tisch vor ihr und mustert mehr das besagte Stück.
(DS) „Hier auf der Vorderseite", wieder nimmt Violene ihn in die Hand und zeigt es Schocker, „ist ein Drache abgebildet. Und der hat sehr große Ähnlichkeiten mit dir. Als wenn... du das wärst. Dieser Drache... du siehst aus wie dieser Drache!"
Nun liegt es an Schocker den Kopf schiefzulegen und neugierig, abwartend zu ihr zu sehen.
(DS) „Und auf der Rückseite...", sie hält einmal inne und dreht den Anhänger, „auf der Rückseite ist in feinen Buchstaben mein Name eingraviert worden oder so." Sie versucht, ihrer Stimme Feste zu verleihen, und doch nimmt Schocker das unmerkliche Zittern wahr.
„Violene... und ein Drache, der wie ich aussieht? Aber... was bedeutet das denn?"
Stumm schüttelt sie den Kopf, als sie den Anhänger zur Seite legt. (DS) „Ich weiß es nicht. Ich hab gehofft mit dieser Kiste einfach mehr über dich... und über euch Drachen und diese... Fähigkeit erfahren zu dürfen. Stattdessen habe ich noch mehr Fragen als vorher..."
So gerne Schocker ihr noch aufmunternde Worte sagen würde, so... findet er doch keine richtigen Worte dafür und legt sich wieder hin. Nicht aber ohne aufmerksam zuzuhören, falls dieses Menschenkind noch etwas interessantes bei diesen Zetteln finden sollte.
Besagte Violene wiederum widmet sich zuerst den losen Zetteln und macht sich daran diese in zwei Stapel zu sortieren. Der eine Haufen besteht aus verschiedenen Kartenabschnitten, vor allem von Orten und Gebieten, von denen sie noch nie gehört hatte. Auf dem anderen Haufen landen all jene Zettel, auf welchen unterschiedliche Texte niedergeschrieben worden sind. So viel Papier... Und so viele Namen und Begriffe, die ich noch nie gehört habe...

Einer der Zettel fällt ihr erst recht ins Auge. Vielleicht liegt es an dem seltsamen Bauchgefühl, das sie dabeihat. Vielleicht aber auch an dieser kleinen Drachenzeichnung in der Ecke, die – wieder einmal – eine starke Ähnlichkeit mit Schocker besitzt. Nicht lange fackeln wollend greift sie danach und beginnt zu lesen:
Das Hauptmerkmal des Leuchtenden Fluchs ist seine Leuchtfarbe. Seine Schuppen glühen und er kann einen paralysierenden Nebel ausstoßen, der in höherer Konzentration auch giftig wirkt und Menschen töten kann. Es benötigt zwar viel Aufwand und Vorsicht sie zu trainieren, doch es ist möglich. Durch sein Leuchten verwirrt er andere Drachen und Menschen und man kann ihn meistens nicht direkt anschauen, was ihm zum Vorteil wird. Wenn sie angeflogen kommen, hört man kurz vorher einen schrillen Schrei. Ihr Schrei ist so stark, dass er sogar andere Drachen damit sehr verwirren kann.

Schmunzelnd sieht sie aus dem Augenwinkel zu Schocker, welcher ihr neugierig zuhörte.
„So nennt man also unsere Art", der Angesprochene grinst, „ihr Menschen solltet uns zurecht fürchten!"
Kopfschüttelnd widmet Violene sich erneut dem Zettelgewirr: (DS) „Du bist ein sehr interessanter Drache."
„Und du ein sehr interessantes Menschenkind!"
Dieser Drache... Ein Lächeln auf den Lippen habend mustert sie die anderen Zettel, wovon viele von weiteren Drachenarten berichten. Sogenannte Schreckliche Schrecken, Riesenhafte Alpträume, Tödliche Nadder und Gronkel, die alles andere als nach gefährlichen Drachen aussehen. Weitere Zettel erzählen aber auch von Wahnsinnigen Zippern, Donnerklauen, Glutkesseln und Tramplern. Mit dem kleinen Vermerk auf der letzten Seite, dass es in dieser Welt noch viele weitere Arten von Drachen geben soll. Also... die ersten Zettel klangen ja schon mehr als krass. Aber das da draußen noch mehr Drachen sein sollen...? Obwohl sie es sich im ersten Moment nicht eingestehen will, so reizt sie der Gedanke doch immer mehr, diese Drachen selbst kennenzulernen und zu entdecken. Und doch bleibt die Frage nach dem „Wie". Denn was Schiffe angeht, hat sie definitiv keine Ahnung von. Was vielleicht vor allem der Tatsache geschuldet ist, dass ihr Onkel nicht viel davon hält, dass sie so viele Dinge wie möglich lernt. Abgesehen von dieser... Fähigkeit.
Die anderen Zettel wiederum entpuppen sich als Karten. Auf der Ersten erkennt sie nach einigem Grübeln schnell ihre Heimatinsel. Unverkennbar sind darauf ihr Dorf und die waldige Umgebung eingezeichnet. Nur die Begriffe und Namen dabei verwirren sie sehr. So steht oben „Tiefseespalter-Insel", anscheinend der Name davon. Warum hat sie diesen noch nie gehört? Und noch mehr verwirren sie die Zeichen um die Insel herum. Sie erinnern an Skelette, gepaart mit Ausrufezeichen und komischen Kreiseln. Irgendetwas in ihr will es dabei gar nicht so genau wissen. Mit einem unwohlen Bauchgefühl legt sie die Karte zur Seite und widmet sich den anderen.
Aber all diese Zettel, die auf dem ersten Blick wie zufällige Stücke aussehen, ergeben bei einem genaueren Blick eine in sich stimmige immer größer werdende Karte.

Eine Welt, von der sie niemals geahnt hätte, dass sie existiert.
Ein Inselreich, das außerhalb ihres Dorfes zu existieren scheint.

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Mit der Nacht hat sich auch Stille über das Dorf gelegt. Allein das regelmäßige Schnaufen des hellblauen Drachens unterbricht die sonst so dröhnende Leere in ihrem Kopf. Sie selbst liegt im Bett, mustert schon seit einiger Zeit die Holzbalken über sich.
Es scheint so viele Drachen zu geben! Und allein diese große Karte... sie hat immer damit gerechnet, dass hinter den Grenzen dieses Meeres mehr sein muss. Aber dass es... so viele Inseln sein sollen? Das es nach dem Horizont weitere Inseln oder so geben soll, damit hatte sie schon gerechnet. Innerlich seufzend dreht sie sich auf die Seite. Und dann hat sie all diese Fragen über ihre eigene Heimat. Was der Name bedeutet, was die Zeichen darum bedeuten.
Gibt es für sie eigentlich die Möglichkeit, all diese Inseln und diese große Weite jemals erkunden zu können? Ihr Onkel würde sie nie doch nie gehen lassen.

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Konsequent weicht sie am nächsten Tag ihrem Onkel aus.
Nicht nur, weil sie Angst vor dem hat, was bei ihm auf sie lauert. Auch weil all diese Fragen ihr keine Ruhe lassen wollen. Und ein kleiner Teil tief in ihr drin weiß, er ist definitiv der letzte Ansprechpartner für sowas.
So sind sie zuerst zu einem nahen gelegenen Teich aufgebrochen, damit der Drache endlich mal ausgiebig frühstücken konnte. Dieser lässt es sich auch nicht nehmen und übt sich ausgiebig darin Fische zu jagen und zu fangen. Neugierig sieht sie ihm zu, aus respektvollem Abstand, wie er sich seinem Element hingibt. Es ist das erste Mal für sie, das sie einen Drachen so aus der Nähe gefahrlos beobachten kann. Auch der leuchtende Fluch scheint es so richtig zu genießen, wie er seine Flügel in voller Breite ausstreckt und immer wieder ein paar Meter in die Luft fliegt. Selbst mit einem ungeübten Auge merkt man ihm doch an, dass er es schon lange nicht mehr gewohnt ist so richtig zu fliegen. Und umso mehr sie ihn dabei beobachtet, fragt sie sich auch, ob es die ganz verrückte Möglichkeit gäbe auf dem Rücken dieser majestätischen zu fliegen.
Nach dieser Stärkung und weiteren Flugversuchen sind die beiden im Dorf unterwegs. Besser gesagt am Rand des Dorfes, da die anderen Dorfbewohner es sich einfach nicht nehmen lassen wollen beide mehr als skeptisch zu beobachten. Mit der Ausnahme einer Person.

„Violene, komm doch bitte zu mir."
Überrascht sieht die Angesprochene bei ihrem Spaziergang auf, als sie in wenigen Metern Entfernung besagte Frau sieht. Bei der Frau handelt es sich um Rikke, die Frau, die ihr immer, wenn möglich einen Rückzugsort bietet. Sehr zum Leidwesen ihres Onkels, weswegen es schon einige lautstarke Diskussion gab. Die meisten gewann Rikke auch problemlos, obwohl ihr Onkel nicht umsonst Anführer des Stammes und des Dorfes hier ist. Vielleicht auch, weil sein Name Grodan der Despot lautet. Und auch wenn Rikke den ein oder anderen Kampf mit ihm gewann, so bedeutet das hinter verschlossenen Türen für sie immer Strafe. Ausnahmslos.
Mit einem vorsichtigen Lächeln kommt sie zu Rikke, welche an ihrer Haustür steht. „Kommt doch zu mir ins Haus, du und dein neuer Freund." Bei letzterem sieht sie zum leuchtenden Fluch, der den Blick der Frau – die genauso seltsam wie das Menschenmädchen ist – verwirrt erwidert.
Kaum hat Rikke hinter den beiden die Tür geschlossen und ihre Gäste sich gesetzt, lässt sie die Schrecklichen Schrecken aus dem Sack.

„Hast du schon von der Legende gehört, das Menschen auf den Rücken von Drachen fliegen?"





Hey, danke dir fürs lesen :p
Ich hoffe, das Kapitel hat dir gefallen. Zeig es mir doch gerne mit einer Rückmeldung durch Votes und Kommis – Geisterleser kriege ich leider nicht wirklich mit 🥺😅

Schatten der Vergangenheit (Httyd)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt