Glücklich.
Das ist das erste Wort, was Schocker einfällt, wenn er seine junge Reiterin betrachtet.
Das Lächeln, was ihre Lippen umspielt, scheint so ehrlich wie schon lange nicht mehr zu sein. Nicht aufgesetzt, nicht vorgetäuscht, nicht angestrengt oder zögernd. Nein, ein ehrliches Lächeln, was ihm selbst auch das Gefühl von glücklich sein schenkt.
So durchkämmen beide die Insel, welche mal mehr, mal weniger stark verwildert ist.
Und obwohl es in der umliegenden Natur immer wieder mal raschelt und aus der Ferne auch die Rufe von Drachen zu hören sind, so verrät diese Insel nichts über das Leben, was sich auf ihr befindet. Oder was sich überhaupt in ihr befindet.
Wieder einmal folgt Violene einem Trampelpfad, welcher ihr das Gefühl gibt, irgendwann mal von Menschen angelegt worden zu sein. Auch wenn die Natur sich vieles zurückerobert hat, so lässt sich noch immer der Weg erahnen, der früher hier einmal gewesen sein muss.
So langsam kann ich nicht mehr an Zufälle glauben... Es wirkt immer mehr so, als hätten hier mal Menschen gelebt. Jedenfalls glaube ich kaum, dass ein Drache sich um Wege kümmern würde. Geschweige denn, diese instand halten...
„Vio? Das solltest du dir vielleicht mal ansehen."
Überrascht aus ihren Gedanken gerissen hält die Angesprochene inne. Dabei sieht sie, wie der hellblaue Drache zur Hälfte in einer der unzähligen Pflanzen verschwunden ist, welche die beiden seit geraumer Zeit beständig begleiten.
(DS) „Was hast du gefunden, Schocker?" Nur langsam weicht sie zurück, um sich dann umzudrehen und auf seine Höhe zu kommen. Nicht, weil sie weiter vorne eine Wildschweinfamilie entdeckt hatte, sondern um einer Konfrontation mit einem Ast entgehen zu können.
„Du lagst mit deiner Vermutung gar nicht mal so falsch. Diese Insel ist bewohnt. Oder war es einmal..." angespannt hat Schocker die Lichtung vor sich fixiert, welche hinter diesem monströsen Gebüsch vor neugierigen Augen gut versteckt lag. Bis jetzt.
Gemeinsam kämpfen Drache und Reiter sich kurzerhand durch das Pflanzenwirrwarr, wobei sie auch mit weniger Kratzern durch Äste rauskommen, als befürchtet.
Auf der Lichtung angekommen nutzt Violene ihre Chance und streckt sich einmal. Den Blick schweifen lassend, kann sie nicht anders als die Lichtung zu mustern. Denn im Gegensatz zu den vorigen Trampelpfaden ist der Boden hier mit Steinen gepflastert. Auch wenn die hiesigen Pflanzen ihr Bestes geben, um diese herum weiterzuwachsen. (DS) „Lass uns diesen Steinen folgen... vielleicht finden wir ja dann Antworten über diese Insel."
Ein mutiges Lächeln versuchend betritt Violene den steinigen Pfad und beginnt ihm tiefer in die Insel zu folgen. Bei weitem bestimmt nicht die beste Idee, erst recht nicht auf einer fremden Insel. Und noch weniger, wenn an den Rändern dieses Steinwegs immer wieder Überreste von Stehfackeln zu finden sind. Auf der anderen Seite muss sie unweigerlich an ihre Heimatinsel denken, an ihren Onkel, an das Dorf. Sie hat es bis heute geschafft, all das zu überleben. Und mit Schocker hat sie schon so viele Flüge und Erkundungen bestreiten können...
Selbst wenn auf dieser Insel sie ein riesiger menschenfressender Drache oder ein ähnliches menschenfressendes Monster finden sollten – wie könnte das je schlimmer sein als das, was sie seit 15 Jahren auf der Tiefseespalter-Insel erlebte? Lass es los, lass deine Vergangenheit hinter dir...
Ungewollt kehren ihre Gedanken zurück an den einen Abend, wo in ihr alles auf Überlebensinstinkt gesetzt hat. Einfach nur die Klappe halten, nichts sagen, still sein, nicht provozieren... dann ist es schnell vorbei. Dann ist sein Rausch nicht so lang. Dann... hast du es überlebt. Wieder einmal.
Sie kann sich selbst jetzt noch immer nicht erklären, woher sie all die Jahre dieselbe naive Hoffnung nahm. Nur eine Frage ist für sie noch wichtiger als dies. Woher kommt sie wirklich und wer sind ihre Eltern? Insbesondere, da ihr Onkel nie ein Wort darüber verlor.
Stumm gehen beide so nebeneinander den steinigen Weg entlang, mehr oder weniger ihren eigenen Gedanken nachgehend. Wobei Schocker doch lieber wachsam bleibt, gerade wenn er merkt, dass das Menschenkind das eben nicht ist. Das merkt er insbesondere daran, wenn sie kurz davor ist wieder einmal gegen einen Baum zu laufen. Das Menschen dafür so ein Talent haben, das fasziniert ihn doch mehr als gedacht. Und zugleich kann er sich die Frage nicht verkneifen, wie sie so lange ohne ihn überleben konnte.
Gerade noch so kann er im nächsten Moment vor einem komischen Ding aus Stein stoppen. Nun wäre es ihm fast selbst um ein Haar passiert. Kopfschüttelnd grummelnd wendet er seinen Blick von diesem Ding ab und stupst seine Reiterin an, um ihre Aufmerksamkeit zu kriegen: „Dieser Steinweg geht hier nicht weiter."
(DS) „Wie?", erneut ertappt sieht Violene entschuldigend zu Schocker, bevor auch ihr Blick auf das Ding aus Stein fällt, „Das sieht aus wie... eine Statue. Eine Statue... soll das ein Mensch sein? Aber was trägt dieser für ein seltsames Outfit...?"
„Das scheint nicht mal der einzige zu sein. Da hinten sind noch mehr. Und Ruinen, die irgendwie an Häuser erinnern...?"
Langsam folgt Violene Schockers Blick, um einen ganzen Platz zu entdecken. Und es erinnert sie sehr an ihre Heimat. Häuser, von denen zum Großteil nur noch die Grundfesten erkennbar sind, vereinzelte Statuen, welche schon vom Moos bewuchert werden und spärlich erkennbare Wege, die vor langer Zeit bestimmt regelmäßig genutzt wurden. Hier lebten Menschen. Definitiv.
Nachdem Schocker einmal auf Nummer sicher gegangen ist, das sich hier keine große Gefahr irgendwo versteckt und die beiden jederzeit angreifen könnte, erkunden sie den Platz.
Tatsächlich lassen sich keine Anzeichen finden, das jetzt noch hier irgendwelche Menschen leben. Dafür sind die Ruinen zu zerstört und verwahrlost. Und der Platz allgemein zu... ruhig. Doch wirft dieser Ort noch immer Fragen bei Violene auf.
Welche Menschen haben hier gelebt? Warum leben sie jetzt nicht mehr? Oder mussten sie den Ort verlassen, weil irgendetwas passiert war?
Fragen über Fragen schießen Violene durch den Kopf, während sie eine der vielen Ruinen nach Informationen durchsucht. Und tatsächlich fündig wird. Ein kleines Buch aus Leder und daneben ein Stofffetzen mit einem Wappen. Kurzerhand ruft sie Schocker zu sich und bedeutet ihm, hier auf sie zu warten und auf diese Sachen aufzupassen, während sie die weiteren Ruinen nach brauchbaren Informationen und Fundstücken durchsucht. Immer wieder muss sie den Kopf abwenden und ein Husten unterdrücken, wenn sie versucht, alten Schutt zur Seite zu kriegen, in der Hoffnung darunter fündig zu werden.
Schweigend mit einem dumpfen Bauchgefühl beobachtet Schocker das Menschenkind bei seiner zielstrebigen Suche, wie es von Ruine zu Ruine geht und erst zur nächsten aufbricht, wenn es sich sicher ist bei der aktuellen nichts mehr zu finden. Auch das ist eine Eigenschaft an ihr, die ihn doch fasziniert und staunen lässt. Diese Zielstrebigkeit... Zugleich wächst die Sorge in ihm, dass genau jene Eigenschaften seiner Reiterin eines Tages zum Fallstrick werden könnten. Und vor allem er nicht da wäre, um sie zu beschützen. So wie er jetzt auf die Fundstücke aufpasst und zugleich die Umgebung im Blick behält, dass es ja niemand wagen würde sie anzugreifen.
Erleichtert hebt er seinen Kopf mehr, als eine grinsende Violene mit weiteren Fundstücken in den Händen auf ihn zu kommt. Und zugleich einiges an Staubähnlichen an ihrer Kleidung haften hat.
Ein Grinsen sich nicht verkneifen können stupst er sie erleichtert an und macht ihr Platz. Diese erwidert es mit einem vorsichtigen Lächeln, während sie die weiteren Fundstücke mit zu den anderen ausbreitet. So werden aus einem Buch gleich zwei Bücher mit weiteren losen Zetteln und auch zu dem Stofffetzen sich ein Weiterer, in dem etwas eingepackt zu sein scheint.
„Jetzt bin ich neugierig! Was hat deine komische Suche ergeben? Was für Menschen haben hier mal gelebt?"
(DS) „Nun.... Das werden wir wohl jetzt hoffentlich herausfinden", versuchend in ihrer Stimme einen Funken von Hoffnung hören zu lassen, setzt sie sich mit zu Schocker und mustert die Sachen.
Eigentlich sollten diese Sachen sie nicht überraschen. Sowohl Bücher als auch Stoffsachen sind normale Gebrauchsgegenstände und nicht gerade selten in Dörfern zu finden. Wäre da nicht dieser seltsame Gegenstand, welchen sie in dunklem Stoff eingewickelt fand. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Weder in ihrem Dorf noch bei ihrem Onkel, geschweige denn bei all den Wikingern, welchen sie auf den Pflichterkundungen allesamt schonmal begegnet sind.
Langsam streckt sie die Hand danach aus, tief durchatmend.
Der dunkle Stoff fühlt sich weich an, überhaupt nicht rau oder so, sondern überraschend angenehm in ihrer Hand. Als würde er sich direkt an ihre Haut schmiegen. Vorsichtig nimmt sie das Etwas in die eine Hand, um mit der anderen die einzelnen Schichten dann abdecken zu können.
Unter dem dunklen Stoff kommt eine hellblaue Linse in einem sechseckigen braunen Rahmen zum Vorschein. So ein Ding hat sie noch nie gesehen. Auf der einen Seite wirkt es so unscheinbar und zerbrechlich, auf der anderen Seite... als würden seltsame Geheimnisse dieses Ding umgeben. Geheimnisse, die nicht so harmlos scheinen, wie man auf dem ersten Blick hin vermuten könnte. Mit einer gewissen Anspannung verstaut sie diese sicher, falls diese Linse eines Tages doch zu etwas gut sein könnte. Man weiß ja nie.
Nun doch mehr von der Neugier getrieben widmet sie sich den restlichen Sachen. Zuallererst dem Stofffetzen, der mit schnellen Griffen kurzerhand aufgeschlagen und geglättet ist. Doch mit dem Bild, welches sie nun anguckt, hatte sie nicht gerechnet. Ungläubig verharrt ihr Blick darauf, die aufkommenden Gedanken dazu nicht wahrhaben wollend. Nicht wahrhaben können.
Unweigerlich beginnen ihre Finger zu zittern, als sie an ihrer Tasche nestelt und versucht den Anhänger hervorzuholen. Er ist klein und unscheinbar, doch zugleich hat sie im selben Moment das Gefühl, das er viel zu schwer für ihre zitternde Hand sei.
Das kann nicht wahr sein... Ich muss mich täuschen, oh bei Odin, bitte.... Ich muss mich doch täuschen...
Nervös fährt ihr Finger zuerst über den eingravierten Namen, welcher ihr immer noch nur ihren Namen verrät. Bevor sie es schafft sich dazu durchzuringen und diesen umzudrehen, um das Bild eines Leuchtenden Fluchs zu offenbaren.
Seine Reiterin aus dem Augenwinkel beobachtet habend, richtet Schocker sich auf und kommt den halben Meter nochmal zu ihr. Dabei fällt sein Blick zuerst auf den Anhänger, welchen er noch von diesem einem Abend in ihrem Heimatdorf kennt. Und auch weiß er noch haargenau, wie verwirrt und erschrocken sie zugleich war, als sie darauf ihren Namen las und das Bild eines Drachen sah. Ein Drache, der aussieht wie er.
Erst jetzt bemerkt er den Stofffetzen, den Violene vor sich liegen hat. Nicht den, den sie in den anderen Ruinen fand, sondern der, auf welchen er aufpasste, bis sie ihre Suche beendet hatte. Und vielleicht hätte er jetzt beiläufig gefragt, was denn los sei, wenn er es nicht auch sehen würde.
Auf dem Stofffetzen ist dasselbe Bild, wie auf dem Anhänger.
Das Bild eines Leuchtenden Fluches.
Sein Bild.
Hey, danke dir fürs lesen :p
Ich hoffe, das Kapitel hat dir gefallen. Zeig es mir doch gerne mit einer Rückmeldung durch Votes und Kommis – Geisterleser kriege ich leider nicht wirklich mit 🥺😅
DU LIEST GERADE
Schatten der Vergangenheit (Httyd)
Fanfiction(Vorgeschichte zu "Die Wächterin") Angst. Ein Wort, mit dem sich ihr ganzes Leben zusammenfassen lässt. Seit sie sich erinnern kann kennt sie kein anderes Gefühl als Angst. Angst vor Strafe, vor ihrer Familie, vor Drachen. Jahre später wird sie zu...