8 - Stronger

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Wie ein eiserner Vorhang liegt der blickdichte Nebel vor ihnen.
Und erinnert Violene an das Gefängnis, was sie dahinter erwartet.

Es hat die frischgebackene Drachenreiterin einiges an Überwindung gekostet, bis sie mit Schocker in den Nebel fliegen konnte.
Nicht unbedingt aufgrund der fehlenden Abenteuern, die sie da draußen noch erwartet, sondern vielmehr wegen dem, was sie auf ihrer Heimatinsel erwartet. Vielleicht ist es ihm ja gar nicht aufgefallen. Vielleicht hat er es einfach ignoriert, dass seine nichtsnutzige Nichte wieder einmal beim Abendessen nicht auftauchte. Oder hat es wie einen ihrer unzähligen Versuche abgetan, wenn sie dem Dorfleben und vor allem ihm eigentlich nur wieder entkommen wollte. Im Wissen, das sie schlussendlich sowieso immer wieder zurückkommt.
Stumm bemerkt sie, wie schon bald jene Klippe in Sicht kommt, von welcher sie erst gestartet sind. Ein leichter Wind weht über die Insel und unterstreicht die Ruhe, die die beiden in Empfang nimmt. Weder Drache noch Mensch lassen sich blicken, wie beim Anfang. Erleichtert fällt Violene das auf, als Schocker landet und sie wieder den vertrauten Boden unter ihren Füßen spürt. Unsicher wirft sie Schocker ein zögerndes Lächeln zu, sich auf den Weg ins Dorf machen.

Eine schwere Hand auf ihrer Schuld lässt ihr das Blut in den Adern gefrieren.
„Nach Hause." Es waren nur diese zwei Worte, die er ihr sagte. Und das ruhig, neutral.
Ruhig und gelassen geht er voran, wobei sein Körper kein Zeichen von Anspannung verrät. Schweigend folgt Schocker seiner Reiterin, nichts Seltsames an der Situation festmachen können. Nur Violene wird das dumpfe Gefühl nicht los, das ihr Onkel diesen Ausflug doch mitbekommen hat. Und diese Aktion doch nicht so gut fand wie ihre anderen heimlichen Ausflüchte. So folgt sie ihm mit Schocker durch das Dorf, bis in die gemeinsame Hütte. Und doch spürt sie die Blicke der Dorfbewohner, wie sie wieder einmal ihr Urteil fällen. Über das seltsame Kind, die Verfluchte, die Verstoßene. Als wüssten sie mehr als irgendjemand anderes in diesem Dorf.
Entspannt schließt Grodan die Tür hinter den beiden, verharrt für einen Moment länger als nötig in dieser Position. Als würde er die Anwesenheit der beiden nicht wahrnehmen. Als würde er in fernen Erinnerungen der Vergangenheit schwelgen.
„Du wirst deinem Drachen jetzt folgenden Befehl geben", mit klarer Stimme unterbricht er die entstandene Stille in diesem Raum und dreht sich zu den beiden um, „Gehorcht dieser dem Befehl nicht und lässt auch nur die kleinste Regung zu wird ihm ausnahmslos der Kopf abgehakt. Dann ist er unwiderruflich zu Tode verurteilt. Verstanden?"
Nur mit viel Kraftaufwand schafft sie es ihren Onkel anzusehen. Und noch brüchiger ist ihre Stimme zu hören: „J-ja-a, Onkel..."
„Gut. Befehle diesem Drachen, dass er sich nicht bewegen darf. Egal was passiert, es gibt keine Ausnahme in diesem Befehl. Wenn er sich bewegt, wenn er auch nur einen Muskel bewegt, nur ein Geräusch von sich gibt, dann ist er ausnahmslos zum Tode verurteilt."
Ungewollt muss Violene schlucken. (DS) „Schocker... du setzt dich jetzt da hin und gibst weder einen Laut noch eine Bewegung von dir. Du bleibst da still sitzen, bis ich dir einen neuen Befehl gebe! ... sonst wirst du getötet."

Obwohl ihre Stimme bei dem Befehl begann zu zittern und ihr Onkel wie alle anderen Menschen nur die normalen Drachenlaute hört, versteht Schocker den Befehl aufs Genaueste. Widerstandslos setzt er sich an den Rand des Zimmers hin, legt seinen Schwanz um sich und hat den Blick auf die beiden Menschen gerichtet.
Zufrieden bemerkt Grodan dies, es mit einem unmerklichen Nicken quittieren.
Als er dann ausholt und Violene eine schallende Ohrfeige verpasst. Der brennende Schmerz lässt das junge Mädchen schmerzverzerrt aufschreien und auf die Knie fallen. Aus Reflex hat sie eine Hand am Ohr, während der Schmerz ihr die Tränen in die Augen treibt. Nach Luft ringend versucht sie die erste Schrecksekunde zu überstehen. Alles in ihr schaltet auf Überlebensmodus, mit der einzigen Hoffnung diese Situation einfach nur überleben zu dürfen.
Stumm lässt sie es zu und unternimmt keinen Versuch sich zu wehren, als ihr Onkel sie am Nacken packt und wieder hochzerrt. Einfach nur still aushalten, das ist die lebensrettende Devise. Jeder Einspruch, jeder Fluchtversuch, jedes sich wehren verlängert diese Schmerzen und diese Qualen nur noch mehr. Wimmernd hat sie die Augen zusammengekniffen, um ihrer persönlichen Hölle nicht in die Augen sehen zu müssen. Doch das interessiert Grodan nicht im Geringsten, während er grob ihr Kinn packt und in seine Richtung dreht. Sie zwingt ihn anzusehen. Sie weiß, dass dies sein Befehl an sie dabei ist, obwohl er dies nicht ausspricht. Jeder Teil ihres Körpers will es verweigern, will diesen Befehl umgehen, bevor sie doch unter Schmerzen versucht die Augen zu öffnen.

Natürlich bemerkt Grodan die stummen Tränen, die seiner Nichte über das Gesicht laufen. Doch sollte er dafür Mitleid empfinden? Sie wusste doch, was er von ihren Fluchtversuchen hielt. Und sie wusste genauso gut, dass er Fehlverhalten unbarmherzig bestraft. Was wäre er für ein Oberhaupt dieses Stammes, wenn das Fehlverhalten der Mitglieder bestraft werden würde, er aber bei seiner Nichte untätig bleiben würde? Wenn sowieso das ganze Dorf dieses Kind schon kritisch beobachtet. Würde sie nicht bei ihm leben, hätte der Stamm dieses Kind schon längst verstoßen. Vielleicht auch getötet, da sie bewiesenermaßen doch als Verfluchte gilt.
Nein, Gnade gibt es bei ihm nicht.

Immerhin gehorcht der Drache.
Dieser hat sich seit dem Befehl keinen Millimeter bewegt, noch einen einzigen Mucks von sich gegeben. Somit ist wenigstens eine Sache an seiner Nichte nützlich. Zufrieden nimmt er das zur Kenntnis, genauso wie die Zerbrechlichkeit, die er gerade vor sich hat. Wie dieses Kind in seinem unbarmherzigen Griff gefangen ist. Ihm ausgeliefert, schwach, willenlos, gefügig, formbar.
Ein leichtes Grinsen umspielt seine Lippen. Gleichzeitig dreht er ihr Kinn nach links und nach rechts, das verfluchte Kind noch einmal mehr musternd. Schlussendlich war sie nie mehr als das.
Amüsiert beobachtet er wie ihr weiterhin Tränen über das Gesicht laufen. Begleitet von einem unterdrückten Wimmern, als hätte er einen Hund vor sich, der für sein Fehlverhalten geschlagen wird.
Mit letzter Kraft versucht Violene sich auf den Beinen zu halten, gefangen in seinem Griff, gefangen in seinem Willen. Unter Tränen versucht sie dem Blick ihres Onkels wenigstens etwas standhalten zu können, wenigstens das zu schaffen. Doch der Schmerz der Ohrfeige dominiert gerade alles und raubt ihr noch immer Kraft.

Töte mich doch endlich... Beende endlich mein Leiden in dieser Welt...
Warum... warum bringst du mich nicht einfach um...? Warum quälst du mich noch immer...?

So sehr Grodan doch seine Freude daran hatte diesem verfluchten Kind zuzusehen, wie es unter den Schmerzen zerbricht und auch das letzte Selbstbewusstsein erlischt, so sehr widert es ihn an.
Noch einmal verstärkt er seinen Griff an ihrem Kinn, nur um sie mit mehr Wucht gegen die nächstgelegene Wand zu stoßen, gereizter. Dabei ignoriert er wie das junge Mädchen kraftlos und vor Schmerzen aufwimmernd an der Wand entlang zu Boden rutscht und liegen bleibt, keine Kraft mehr hat sich auch nur aufzurichten. Mit Abscheu.
So sehr er diese Reptilien von Drachen nicht leiden kann und ihren einzigen Nutzen als etwas Brauchbares für seinen Stamm sieht... umso mehr verabscheut er dieses Kind, wäre da nicht diese eine Fähigkeit. Die Fähigkeit, die ihr minderwertiges Überleben sichert.
Obwohl Schocker alles mit beobachtete, alles mit ansah und natürlich auch mithörte, so gehorcht er stumm dem Befehl. Und bewegt nicht einen einzigen Muskel, selbst als seine Reiterin nur wenige Zentimeter neben ihm vor Schmerzen wimmernd auf dem Boden liegt.
Atmen, Hauptsache das Atmen nicht vergessen. Der einzige Befehl, den ihr Kopf immer und immer wieder wiederholt, um nicht völlig wegzudriften. Während alles wieder da ist, jede Faser ihres Körpers diese unmenschliche Angst spürt, unfähig von all dem zu fliehen.

Erst sind es nur Sekunden, schlussendlich mehrere Minuten, in denen ihr Onkel sich von ihr abgewendet hat und sie wimmernd und aufschluchzend versucht wenigstens nicht vollständig wegzuklappen.
„Du solltest endlich mal lernen, was dein Platz in dieser Welt ist. Und nicht vergessen, wem du dein Leben verdankst", mit diesen Worten dreht sich Grodan wieder zu ihr um. Und versucht erst gar nicht seine Abscheu ihr gegenüber weder in seiner Stimme, noch in seiner Mimik zu verbergen. „Ich werde dir nun die Spielregeln erklären. Jeder Flug auf diesem Drachen oder irgendeinem anderen Reptil wird nur noch mit meiner Erlaubnis geschehen. Außerdem wird bei jedem Flug ein Schiff unseres Stammes in der Nähe sein. Dabei hast du immer in Sichtweite zu sein, ausnahmslos. Ich werde dir wohl nicht sagen müssen was passiert, solltest du eine dieser Regeln brechen. Oder es auch nur wagen einen erneuten Fluchtversuch zu starten. Geschweige denn, deinen Stamm zu verraten."
„Nein, Onkel, ich habe die Regeln verstanden und werde gehorchen."
Es ist ihre Stimme, die Violene da hört, da ist sie sich sicher. Aber sie nimmt nicht wahr, wie sie diese Worte ausspricht. Geschweige denn die Kraft dafür findet. Denn alles, was sie nur noch spürt, sind diese unaussprechlichen Schmerzen, wie die sich durch jede Faser ihres Körpers fressen. Und das Monster namens Angst sich in ihrem Nacken verbeißt, während dessen eisige Krallen sich in ihre Rippen bohren. Und sie so auf dem Holzboden gefangen halten, keinen Anstand machen von seinem Opfer abzulassen.

Wieder einmal fragt er sich, ob er dieses verfluchte Kind damals nicht doch der brennenden Hölle hätte überlassen sollen. Es hätte definitiv nicht lange überlebt, hätte er es einfach zurückgelassen. Vielleicht hätte dieses hellblaue Reptil es auch irgendwann einfach gefressen, anstatt wie treudoof nicht von dessen Seite weichen zu wollen.
Beide waren damals noch so klein. Sie war vielleicht gerade mal 2, höchstens 3 Jahre alt. Und dieses vielleicht doch nützliche Reptil schien gerade erst aus einem Ei gekommen zu sein. Noch nie war ihm so ein kleiner und wehrloser Drache untergekommen wie dieser.
Aber wenn die Mythen und Legenden und die Gabe des verfluchten Kindes stimmen, dann wird sein Stamm schon bald zu den gefürchtetsten Stämmen im gesamten Inselreich gehören. Und mit dem schützenden Nebel um ihre Insel werden sie unberechenbar. Dann wird der Stamm der Furchtlosen endlich dem Erbe ihrer Ahnen gerecht werden können.
Diese Nacht vor all den Jahren war ausschlaggebend hierfür. Noch heute hört er ihre Schreie, ihr Flehen, spürt ihre Angst. Und wie er es genossen hat.
Doch nie hätte er gedacht, dass dieses verfluchte Kind tatsächlich so viel wert ist. Hatte damals nur gedacht, es sei die Liebe einer Mutter gewesen, die der Grund für all deren Angst und Leid wäre. Und niemals diese Macht. Selbst diese Menschen waren schlussendlich nur geblendet von der Macht, die sie hätten haben können.

Niemand bemerkt, wie eine einzelne Träne über die Schnauze des hellblauen Drachen läuft.






Hey, danke dir fürs lesen :p
Ich hoffe, das Kapitel hat dir gefallen. Zeig es mir doch gerne mit einer Rückmeldung durch Votes und Kommis – Geisterleser kriege ich leider nicht wirklich mit 🥺😅

Schatten der Vergangenheit (Httyd)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt