17 - What a Wonderful World

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(DS) „Kannst du das glauben? Die müssen ungefähr in meinem Alter sein und reiten auf Drachen?!"
„Ganz ehrlich: Definitiv nicht. Ich hab eigentlich gedacht, du wärst die einzige seltsame Ausnahme." Grinsend sieht Schocker zu seiner Reiterin auf, um sich dann seinen Flügeln wieder zu widmen.
(DS) „Ich weiß nicht... Mir kommt das so komisch vor. Vor allem, unter den Drachen war sowohl ein Skrill, als auch ein Nachtschatten! Drachenarten, die nicht nur extrem selten sein sollen, vor allem auch extrem gefährlich und gefürchtet. Und das kommt mir noch seltsamer vor. Wie haben sie das geschafft...?"
„Nur eine Vermutung - so unlogisch ich diese auch finde, vor allem aus Drachensicht – aber vielleicht vertrauen diese Drachen diesen Menschen. Wie gesagt, es würde mich sehr wundern. Aber da ich dir ja auch vertraue."

Leicht lächelnd sieht Violene zu Schocker rüber. Dieser Drache ist echt unverbesserlich, aber... naja, an seiner Theorie könnte ja etwas dran sein. Aber was müssen das dann für Jugendliche sein, wenn sie es schaffen einen Nachtschatten und einen Skrill zu bändigen?
Somit ist auch ihr persönliches Interesse an diesen Reitern geweckt. Vielleicht, nur vielleicht ist Berk schon längst nicht mehr so, wie ihr Onkel es in Erinnerung hatte.
Wieder einmal diesen Anflug von „Glücklich sein" spürend lässt sie ihren Blick wie so oft über die Landschaft von Berk schweifen. Tatsächlich hat die Landschaft von Berk eine ganz andere Stimmung als auf der Tiefseespalter-Insel. Einerseits ärgert sie diese Erkenntnis, dass ihr jahrelang so etwas Schönes vorenthalten blieb. Andererseits stärkt diese Erkenntnis den Hoffnungsfunken in ihr, dass sie da draußen etwas vergleichbar Schönes finden könnte. Das es tatsächlich nicht aussichtslos wäre ihre Heimat zu verlassen.
Gemeinsam hatten sie sich in die bergische Landschaft zurückgezogen, in den Bereich, wo man von Berg und Wald gut geschützt wird. Erst recht vor neugierigen Blicken aus dem Himmel. Auch wenn sie noch keinem Skrill und keinem Nachtschatten begegnet ist, ungern würde sie eine spontane Begegnung riskieren, solange sie unter dem Auftrag ihres Onkels unterwegs ist. Wenn das alles Mal vorbei sein sollte, dann könnte man ja über ein Kennenlernen nachdenken. Schlussendlich weiß sie nicht, ob das jemals der Fall sein wird. Einen Verrat würde ihr Onkel mit dem Tod begrüßen.

Weder Reiter noch Drache wurden in den nächsten Tagen enttäuscht.
Auf der einen Seite lernten sie die Gewohnheiten der Dorfbewohner kennen, wer welcher Aufgabe nachgeht und wer wo regelmäßig zu finden ist. Dabei merkte sie schnell, dass der Junge mit dem Nachtschatten anscheinend der Sohn vom Oberhaupt Berks ist. Eine Tatsache, die sie im Grunde genommen gar nicht mal so unlogisch findet.
Dann gibt es da noch deren Schmied, der anscheinend sehr gerne und sehr schief verschiedene Lieder singt. Oder das vorliest, was eine alte, kleine Dame gerne in den Boden schreibt. Diese ist es auch, welcher das Haus da hoch oben im Himmel gehört.
Schlussendlich gab es da noch diesen komischen Kauz, welcher wohl regelmäßig über die Drachen von den Jugendlichen meckert. Wer auch immer das ist, jedenfalls ist er definitiv kein angenehmer Zeitgenosse. Und dann immer in Begleitung eines Schafes...

Am meisten aber haben diese anderen Drachenreiter sie fasziniert.
Was für ein Vertrauen und eine Bindung anscheinend zueinander haben und zugleich, wie sie sich regelmäßig treffen, verschiedene Übungen machen und über mehrere Themen diskutieren. Ja, von denen konnte sie in den vergangen Tagen definitiv am meisten lernen! Und sie bereut es nicht.
Umso mehr schmerzte ihr dann doch das Herz, als ihr bewusst wurde, das es Zeit wird zurückzukehren und ihrem Onkel Bericht zu erstatten. Und genau das ist es, was Violene andererseits einfach gar nicht einordnen kann. Sie hatte mit keinem dieser Dorfbewohner ein Wort gewechselt, geschweige denn mit den Drachen, welchen sie auf Berk begegnete. Und doch sehnt sich irgendetwas in ihr danach.
Nach dem, was diese Reiter haben. Gemeinschaft, Freude, gemeinsames Lernen und etwas, was die Kinder aus ihrem Dorf wohl... Freundschaft nennen würden.
Nein, Violene selbst kennt so etwas nicht. Leider.

Die dazugehörige Rückreise geschah diesmal stiller und bedrückender als sonst. Auch Schockers Versuche, Gespräche anzufangen, gingen alle ins Leere. Anscheinend war seiner Reiterin wirklich nicht nach Reden zumute.
„Weißt du, wir können immer noch abhauen. Wir müssen nicht zu ihm zurückkehren. Du könntest dich diesen anderen Reitern vorstellen und dort vielleicht Freunde finden."
(DS) „Wie oft denn noch, Schocker? Es geht nicht, es geht einfach nicht! Wenn irgendjemand von dieser Fähigkeit erfährt, will man doch sowieso nichts mit einem zu tun haben. Das war doch schon bei Rukis Dorf 'ne knappe Geschichte. Und wenn mein Onkel das merkt... dann wird er dich umbringen! Und jeden anderen mit, den er als schuldig für den Verrat betrachtet. Versteh doch... ich würde diese Reiter doch nur in Lebensgefahr bringen." Zum Ende hin war ihre Stimme nur noch ein gebrochenes Flüstern und Schocker wurde die Vermutung nicht los, dass seine Reiterin Tränen zurückhält. Ein Gedanke, der ihn noch mehr schmerzt als alle anderen körperlichen Strafen, die er damals in seinem Gefängnis erfuhr.
So kam es, dass auch er bis zur Ankunft bei ihrem Onkel kein Wort mehr sagte. Weniger aus Trotz oder Missgunst, vielmehr weil er nicht wusste, welche Worte ihr wirklich Trost geben könnten. Lieber schwieg er, als sie noch weiter zu verletzen.

Diesmal sieht ihr Onkel sie nicht einmal an, als sie zu ihm kommt, um Bericht zu erstatten. Mustert viel lieber etwas innerhalb der Arena, was anscheinend vor kurzem repariert wurde. Wie um ihr zu signalisieren: Du bist unbedeutender als dieses Stück Gebäude.
„Deine Aussagen haben nicht gestimmt, Onkel", die einen würden so eine Aussage als mutig bezeichnen. Die anderen als lebensmüde. Ihren Onkel als Lügner zu deklarieren... das könnte ihr mehr als nur den Kopf kosten.
Scharf sieht er sie aus dem Augenwinkel an, keine Miene verziehend. Abwartend.
„... die Wikinger auf Berk jagen keine Drachen. Stattdessen sind sie mit denen befreundet", fügt Violene eingeschüchterter hinzu. „Alles auf dieser Insel sah nicht nach Drachentötern aus. Und... es gibt dort Wikinger, die... anscheinend auf Drachen reiten können."
„Ist dem so", Grodans Stimme klingt kalt, fast schon schneidend, „Lass dich von diesem Stamm und den Eindruck, den du von ihnen gewonnen hast, nicht verwirren. Die Berkianer sind es, die deine Eltern damals grauenvoll ermordet haben. Ich dachte, das solltest du nun endlich wissen."
Zufrieden beobachtet er, wie die angespannte Mimik seiner Nichte zu bröckeln beginnt. Wie die Fassade, die sie vor ihm versucht aufrecht zu erhalten Stück für Stück Risse bekommt und droht in sich zusammenzufallen.
Ungewollt schluckend versucht Violene ihre Fassung nicht zu verlieren. Und doch hatte dieser Satz ihr sämtliche Luft zum Atmen geraubt, wie ein kräftiger Schlag in die Magengrube. Zitternd ringt sie nach Luft, versucht, nicht vom Meer verschlungen zu werden und aufatmen zu können. Angestrengt.
Lächelnd wendet Grodan sich von diesem Schauspiel ab, die Arena verlassend. Das Lächeln bekommt seine Nichte dabei nicht mehr mit, zu sehr versucht, nicht jeden Moment unter dieser Last zusammenzubrechen. Fast schon stumm nach Luft ringend sinkt sie auf die Knie, als die ersten Tränen sich nicht mehr zurückhalten lassen und sich unnachgiebig ihren Weg bahnen.

Besorgter stupst Schocker seine Reiterin am Gesicht an. Versucht, ihre Tränen zu verstehen, ihr Trost zu geben, für sie da zu sein. Versuche, die Violene nur halb wahrnimmt, während sie ihre Augen zusammengekniffen hat. Sich mit aller Gewalt gegen die aufkommenden Gefühle wehren wollend.
Im nächsten Moment legt jemand eine Decke um ihre Schultern. Lässt sie zusammenzucken. Das Gesicht aus Angst noch mehr verziehend. Alles erwartend, nur nicht diese liebevollen Berührungen und sanfte, beruhigende Worte.
Keine Miene verziehend legt Rikke beschützend einen Arm um Violene und hilft ihr auf. Schirmt sie gemeinsam mit Schocker vor neugierigen Blicken der anderen Dorfbewohner ab, bis zu ihrem Haus.

Keine unnötigen Worte verlierend richtet sie Violene ein Bett. Wissend, dass sie in Schockers Gesellschaft solang in guter Begleitung ist.
Nie wird sie verstehen können, was Grodan zu all diesen Taten so antreibt. Das er erst eines Tages nach einem seiner damaligen Schlachtzüge mit einem kleinen Kind und genauso jungen Drachen plötzlich hier auftaucht. Und sie dann noch als seine Nichte ausgibt. Erst recht wird sie wohl nie seine Erziehungsmethoden verstehen, geschweige denn gutheißen können. Und dann diese Expeditionskurse.
Was auch immer er ihr gesagt hat, es war definitiv zu viel für das junge Kind. Sie ist doch erst 15, kennt nicht einmal ihre wirkliche Herkunft und gilt in diesem Dorf für alle als Verflucht. So ein Leben hat doch niemand verdient. Oder?

Behutsam bettet sie Violene auf dem frischen Bett und stellt ihr etwas zu essen und zu Trinken auf den kleinen Tisch daneben. „Ruh dich aus. Schlaf erstmal eine Runde, trink und iss etwas und erhol dich gut. Wenn etwas ist, ich bin hier im Haus." Sanft streicht Rikke Violene noch einmal über das Haar, bevor sie den Raum verlässt und leise die Tür hinter sich schließt.
Nur bleibt es eben genau bei dieser Stille. Auch Stunden später hat sie sich kein stückweit gerührt, geschweige denn Essen und Trinken angerührt. Oder geredet.
Besorgt beobachtet Rikke dieses Verhalten, gemeinsam mit Schocker versuchend wenigstens ein Wort aus ihr rauszukriegen. Oder zu erfahren, was Grodan genau zu ihr gesagt hatte. Denn Drachen kann sie leider nicht verstehen. Jedenfalls nicht so, wie Violene es kann.
Nachdem der nächste Tag genauso wenig Erfolg brachte, fasst Rikke einen Entschluss. Wenn alle anderen Dinge nicht wirklich etwas brachten und auch Schocker keinen richtigen Erfolg hatte, hat sie noch diese Möglichkeit. Vorsichtig kommt Rikke zu Violene und setzt sich an das untere Bettende.

„Vielleicht erinnerst du dich noch an die Legende, von der ich dir mal erzählt hatte. Ich dachte, du würdest gerne die Fortsetzung davon hören. Generationen von Generationen erzählten sich davon, wie es Wikinger gab, die Drachen zähmen konnten und auf deren Rücken die Weiten des Himmels erkundeten. Sie zähmten Drachen nicht durch eine manipulative Kontrolle oder Gewalt, sondern allein durch das Schaffen von gegenseitigem Vertrauen. Man erzählte sich auch, dass es wohl keine uns bekannte Drachenart gegeben haben soll, die sie eben nicht zähmen konnten. Obwohl diese Fähigkeit eine Gabe war, die einem die Götter nur mit der Geburt verliehen, gab es viele Stämme, die versuchten diese Fähigkeit selbst auszuüben und für ihre Zwecke zu missbrauchen. Doch scheiterten genauso viele Stämme eben genau daran, während man munkelt, dass ein Stamm mit dem Leuchtenden Fluch als Wappen diese Fähigkeit wohl heute noch ausüben würde. Wenn es diesen Stamm heute noch gibt-„

„Hör auf mit diesen Ammenmärchen, Rikke! Du weißt genauso wie ich, dass dies reine Lügen sind. Und Violene sollte die letzte sein, die sich mit diesen Lügen beschäftigt!" – Grodan.



Hey, danke dir fürs lesen :p
Ich hoffe, das Kapitel hat dir gefallen. Zeig es mir doch gerne mit einer Rückmeldung durch Votes und Kommis – Geisterleser kriege ich leider nicht wirklich mit 🥺😅

Schatten der Vergangenheit (Httyd)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt