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-Kapitel 7-

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Jaden

Ich komme wieder zu spät zum Training.

Auf dem Parkplatz angekommen sprinte ich die vielen Treppenstufen bis zum Eingang der Eishalle runter, grüße Billi eilig und renne weiter bis zur Umkleide, um mich in meine Ausrüstung zu quetschen. In den letzten drei Tagen bin ich immer zu spät zum Nachmittagstraining gekommen, weil ich Chayla noch von ihrer Schicht im Café abholen und nach Hause bringen musste. Ihr Auto ist gerade in der Werkstatt, deswegen verlässt sie sich auf mich.

Der Coach hat zu meinem Zuspätkommen zwar noch nichts gesagt, aber das wird nur eine Frage der Zeit sein. Wenn er eine genauso kurze Zündschnur wie seine Tochter hat, sollte ich mich lieber in Acht nehmen. Dazu kommt noch das Freundschaftsspiel übermorgen.

Schnell schließe ich meine Wertsachen in meinem Spind ein und eile mit Schlittschuhen, Ausrüstung und Helm aufs Eis. Mein Schläger steht am Eingang zum Eis, zusammen mit allem, was ich brauche, betrete ich die Fläche und fahre in die Mitte, wo die Jungs mit dem Coach stehen.

»...deswegen ist es wichtig, dass ihr euch heute und morgen richtig reinhängt. Bevor die Saison anfängt, möchte ich das Team schon ins richtige Licht stellen. Der Sieg am Samstag ist aus diesem Grund äußerst wichtig.« Unauffällig stelle ich mich zu den Jungs, doch Coach Mitchell hat mich direkt gesehen und schaut mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.

»Du bist wieder zu spät. Wenn das morgen wieder passiert, sitzt du am Samstag auf der Bank. Ihr seid alt genug um selbst Verantwortung zu übernehmen.«

Als Antwort nicke ich bloß.

Coach Mitchell mustert mich noch kurz, doch dann schaut er runter zu seinem Klemmbrett und scheint sich wieder gefangen zu haben. Erleichtert atme ich aus und lasse unbewusst meinen Blick über die ganze Tribüne schweifen. Blair Mitchell sitzt nicht da und wartet darauf, dass wir uns verpissen. Das letzte Mal habe ich sie beim Joggen gesehen, seitdem hat sie sich nicht mehr blicken lassen. Und dazwischen liegen mehr als vier Tage.

»Noch einmal die Notiz an dich, Jaden. Wir sind bereits den Spielplan für heute durchgegangen. Da du zu spät gekommen bist, spielst du den Stürmer zusammen mit Colin. Ich werde mir bis morgen Gedanken machen und dann entscheiden, auf welcher Position ihr am Samstag spielt.«

»Alles klar, Coach.« Er fährt vom Eis und wir nehmen unsere Positionen ein.

»Mann, du musst echt aufhören, zu spät zu kommen. Der Coach kann dich rausschmeißen, schon vergessen?«, sagt Colin zu mir, als wir zu unseren Plätzen fahren.

»Es wird nicht mehr vorkommen.« Nur kann ich das nicht versprechen. Eishockey ist wichtig für mich, aber gleichzeitig möchte ich für Chayla da sein.

Die Spielzeit beginnt, als Coach Mitchell in die Pfeife bläst und sich auf die leere Tribüne befördert. Es fällt mir schwer, mich zu konzentrieren. Immer wieder muss ich mich selbst ermahnen, darauf zu achten, wo der Puck ist und wie ich meinen Körper bewegen muss. Colin ist in dieser Runde definitiv besser als ich, die Jungs ermahnen mich ein paar Mal während des Spiels, weil ich zu spät reagiere. Ich bin mit meinem Kopf ganz woanders, das ist mir schon lange nicht mehr passiert. Das letzte Mal war ich so neben der Spur, als Mila sich das Bein gebrochen hatte. Ich weiß auch nicht genau, woran meine Unaufmerksamkeit liegt. Aber immer wieder strecke ich meinen Kopf in Richtung Tribüne, um nach Blair Ausschau zu halten. Das mache ich ganz unbewusst.

Die erste Trainingseinheit ist vorbei. Coach Mitchell kündigt eine kurze Pause an, bevor wir die letzten zwei Drittel spielen. Kylian und Colin rasen auf dem Eis auf mich zu.

»Was ist los mit dir? So leicht konnte man dir den Puck lange nicht mehr wegnehmen. Soll ich dich an die Aufgabe eines Verteidigers erinnern, Mann?« Kylian nimmt seinen Helm ab und funkelt mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Für ihn sind diese Spiele lebenswichtig. Dazu gehört auch unser Training.

»Ich bin heute etwas neben der Spur. Tut mir leid.« Auch ich nehme meinen Helm ab.

»Ist etwas passiert?« Colin hat ein weiches Herz, ihn kümmert es viel mehr, wie es mir geht, als Kylian.

Colin habe ich erst während meinem ersten Semester kennengelernt, währenddessen ich Kylian schon seit der ersten Klasse kenne. Deswegen weiß ich auch, wie ungern er über Gefühle und das Empfinden von Menschen redet. Für ihn gibt es nur den harten Teamgeist, nur das hat einen Platz in seinem Herzen.

»Es ist nichts passiert«, erkläre ich den Jungs und lasse meinen Blick erneut über die Tribüne schweifen.

Unwillkürlich schweifen meine Gedanken zu jenem Abend ab. Ich war auf dem Weg nach Hause, als ich eine weibliche Person am Straßenrand joggen sah. Ich habe ewig gebraucht, bis ich mit Sicherheit sagen konnte, dass es sich um die Tochter von Coach Mitchell handelte. Denn diesmal trug sie weder einen Kapuzenpulli noch Schlittschuhe, denen sie Namen gab. Mal ehrlich, wer gibt schon Gegenständen, vor allem Schuhen, Namen? Das ist doch schon ein Zeichen dafür, dass sie nicht ganz bei Trost ist. Kein Wunder, dass ich an sie denken muss.

Ich konnte sie an ihrem Körper erkennen. Schon in der Halle konnte ich kaum die Augen von ihren Kurven lassen.. Kein Wunder, dass sie so einen durchtrainierten Hintern hat, wenn sie so viel Sport treibt. Und dann noch diese dünne Leggings. Komm schon. Natürlich werde ich da schwach.

Ich habe keinen Schimmer, wieso ich anhalten musste, es gab für mich keinen Grund stehenzubleiben. Doch ich konnte nicht einfach vorbeifahren. Es amüsiert mich zu sehen, wie sie innerhalb weniger Sekunden ausrasten kann. Ihr Gesichtsausdruck war völlig entspannt, sie war bloß aus der Puste vom Laufen, aber sobald sie mich erkannte, stieg Wut in ihr auf. Na klar bereitet mir dieser Anblick Freude. Am Ende war ich jedoch überrascht. Als ich sie nach ihrem Namen fragte, hätte ich nie mit einer ehrlichen Antwort gerechnet. Doch ich hatte sie. Meine Antwort. Und als sie sprach, wirkte sie weniger genervt, sondern eher sehr sensibel und beinahe erschöpft.

»Wenn nichts passiert ist, dann streng dich gefälligst wieder mehr an. Der Coach soll nicht denken, dass wir unser Training nicht ernst nehmen.«

Colin wirft Kylian einen bösen Blick zu. »Jaden ist einer unserer besten Spieler, Kylian«, fährt ihn Colin scharf an. »Und das wird dem Coach auch aufgefallen sein.«

Kylian schnaubt und setzt sich seinen Helm wieder auf. »Ich spreche nur das aus, was ich denke. Und ich finde, dass sich Jaden wieder mehr auf das Training konzentrieren soll und nicht auf irgendwelche Spielchen mit Frauen.« Mein Freund deutet auf mich, doch ich lege nur den Kopf schief.

»Was für Spielchen mit Frauen? Ich bin nicht wie du, der sich jedes Wochenende eine Neue krallt«, erwidere ich kühl.

»Komm schon, Jaden. Ich kenne dieses Gesicht und diese Abwesenheit von dir. So hast du auch geschaut, als das mit Chayla und dir begonnen hat. Sag mir bloß nicht, dass du dich wieder auf ihre Spielchen einlässt.« Schnaubend wende ich mich ab und stütze die Ellenbogen gegen die Wand.

»Natürlich nicht.«

Unwillkürlich schweift mein Blick erneut nach oben auf die leere Tribüne, mit angehaltenem Atem suche ich nach einem blauen Augenpaar, doch ich werde nicht fündig.

»Das will ich auch hoffen. Wir müssen dringend aufholen und diese Season durchstarten. Das Spiel am Samstag ist wichtiger als irgendeine Bettgeschichte.«

»Das aus seinem Mund zu hören, ist echt unglaublich.« Colin deutet auf Kylian, als wäre dieser gar nicht anwesend. Grinsend setze ich meinen Helm auf und schüttle meine ganzen Ablenkungen ab.

»Dann mal los, Jungs. Zeigen wir Coach Mitchell, was wir drauf haben.« Gleichzeitig stoßen wir uns von der Wand ab und fahren über das Eis zu den anderen, die sich bereits wieder aufgestellt haben. Die nächste Spielzeit höre ich nur Lob von Coach Mitchell, der am Rand steht und alles kommentiert. Vielleicht erzählt er Blair beim Abendessen, wie toll ich heute auf dem Eis war.

Passion on IceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt